Gesundheitsreform:"Die Berichte sind grotesk übertrieben"

Den privaten Krankenversicherern kommen mehrere Regelungen der schwarz-gelben Gesundheitsreform zugute. Doch sie wehren sich gegen den Eindruck, die alleinigen Profiteure zu sein.

Guido Bohsem

Die privaten Krankenversicherer (PKV) sehen sich nicht als die Gewinner der Gesundheitsreform. "Berichte über einen zusätzlichen Umsatz von einer Milliarde Euro sind grotesk übertrieben", sagte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach. Hinzu komme, dass die staatlichen Zuschüsse an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf 15,7 Milliarden Euro stiegen. "Rein rechnerisch heißt das, dass die PKV-Versicherten davon etwa 1,7 Milliarden Euro finanzieren. Das macht pro Kopf rund 200 Euro", sagte Leienbach.

Einige Unternehmen der PKV gelten als angeschlagen. Man sagt ihnen nach, aus dem Modell der Vollversicherung aussteigen und sich nur noch auf Zusatzverträge konzentrieren zu wollen. Die Versicherten spüren den Kostendruck seit längerem. Im Schnitt stiegen ihre Prämien 2010 um etwas mehr als sechs Prozent.

Wenn Union und FDP den gesetzlichen Kassen nun verbieten, Zusatzpolicen wie Auslandskrankenversicherungen oder das Recht auf ein Einzelbettzimmer anzubieten, entstehe dadurch kein zusätzlicher Umsatz von 250 Millionen Euro. Diese Zahl verlautete aus Kreisen der GKV. "So viele Zusatzversicherungen haben die gesetzlichen Krankenkassen gar nicht abgeschlossen", betonte Leienbach. Die Annahme sei mithin nicht plausibel, dass der GKV durch die Gesetzesänderung ein Schaden entstehe. "Bei den Zusatzversicherungen machen die Kassen eher Verluste, und selbst wenn es Gewinne gäbe, dürften die gar nicht in die Gesamtrechnung der Kasse einfließen", betonte Leienbach

Das Verbot, auf eigene Faust Zusatzversicherungen abzuschließen, ist eine von drei Regelungen der schwarz-gelben Gesundheitsreform, die der PKV nutzen werden. So soll die Wartefrist auf einen Wechsel zu einem privaten Anbieter wieder von drei auf ein Jahr verkürzt werden. Hier gehen die gesetzlichen Kassen davon aus, dass der GKV Mindereinnahmen von etwa 500 Millionen Euro entstünden. Das Gesundheitsministerium geht von etwa 200 Millionen Euro aus.

Schließlich kommen die privaten Assekuranzen künftig in den Genuss der Preisnachlässe, die derzeit nur gesetzliche Kassen für Medikamente erhalten. Diese Regelung dürfte für die Mitgliedsunternehmen der PKV nach Leienbachs Schätzungen ein Einsparvolumen von rund 250 Millionen Euro bringen. "Das nutzt unseren Versicherten, schadet aber der GKV nicht", betonte er. Es könne doch nicht angehen, dass ein Patient für ein und dasselbe Arzneimittel einen höheren Preis zahle, nur weil er privat versichert sei. Rechtliche Bedenken, die das Ministerium zunächst angeführt hatte, sieht Leienbach nicht. Durch die Pflicht zur Versicherung entstehe für die PKV auch die Pflicht, für ein langfristig bezahlbares Leistungsniveau zu sorgen.

Sein Verband habe bereits mit den Vertretern der Apotheker über die praktische Umsetzung des Vorhabens gesprochen. Der PKV-Versicherte zahle entsprechend dem Rabatt den reduzierten Preis für seine Arznei. Der Apotheker habe die Aufgabe, die Forderungen des Herstellers abzuwickeln und die Nachlässe zu verrechnen: "Dafür enthält er dann eine Vergütung."

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