Süddeutsche Zeitung

Gesundheit:Dicke Luft

Feuchtes Raumklima erhöht das Risiko, an Asthma zu erkranken. Wie eine aktuelle Studie aus England zeigt, besteht vor allem für Bewohner von gut isolierten Häusern ein höheres Risiko.

Von Felicitas Witte

Auf so eine Studie dürften manche Kritiker gewartet haben: Energiesparhäuser können das Risiko für Asthma erhöhen, wie Forscher vom Europäischen Zentrum für Umwelt und menschliche Gesundheit an der Universität Exeter kürzlich herausgefunden haben (Environmental International, Band 75, S. 234). Grund dafür ist die Raumluft. Auf Häuser in Deutschland lassen sich die Ergebnisse aber nur bedingt anwenden.

In der Studie der Universität Exeter haben Richard Sharpe und sein Team Daten von 777 Einwohnern und ihren Häusern in Cornwall analysiert. Wie energiesparend ein Haus war, maßen sie anhand der Standard Assessment Procedure (SAP), ein von der britischen Regierung empfohlenes System zur Einschätzung des Energieverbrauches. Damit werden die jährlichen Kosten für Heizen, Strom und Ventilation sowie die CO₂-Emissionen berechnet. Die SAP-Skala reicht von eins bis hundert, wobei hundert ein extrem energiesparendes Haus bedeutet. Je höher die SAP, desto häufiger waren
die Bewohner im Jahr zuvor wegen Asthma beim Arzt und desto öfter nahmen sie Asthmamedikamente.

Richtig lüften

Nach dem Kochen oder Duschen sollte man kräftig stoßlüften. Die Türen zu unbeheizten oder deutlichen kälteren Räumen sollten geschlossen sein, sonst dringt wärmere und damit feuchtere Luft in die kühleren Räume ein, wo die Feuchtigkeit kondensiert.

Wer tagsüber zu Hause ist, sollte regelmäßig lüften, am besten mit Durchzug quer durch die Wohnung. Bei Minustemperaturen reichen in der Regel fünf Minuten. Fenster in Kippstellung sind eher nicht ratsam, da der Luftaustausch nur gering ist und der Bereich um die Fenster so stark auskühlen kann, dass dort Feuchtigkeit kondensiert. Räume, die nur am Wochenende oder am Abend genutzt werden, müssen nach dem Aufheizen stärker gelüftet werden, weil die Oberflächen noch kalt sind.

Kostenlose Broschüren im PDF-Format gibt es beim Umweltbundesamt (www.umweltbundesamt.org) "Hilfe! Schimmel im Haus" oder beim Bauministerium (www.bmvbw.de) "Gesund Wohnen durch richtiges Lüften und Heizen". Felicitas Witte

Ein Problem sind vor allem modernisierte Häuser. "Die Leute isolieren wie wild und bauen absolut undurchlässige Fensterdichtungen ein, aber sie ändern ihre Lüftungsgewohnheiten nicht", sagt Dennis Nowak, Chef­Umweltmediziner am Klinikum der Ludwig­Maximilians­Universität in München. "Sie vergessen, dass der Mensch durch Atmung, Schwitzen, Kochen und Duschen gut zwei Liter Flüssigkeit pro Tag an die Raumluft abgibt. Bei einer vierköpfigen Familie entspricht das locker einem großen Eimer Wasser." Würden dann die Bewohner nicht lüften, sagt Nowak, steige die Luftfeuchtigkeit an, was das Wachstum von Schimmelpilzen und Milben begünstige. "Denn die lieben es feucht und warm."

Doch das Raumklima erklärt die Anfälligkeit für Asthma nur zum Teil. "Asthma entsteht durch ein kompliziertes Wechselspiel vieler Faktoren, Schimmelpilze und Hausstaubmilben sind nur zwei mögliche", sagt Ioana Agache, Expertin für Asthma bei der Europäischen Akademie für Allergie und klinische Immunologie (EAACI). Die Vererbung beeinflusst, wie empfindlich die Atemwege auf Reize aus der Umwelt reagieren. Ob Asthma ausbricht, hängt vermutlich von diesen Reizen ab. "Am besten nachgewiesen ist, dass Zigarettenrauch Asthma begünstigt", sagt Agache, "und zwar aktives und passives Rauchen." Auch Allergien auslösende Stoffe wie Pollen, Tierhaare, Chemikalien oder Medikamente sind häufig für Asthma mitverantwortlich. "Es ist problematisch, sich - wie es in dieser Studie gemacht worden ist - nur auf einen oder zwei Risikofaktoren zu fixieren. Man muss immer die komplexe Entstehungsgeschichte berücksichtigen", sagt Agache. Die Studie habe außerdem die Schwäche, dass die Forscher zu wenig konkrete Fragen gestellt hätten, sagt Armin Schuster, Biologe am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene an der Uniklinik in Freiburg. "So konnten sie nur eine Assoziation feststellen, über einen ursächlichen Zusammenhang sagt das noch nichts aus." Dafür hätten sie fragen müssen, ob nach Einzug in ein Energiesparhaus oder nach einem Umbau mehr Menschen erkrankt seien oder ob sich bei bereits an Asthma Erkrankten in solchen Gebäuden die Krankheit verschlimmert habe. Andere Daten deuten allerdings auf einen kausalen Zusammenhang zwischen Raumluft und Asthma: Wissenschaftler aus den USA und aus Thailand bestätigten gerade mit einer umfangreichen Analyse
von 69 Studien, dass Feuchtigkeit Asthma verschlimmert, vermutlich bedingt durch Milben und Schimmelpilze (Environmental Health Perspectives 2015, Band 123, S. 6). "Man kann das Asthma­Risiko ganz einfach senken", sagt Schuster, "indem man mehrmals täglich stoßlüftet, die Wohnung gleichmäßig heizt und keine Luftbefeuchter benutzt." Gegen Milben hilft auch, wenn man regelmäßig putzt.

In Deutschland hat der Gesetzgeber schon vor einigen Jahren das Problem schlechter Raumluft erkannt. In der Energieeinsparverordnung (EnEV) ist festgehalten, dass für Neubauten und umfassend sanierte Häuser ein Lüftungskonzept erstellt werden muss. Es müsse ein "Mindestluftwechsel" gewährleistet sein. Automatische Lüftungssysteme schaffen eine gute Raumluft und verbessern auch die Energiebilanz, weil sie Wärme zurückgewinnen. Neubauten solle man aber nicht beziehen, bevor Beton, Zement und Estrich richtig ausgetrocknet seien, rät Schuster. Sensibel für das Thema Raumluft sollten vor allem Bewohner sanierter Häuser sein. "Wenn ein zugiger Altbau isoliert wird und man sich verhält wie zuvor", sagt Umweltmediziner Nowak, "dann treten Probleme auf - so sicher wie das Amen in der Kirche."

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Quelle:
SZ vom 10.04.2015
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