Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik:Gutverdiener müssen bluten

Her mit dem Stufenmodell: Gesundheitsminister Rösler will den einheitlichen Beitragssatz für Krankenkassen abschaffen.

Guido Bohsem und Mike Szymanski

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will den einheitlichen Beitrag für die gesetzliche Krankenversicherung abschaffen. Nach Angaben aus Kreisen der schwarz-gelben Koalition soll es künftig bis zu sechs unterschiedliche Tarifstufen geben. Der Beitrag für Geringverdiener werde nach den Plänen bei fünf Prozent liegen. Als maximale Abgabe sollen 7,3 Prozent erhoben werden. Derzeit müssen Arbeitnehmer 7,9 Prozent ihres Bruttolohns bis zur Obergrenze von 3750 Euro zahlen.

Jedes Kassenmitglied muss zahlen

Hintergrund des Plans ist Röslers Vorhaben, eine Kopfpauschale im Gesundheitssystem einzuführen. Deren Höhe soll die jeweilige Kasse festlegen. Im Durchschnitt werde er aber nach den Berechnungen bei 30 Euro liegen. Egal ob Rentner, Hartz-IV-Empfänger Selbständige oder Arbeitnehmer - die Prämie muss jedes Kassenmitglied zahlen. Mit den gestaffelten Beiträgen soll vermieden werden, dass es für die einkommensschwachen Gruppen zu einer finanziellen Überforderung kommt.

Das System wird den Angaben zufolge bereits 2011 in Kraft treten. Die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen sollen zunächst nicht höher belastet werden. Allerdings sollen bei der Berechnung der Beiträge künftig nicht mehr nur das reine Arbeitseinkommen berücksichtigt werden, sondern zusätzlich auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Der Versicherte muss diese Einnahmen angeben, wenn er einen Antrag auf einen niedrigen Beitragssatz stellt.

Teurer wird es jedoch für die leistungsstärkeren Kassenmitglieder. Bei ihnen schlägt die Kombination aus dem Beitragssatz von 7,3 Prozent plus Kopfpauschale von 30 Euro stärker zu Buche als der derzeitige Beitragssatz. Auch auf die Unternehmen kommen höhere Kosten zu. Obwohl die Koalition angekündigt hatte, den Beitragssatz für die Betriebe stabil zu halten, ist nun ein Plus von 0,3 Prozentpunkten vorgesehen. Künftige Ausgabensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sollen über höhere Prämien abgefedert werden.

Skeptiker melden sich zu Wort

Rösler stellte sein Modell am Dienstag einer Runde der Parteichefs von CDU, CSU und FDP vor. Aus Kreisen der Liberalen verlautete, das Vorhaben sei auf Sympathie gestoßen. In der CSU und der Unionsfraktion hingegen wurden skeptische Stimmen laut. Wie es aus Parteikreisen in München hieß, sei die Parteispitze auch von Röslers überarbeitetem Konzept nicht überzeugt. Das von Rösler vorgelegte Modell verursache einen gewaltigen bürokratischen Aufwand, der den Bürgern kaum zu vermitteln sei. Zudem müssten die Versicherten der Kasse ihre Einkommensverhältnisse offenbaren. Weil dies nur auf freiwilliger Basis geschehe, müsse es über kurz oder lang aber Kontrollen geben, um einen Missbrauch auszuschließen.

Rösler will für seine Reform keine zusätzlichen Steuermittel fordern und trotzdem die Finanzlücke im Gesundheitsfonds schließen. Das für das kommende Jahr erwartete Defizit von zehn Milliarden Euro will er mit dem Anstieg der Beiträge für Unternehmen sowie mit den Einnahmen aus der Prämie stopfen. Zudem sind neben dem Sparpaket für die Pharmabranche weitere Einschnitte im Gesundheitsbereich zu erwarten. Die Union und der Spitzenverband der Krankenkassen hatten bereits eine Nullrunde für Ärzte und Kliniken gefordert.

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SZ vom 02.01.2011/mel
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