Süddeutsche Zeitung

Gesundheitskosten:Rösler klopft Pharma-Lobby auf die Finger

Vollmundig kündigt Gesundheitsminister Rösler an, das Preismonopol der Pharmaindustrie zu brechen - bis zum Jahresende sollen die Pläne gesetzlich festgeschrieben werden.

Die Ausgaben für das Gesundheitssystem werden immer höher - alleine bei den gesetzlichen Krankenkassen türmt sich in diesem Jahr ein Fehlbetrag in Milliardenhöhe auf. Etliche Kassen müssen daher schon Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern erheben.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) wagt sich nun an die Pfründe der Pharmaindustrie, denn auch die Ausgaben für Medikamente sind im vergangenen Jahr deutlich angestiegen - alleine die gesetzlichen Kassen gaben im Jahr 2009 knapp sechs Prozent mehr Geld aus als im Jahr 2008.

"Das mache ich jetzt"

Rösler setzt bei seinem Vorstoß auf "Zwangsrabatte und Preismoratorien" als kurzfristige Kostenbremsen.

Der Bild-Zeitung sagte der Minister, dass er zur Eindämmung der Gesundheitskosten die Pharmaunternehmen zu Preissenkungen zwingen wolle. "Ich habe immer gesagt, dass ich hart an die Pharmaindustrie und deren Preise herangehen werde. Das mache ich jetzt", sagte der FDP-Politiker. Seine Pläne werde er in Kürze den Koalitionsfraktionen vorstellen. "Dann geht es los. Spätestens bis Ende des Jahres soll das Gesetz kommen", sagte Rösler.

Um "dauerhaft Verbesserungen zu erzielen", müsse man an die Struktur des Arzneisystems herangehen, sagte Rösler. "In Deutschland sind viele Medikamente zu teuer. Deshalb werden wir die Pharmafirmen in Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen zwingen." Dies solle "so schnell wie möglich" passieren. "Bis es soweit ist, muss es kurzfristige Kostenbremsen geben. Das sind Zwangsrabatte und Preismoratorien", sagte der FDP-Politiker.

Wie viel Geld sich auf diese Weise einsparen lässt, kann Rösler noch nicht genau beziffern. "Das hängt von den Verhandlungsergebnissen ab. Die Einsparchancen liegen bei zwei Milliarden Euro." Zudem müssten Hersteller, bevor sie Präparate auf den Markt bringen, über eine Studie den Zusatznutzen für Patienten wissenschaftlich belegen, was genau geprüft würde.

Eine Liberalisierung des Apothekenmarktes, etwa durch eine Zulassung von großen Apotheken-Ketten, lehnt die FDP dabei jedoch ab. "Das Problem ist, dass momentan bei innovativen Arzneimitteln noch gar nicht verhandelt wird. Das will ich ändern. So breche ich das Preismonopol der Pharmaindustrie", sagte Rösler.

Kritik an Kopfpauschale

Die will davon jedoch gar nichts wissen. Mit Hilfe innovativer Medikamente ließen sich Behandlungskosten reduzieren, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Cornelia Yzer. Eine Studie im Auftrag des VFA ergab, dass durch den Einsatz solcher Medikamente in einem frühen Krankheitsstadium allein bei fünf relevanten Volkskrankheiten rund neun Milliarden Euro gespart werden könnten, weil Klinikaufenthalte, Arbeitsunfähigkeitstage und Komplikationen vermieden würden.

Dass der Gesundheitsminister damit tatsächlich Erfolg hat, daran zweifelt auch Ingo Kailuweit, der Vorstandschef der KKH-Allianz. Der Kassenchef warf Rösler einen Slalomkurs vor. Einerseits verspreche er den Bürgern, sie nicht mehr zu belasten, andererseits fordere er mehr Kostenerstattung.

Dies führe aber dazu, dass die Menschen mehr medizinische Leistungen aus der eigenen Tasche bezahlen müssten. "Ich kann noch nicht erkennen, was der Gesundheitsminister eigentlich will", sagte Kailuweit dem Stern.

Der CDU-Gesundheitsexperte und Bundestagsabgeordnete Jens Spahn warnte Rösler in dem Bericht davor, sich zu sehr auf die geplante Kopfpauschale zu fixieren. "Wir müssen aufpassen, dass die Umsetzung der Gesundheitsreform nicht das Hartz IV der Union wird", sagte Spahn.

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