Süddeutsche Zeitung

Gewerbeimmobilien in Europa:"Die Zeit des Bling-Bling ist vorbei"

Trübsinn an der Côte d'Azur: Die Immobilienmesse in Cannes ist ein Barometer der Branche - und die Zeichen stehen auf Sturm.

Von Michael Kläsgen

Erstmals seit neun Jahren machen sich auf der Mipim Zweifel breit. Jedes Jahr im Frühling treffen sich Käufer und Verkäufer von Gewerbeimmobilien, Banker und Berater in Cannes an der Côte d'Azur zu einer großen Branchenmesse, der größten in Europa. Auf dem "Marché International des Professionnels de l"Immobilier" (Mipim) herrschte ein Jahrzehnt lang Optimismus.

Diesmal blicken die 28.000 nach Südfrankreich angereisten Immobilienexperten beunruhigt in die Zukunft. Und wenn man weiß, dass die Messe, die am Dienstag begann, der Seismograph der Branche ist, dann ist das ein Warnsignal, und zwar nicht nur für den Immobilienmarkt - auch manche Volkswirtschaft muss bangen.

Platzt etwa in Spanien die Immobilienblase, fegt ein rauer Wind durchs ganze Land. Eine der größten spanischen Immobilienfirmen, Colonial, stürzte bereits in die Krise und sucht nun nach frischem Geld. Colonial riss Firmen im Ausland mit sich: Am 11. März brach der Aktienkurs von Gecina ein, der führenden französischen Immobiliengesellschaft.

"Die Märkte können länger irrational bleiben als man selber liquide"

"Die Börse sagt uns: Hört auf, in Immobilien zu investieren", sagt Gijs Verweij, Chef der niederländischen Real-Estate-Firma Wereldhave. "Es gibt fast keine Geschäfte mehr. Alle Akteure warten ab. In sechs bis zwölf Monaten wird es zu ersten Zwangsverkäufen kommen, und wir werden den Beweis für Preisrückgänge haben." Solche Töne hatte man lange nicht mehr auf der Mipim gehört.

Der Niederländer ist jedoch nicht der Einzige, der eine Krise kommen sieht. Ray Torto drückt sich etwas undeutlicher aus, meint aber das Gleiche: "Das alles erinnert mich an einen berühmten Satz von John Maynard Keynes, der sagte: Die Märkte können länger irrational bleiben als man selber liquide."

Der Mann ist Ökonom von CB Richard Ellis, dem weltweit größten Berater für den Kauf und Verkauf von Gewerbeimmobilien. Ein Vertreter einer großen französischen Gesellschaft, der namentlich nicht genannt werden will, sagt: "Die Zeit des Bling-Bling ist vorbei." Bling-Bling, das waren die fetten Jahre.

Keine Frage, die Hausse ist vorbei, der Zenit überschritten. Die amerikanische Hypothekenkrise ist auf Europa übergeschwappt - Käufer und Verkäufer zögern, die Zinsen steigen, die Banken geizen mit Krediten, Geldleihen ist teuer geworden, Geschäftsabschlüsse werden seltener, weshalb der gesamte Markt schrumpft.

Wie immer bieten Krisen Investoren allerdings auch Chancen. Ein Staatsfonds aus Dubai will der angeschlagenen spanischen Firma Colonial helfen. Weltweit suchen Fonds mit viel Geld nach den raren Perlen, deren Wert auch in der Krise Bestand hat. Manche glauben, sie in China und Indien gefunden zu haben. Andere ziehen nicht ganz so weit und machen in Osteuropa oder der Türkei halt.

Neue Orte für Investments in Immobilien, aber auch neue Finanzierungsmöglichkeiten, das sind die Themen auf der Mipim. Die Branche ordnet sich neu, um eine Bruchlandung zu vermeiden.

Wenn der Holländer Verweij von Zwangsverkäufen spricht, denkt er vor allem an Finanzinvestoren. Sie waren weltweit in börsennotierte Immobilienfirmen eingestiegen und finanzierten ihre Investments großteils über Kredite. Das ging so lange gut, wie die Kurse stiegen.

Auch Frankfurt betroffen

Damit ist es jedoch seit einem Jahr vorbei. Banken schauen nun genauer hin, Anschlussfinanzierungen sind nicht mehr sicher. Viele Private-Equity-Fonds müssen daher ihre Immobilien auf dem Markt abstoßen.

Dadurch könnten die Preise für Bürogebäude in Westeuropa um fast ein Fünftel sinken, schätzen Experten. Staatsfonds nicht nur aus Arabien dürfen auf weitere Schnäppchen hoffen. Die könnten sich auch für jene deutschen Fonds bieten, die über viel Eigenkapital verfügen. 80 Milliarden Euro, teilte der Branchenverband BVI mit, haben deutsche Privatanleger in offene Immobilienfonds investiert. Wie viel Geld davon in Immobilien im Ausland steckt, geht aus den Angaben nicht hervor, ein erklecklicher Teil wird es aber sein. Hier drohen jetzt Verluste.

Die deutsche Immobilienbranche wird sich der Krise ebenfalls nicht entziehen können. Es gibt keinen Grund, warum Investoren bereit sein sollten, in München oder Frankfurt höhere Preise für Bürohäuser zu zahlen als in London oder Madrid.

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Quelle:
SZ vom 12. 3. 2008 /als
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