Gipfel in Brüssel:Der Pakt für den Euro

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist beim Euro-Gipfel in Brüssel auf Kompromisskurs statt wie bisher auf der Bremse zu stehen. Portugal und Griechenland soll geholfen werden.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Vor dem Gipfel der 17 Euro-Länder am Freitag in Brüssel stand fest: Die Staats- und Regierungschefs werden nicht nur über Reformen ihrer Steuer- und Sozialsysteme reden, sondern vor allem übers Geld. "Wir müssen heute deutliche Fortschritte machen bei der Lösung der Probleme", sagte Kanzlerin Angela Merkel vor den Beratungen. Ziel sei es, Ende März ein Gesamtpaket zur Stabilisierung der Währungsunion zu verabschieden. Das Euro-Treffen sei "ein wichtiger Schritt dahin".

Zunächst sollte die Lage in den klammen Ländern Griechenland, Irland und Portugal beraten werden. Die Griechen und die Iren hatten als erste Länder Hilfen von der Euro-Gemeinschaft bekommen. Jetzt tobt der Streit um die Konditionen. Athen und Dublin fordern, die Konditionen der europäischen Kredite zu erleichtern. Laufzeiten sollen verlängert, Zinsen gesenkt werden. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou nahm die Partner in die Pflicht: Sein Land trage mit "schmerzhaften Wirtschaftsreformen" seinen Teil zur Stabilisierung des Euro bei, nun müssten die Partner mutige Entscheidungen treffen.

Die Bundesregierung stand bisher auf der Bremse. Merkel betonte stets, innerhalb der Währungsgemeinschaft müsse jeder geben und nehmen. Wenn Länder bessere Konditionen forderten, erwarte sie Leistungen. Unmittelbar vor den Beratungen verlautete aus der deutschen Delegation, es zeichne sich ab, "dass die wirtschaftliche Entwicklung in den betroffenen Ländern in die richtige Richtung" gehe. Details über den Erfolg der bisher angestoßenen Reformen und Sparpläne sollten am Abend von den Experten der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank vorgestellt werden. Sollten sich die Fortschritte bestätigen, "verbessere sich die Grundlage, um überhaupt über die Forderungen verhandeln zu können", hieß es in der Delegation. Im Falle Portugals gehe es darum, die Finanzmärkte zu überzeugen, dass das Land seine Finanzprobleme aus eigener Kraft bewältigen könne. Das Land steht seit Monaten unter besonderer Beobachtung der Finanzmanager. Sie glauben, dass Lissabon bereits Anfang April unter den Euro-Rettungsschirm flüchten könnte. Zu diesem Zeitpunkt muss das Land Anleihen refinanzieren.

Bislang versucht die Regierung alles, um ohne Hilfe aus der Krise zu kommen. Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos kündigte vor seinem Abflug zu den Beratungen der Euro-Länder sogar eine weitere Sparrunde an. Die Regierung will die Kosten im Gesundheitswesen, in den Sozialsystemen und in staatlich kontrollierten Firmen senken. Zudem sollen Investitionen in die Infrastruktur verschoben werden.

Die zusätzlichen Einschnitte betragen 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Sie seien eine "zusätzliche Vorsichtsmaßnahme", sagte Teixeira dos Santos. Portugal wolle auch die letzten Zweifel aus dem Weg räumen, dass es in diesem Jahr die angepeilte Reduzierung der Defizitquote auf 4,6 Prozent schaffe. Falls nötig, sei Portugal zu weiteren Reformen bereit, fügte er hinzu. Deutschland begrüßte die Maßnahmen, sie machten die Sparanstrengungen glaubwürdiger. Wenn die EU und die EZB dem Land nun "ein Gütesiegel" verpassten, dürfte das die Finanzmärkte beruhigen.

Berlin will erst die Lageberichte aus den besonders überschuldeten Ländern hören und dann über Änderungen im bestehenden Euro-Rettungsschirm verhandeln. Bisher steuern die Euro-Länder 440 Milliarden zu dem insgesamt 750 Milliarden Euro umfassenden Fonds bei; allerdings dienen rund 200 Milliarden davon als Sicherheiten. Die Euro-Länder planen, die vollen 440 Milliarden Euro zu verleihen. Was allerdings zu höheren Garantieleistungen auch aus Deutschland führen würde. Das ist bisher umstritten. Deutsche Regierungskreise schlossen am Freitag einen Kompromiss nicht aus.

Sozialsysteme auf dem Prüfstand

Gleiches gelte für die Ausstattung des permanenten Rettungsfonds, der den jetzigen 2013 ablösen soll. Bisher haben sich die Europäer nur darauf geeinigt, den Fonds mit 500 Milliarden Euro auszustatten. Unter welchen Umständen und zu welchen Konditionen Kredite vergeben werden, darüber gibt es Dissens. Zudem fordern einige Länder, den Fonds zu ermächtigen, Staatsanleihen aufkaufen zu können. Deutschland lehnt das ab.

Bereits vor dem Gipfel einigten sich die 17 Chefs der Euro-Länder auf die Grundzüge des von Deutschland geforderten Pakts für Wettbewerbsfähigkeit. Darin verpflichten sich die Länder, eine "neue Qualität in der wirtschaftspolitischen Koordinierung" zu erreichen. Der Pakt bezieht sich vor allem auf Bereiche, die unter nationale Kompetenz der europäischen Länder fallen. Er sei "der Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und das weitere Auseinanderdriften der Volkswirtschaften zu verhindern", heißt es in dem Papier. Er sichere den Lebensstandard und die sozialen Errungenschaften der Europäer.

Dem Entwurf des Paktes zufolge empfehlen die Länder einander, bestimmte Politikfelder zu reformieren. Dabei soll auf nationale Traditionen Rücksicht genommen und die Tarifautonomie gewahrt bleiben. Weist ein Land nach, dass es auf einem bestimmten Sektor passiv bleiben kann, wird dies akzeptiert. Die Empfehlungen beziehen sich vor allem auf die Steuer- und Lohnpolitik. Löhne sollen an die Produktivität angepasst, Bildung und Forschung verbessert werden.

Auf den Prüfstand kommen auch Pensions-, Gesundheits- und Sozialsysteme. Zudem sollen die Länder ihre Aufsicht über Finanzinstitute verbessern und die Steuerpolitik enger koordinieren. Der Pakt, dessen Name auf Drängen einiger Länder zuletzt in "Pakt für den Euro" geändert wurde, soll nach der politischen Einigung am Freitag auf dem Gipfel Ende März formal beschlossen werden. Im Juni sollen die 17 Länder mitteilen, welche Reformen sie anstoßen wollen. Kontrolliert wird in zwölf Monaten.

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