Gesundheitssystem:Rösler verschärft Druck auf Pharmakonzerne

Gesundheitsminister Rösler will die Arzneikosten drücken - und das möglichst schnell. Die Regierung spekuliert auf Milliarden-Einsparungen.

Keine Zeit verlieren: Die Pharmafirmen müssen noch im Laufe des Jahres mit Einschnitten rechnen. Bei einer Tagung mit den Unions-Gesundheitsexperten hat Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) deutlich gemacht, dass die kurzfristigen Maßnahmen im Arzneimittelbereich "so schnell wie möglich zur Anwendung kommen sollen", sagte ein Sprecher des Ministers.

Die Union hatte Rösler zuvor Unterstützung bei seinem Versuch zugesichert, die Arzneimittelpreise drastisch zu senken. "Die Vorschläge des Ministers sind eine gute Basis für die koalitionsinterne Beratung zur Arzneimittelpreisfindung. Wir müssen es langfristig schaffen, dass es kein einseitiges Preisdiktat der Pharmaindustrie gibt. Da sind die Vorschläge gut", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), am Rande der Klausurtagung.

Rösler will das Preisdiktat der Pharmaindustrie für neue Medikamente brechen, um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu stoppen. Helfen sollen dabei auch Zwangsrabatte und Preismoratorien. Davon erhofft er sich Einsparungen von bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr. Eine staatliche Preisfestsetzung bei der Zulassung neuer Arzneimittel lehnt Rösler aber ab.

Vorerst keine Zwangsrabatte

Nach Angaben von Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer kristallisiert sich ein Preismoratorium als wahrscheinlichste Maßnahme für 2010 heraus. Ein Zwangsrabatt für die Pharmafirmen sei dagegen für dieses Jahr eher unwahrscheinlich. Für kommendes Jahr werde über die weiteren Schritte noch beraten. Die Fachexperten der Union seien sich bei ihrer Klausur im westfälischen Gonau laut Singhammer "in Richtung und Ziel" mit Rösler einig gewesen.

Die angekündigte Kosten-Nutzen-Bewertung für innovative Arzneimittel müsse nun rasch eingesetzt werden, da dadurch erhebliche Einsparungen zu erwarten seien. Auch schon vor dem Beginn der geplanten verpflichtenden Preisverhandlungen zwischen Pharmafirmen und Kassen müsse es eine solche Bewertung geben, sagte der CSU-Politiker.

Auch Röslers Sprecher betonte, bei den Beratungen im westfälischen Gronau sei deutlich geworden: "Der Minister und die Unionsfraktion ziehen an einem Strang." Rösler will nun in Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen in Kürze Eckpunkte für die Reform des Arzneimarktes vorlegen. Diese sollen Grundlage für ein Gesetzesverfahren werden.

Spahn sagte: "Ich glaube, dass die Pharmaindustrie in Deutschland weiß, dass es nicht bleiben kann wie es ist. Sie haben ja ein wenig den Himmel auf Erden, weil sie freie Preisbildung haben, das gibt es nicht mehr in vielen Ländern auf der Welt."

Er fügte hinzu: "Die Pharmaindustrie weiß auch, dass sie einen finanziellen Beitrag leisten muss, damit die Krankenkasse stabilisiert werden kann. Ob sie jetzt über jeden Beitrag erfreut ist, weiß ich nicht, aber das ist auch nicht unser Job."

Versicherer warnen vor Macht der Pharmakonzerne

Versicherer warnen vor Macht der Pharmakonzerne

Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) warnte davor, dass bei Preisverhandlungen einzelne Kassen von der Pharmaindustrie gegeneinander ausgespielt werden. "Das ist ja die große Gefahr bei diesem Konzept", sagte DAK-Chef Herbert Rebscher im Sender MDR Info.

Deshalb müsse als erster Schritt der therapeutische Nutzen der Medikamente überprüft werden. "Das kann nur kollektiv geschehen." Ansonsten müsse sich jede Kasse erst einmal die "Kompetenz zur Nutzen-Bewertung" anschaffen, was eine sehr teure Angelegenheit würde.

Auch der Vorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Norbert Klusen, warnte davor, dass einzelne Kassen ihre Marktmacht ausnutzen und dass Pharmafirmen die Kassen gegeneinander ausspielen. "Die Versicherten dürfen nicht vom echten medizinischen Fortschritt abgeschnitten werden", sagte er.

Kassen loben Rösler

Wie Vertreter anderer Kassen bescheinigte Klusen zugleich Rösler, dass er "in die richtige Richtung" gehe. "Wichtig ist, dass es nachvollziehbare Kriterien und eine objektive Basis für Preisverhandlungen gibt."

Die AOK Baden-Württemberg, die die letzten Rabatt-Verträge federführend für alle Allgemeinen Ortskrankenkassen ausgehandelt hatte, kann sich bei patentgeschützten Medikamenten effektive Verhandlungen zwischen Kassen und Pharmaherstellern vorstellen. "Es darf nur nicht passieren, dass damit die Rabattverträge abgeschafft werden", sagte Landeschef Rolf Hoberg in Stuttgart.

Mit Preisnachlässen auf Generika, also auf Medikamente ohne Patentschutz, haben die Allgemeinen Ortskrankenkassen allein im vergangenen Jahr fast 400 Millionen Euro eingespart. Für 2010 erwartet der Kassenverbund über eine halbe Milliarde Euro Einsparungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: