Gesundheitsreform vor Gericht:Die Kassenfrage

Klagelied der privaten Krankenversicherer: Die Gesundheitsreform habe ihr Geschäftsmodell torpediert, jammern die Unternehmen. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Guido Bohsem

Der Termin hätte besser nicht liegen können. An diesem Mittwoch, nur etwa vier Monate vor der Bundestagswahl, will das Bundesverfassungsgericht über eines der wichtigsten Projekte der großen Koalition in Berlin urteilen: die Gesundheitsreform. Entweder drücken die Richter des ersten Senats dem Gesetzeswerk einen verfassungsrechtlichen Gütestempel auf, oder aber sie bringen die ohnehin als misslungen geltende Reform endgültig zum Scheitern. Geschieht Letzteres, wird das vor allem auf zwei Frauen zurückfallen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), die als wesentliche Befürworter der Reform gelten.

Krankenversicherungen, Krankenkassen, dpa

Die privaten Krankenkassen fühlen sich durch die Gesundheitsreform benachteiligt. Jetzt entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

(Foto: Foto: dpa)

Teureres Geschäftsmodell

Kern der Auseinandersetzung vor Gericht ist das künftige Verhältnis zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung, PKV und GKV. 29 Privatkassen waren vor Gericht gezogen, weil sie durch die Reform ihr Geschäft gefährdet sehen. Etwa 95 Prozent der 8,9 Millionen Privatpatienten gehören diesen Kassen an. Die Sorge der Versicherer ist, dass ihr Geschäftsmodell durch die Bestimmungen der Reform deutlich teuerer wird und gleichzeitig erheblich an Attraktivität verliert. Tatsächlich hat die Koalition genau dies beabsichtigt, vor allem die SPD, die in der Aufteilung zwischen PKV und GKV seit langem einen Konstruktionsfehler des deutschen Gesundheitssystems anprangert.

Nach den Bestimmungen der Reform gilt seit Anfang des Jahres eine allgemeine Versicherungspflicht. Jeder Mensch mit Wohnsitz in Deutschland muss krankenversichert sein. Die Privatversicherer sind deshalb gezwungen, alle Personen aufzunehmen, die in ihre Zuständigkeit fallen. Das sind zum Beispiel Selbständige, die sich die Beiträge nicht mehr leisten konnten und deshalb aus der Kasse ausgeschlossen wurden.

Beschwerde über Steuerzuschuss

Laut Reform können sie nun ohne Gesundheitsprüfung in einen Basistarif einsteigen, der den Leistungskatalog der GKV abdeckt und gleichzeitig nicht teurer sein darf als etwa 570 Euro im Monat. Zudem ist es den Privatversicherten durch die Reform erstmals möglich, die Kasse zu wechseln und dabei ihre bereits erworbenen Ansprüche mitzunehmen, die sie im Alter vor einem Beitragsanstieg schützen sollen. Die beiden Punkte, so argumentiert die PKV, treiben die Kosten in die Höhe und verursachen zudem einen ruinösen Wettbewerb unter den Kassen, weil diese nur noch jungen und gesunden Beitragszahlern nachjagen würden.

Zudem fühlt sich die PKV im Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen durch die Reform deutlich benachteiligt. So beschweren sich die Privatkassen über den geplanten Steuerzuschuss von 14 Milliarden Euro an die GKV. Dieser wird vom Bund gezahlt, um die kostenlose Mitversicherung der Kinder zu erstatten. Privatversicherte erhalten dagegen keinen Zuschuss und müssen für ihre Kinder Beiträge zahlen. Schließlich stört die PKV, dass durch die Reform der Wechsel in die Privatkasse deutlich schwerer wird.

Nach Einschätzung von Beobachtern dürften die Kassen vor Gericht nicht viele Chancen haben. Zu deutlich hatten die Richter in der Anhörung deren Argumentation hinterfragt. Zudem hatte das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber bei ähnlichen Entscheidungen mehrmals große Gestaltungsfreiheit eingeräumt, was die Organisation des Gesundheitswesens betrifft. Ministerin Schmidt, die persönlich vor Gericht erscheinen wollte, zeigte sich jedenfalls optimistisch: "Ich bin davon überzeugt, dass unsere Reform mit den Vorgaben des Grundgesetzes übereinstimmt", sagte sie.

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