Gewerbe:An der Oberfläche

Gewerbeimmobilien werden oft innerhalb weniger Wochen verkauft. So mancher Käufer verzichtet auf eine umfassende Prüfung des Bauwerks - das kann sich rächen.

Von Bärbel Brockmann

Der deutsche Markt für Gewerbeimmobilien ist überhitzt. Ob es um Logistikimmobilien geht, um Bürogebäude, Hotels oder Einzelhandelsobjekte: Überall ist die Nachfrage höher als das Angebot. Für viele Investoren ist die Suche nach guten Gewerbeimmobilien inzwischen so etwas wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen geworden. Wer schließlich ein passendes Objekt gefunden hat, sieht sich mit einer großen Zahl von Konkurrenten konfrontiert. Dadurch gehen die Preise immer weiter nach oben.

Das knappe Angebot hat aber noch einen anderen Effekt: Die Risikobereitschaft der Käufer nimmt zu. Transaktionen gehen heute manchmal schon innerhalb von Wochen über die Bühne. "Der Kauf eines großen Gewerbeimmobilien-Portfolios in Mischnutzung in Berlin-Mitte im Volumen von einer halben Milliarde Euro ist zuletzt in zwei Wochen abgewickelt worden", sagt Markus Ruf, Vertriebsleiter vom TÜV Rheinland.

Innerhalb einer solch kurzen Frist bleibt nicht viel Zeit, das Kaufobjekt eingehend zu prüfen. Größere, vor allem versteckte Mängel können unentdeckt bleiben, denn die sogenannte Technische Due Diligence (TDD), also die Prüfung des Zustands aus technischer Sicht, wird nicht mehr so wichtig genommen. Statt um eine eingehende Prüfung geht es zunehmend nur um eine schnelle Einschätzung.

Fassadenkletterer

Glänzende Fassaden können täuschen. Wer beim Kauf oder Verkauf von Immobilien das Gebäude nicht sorgfältig prüft, geht Risiken ein. Wichtig ist beispielsweise eine Stärken-Schwächen-Analyse und eine zuverlässige Bewertung des Objekts.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Wenn es darum geht, ein Unternehmen zu kaufen, ist ein Einblick in die Bücher des Objekts der Begierde seit Langem Standard. Ohne diese Machbarkeitsprüfung oder Due Diligence, die die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Zielunternehmens ebenso betrachtet wie rechtliche Fragen, wäre eine Übernahme mit hohen Risiken verbunden, denn man kaufte ja praktisch blind. Das ist auch ein Grund, warum feindliche Übernahmen, bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass vorher keine Informationen an den Käufer gegeben werden, oft scheitern. In der Immobilienwirtschaft kommt über die Beschäftigung mit den Zahlen hinaus noch die Technische Due Diligence hinzu. Dabei wird untersucht, wie gut die bauliche Substanz ist, welcher Sanierungsaufwand wann nötig sein wird, um den Wert der Immobilie zu erhalten, welche Betriebskosten anfallen und ob sie vielleicht verringert werden können. Auch wird untersucht, unter welchen Bedingungen und mit welchen Mitteln man die Nutzung einer Immobilie verändern kann, also beispielsweise ob man ein Geschäft auch als Büro nutzen könnte.

In dem überhitzten Markt für Gewerbeimmobilien bleibt den Käufern hierfür oft keine Zeit, wenn sie nicht wollen, dass ein Konkurrent ihnen das Kaufobjekt vor der Nase wegschnappt. Zunehmend gibt man daher "Red Flag Due Diligences" in Auftrag. Dabei wird gerade einmal das Nötigste untersucht, beispielsweise, ob es gravierende Mängel am Dach gibt oder die Kabinen im Aufzugsschacht fehlen. Nicht geprüft wird, ob etwa die Brandschutzvorschriften noch richtig angewendet werden.

Unter Druck

Der deutsche Markt für Gewerbeimmobilien boomt. Das hat Gründe. Deutschland gilt in diesen Krisenzeiten vielen - und zunehmend auch internationalen Investoren - als ein sicherer Hafen für ihre Anlagen. Gleichzeitig ist die Volkswirtschaft ein Zugpferd in der Europäischen Union. Auch der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU dürfte Experten zufolge die Attraktivität Deutschlands im Immobilienbereich vergrößern. Das knappe Angebot führt dazu, dass die Transaktionsvolumina weiter zurückgehen. Das Immobilien-Beratungsunternehmen JLL hat errechnet, dass im ersten Halbjahr 2016 gewerblich genutzte Immobilien im Wert von 18 Milliarden Euro den Eigentümer gewechselt haben, 25 Prozent weniger als im Vorjahreshalbjahr. Hauptgrund dafür ist der Mangel an Kaufgelegenheiten. "Es lassen sich auch zur Jahresmitte keine Anzeichen erkennen, dass eine rückläufige Nachfrage ursächlich hierfür gewesen ist", sagt Timo Tschammler aus der Geschäftsführung von JLL in Deutschland.

Bärbel Brockmann

"Heute sind diese Red Flags schon weitgehend Standard", sagt Ruf. Er nennt ein Beispiel aus dem eigenen Haus: Ein Kunde wollte kurzfristig eine Red Flag DD für ein Logistikobjekt im Wert von 6,5 Millionen Euro. Eine Woche nach der Kontaktaufnahme fand die Ortsbegehung statt, eine weitere Woche danach hatte der TÜV Rheinland einen Entwurfsbericht erstellt. Darin bezifferte er dem Kaufinteressenten die kurzfristig nötigen baulich-technischen Maßnahmen auf knapp 500 000 Euro, langfristig wurde das Doppelte kalkuliert. Ungeachtet dieser auf den ersten Blick festgestellten Mängel ging der Kauf kurz danach ohne eine umfangreiche Untersuchung über die Bühne.

Nicht immer ist aber die Jagd nach der "Nadel im Heuhaufen" auf dem Gewerbeimmobilienmarkt der Grund für eine oberflächliche technische Prüfung. Manchmal verzichtet ein Käufer auch auf eine umfassende TDD, weil der Verkäufer schon eine veranlasst hat. Das Ergebnis dieser Prüfung wird dann in der Preisvorstellung des Verkäufers berücksichtigt. Der Käufer lässt da meistens nur noch eine Red Flag DD machen. Auch hier spielt die Zeit eine wichtige Rolle. "Manchmal vergehen zwischen der ersten Kontaktaufnahme und der Unterschrift unter den Kaufvertrag nur sechs bis acht Wochen. Diese Eile geht von beiden Seiten aus. Der Verkäufer weiß nicht, wie lang der Nachfrageüberhang am Markt dauern wird. Und der Käufer will sich möglichst schnell gegen Mitbewerber durchsetzen", sagt Martin Hofmann, Leiter des Bereichs technische Dienstleistungen bei JLL.

Der Markt für TDD ist hart umkämpft. Noch ziehen Planungs- und Ingenieursbüros mehr als die Hälfte des Geschäfts an sich. Etwa 30 Prozent, schätzt Ruf, entfallen mittlerweile auf die technischen Abteilungen, die sich große institutionelle Investoren, wie etwa Versicherungen, selbst zugelegt haben. Den Rest teilen die Prüfdienstleister, wie der TÜV Rheinland, unter sich auf.

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