Süddeutsche Zeitung

Gesetzesänderung:Was Verbraucher bei ihrer Lebensversicherung beachten müssen

Die Regierung will die Beteiligung von Lebensversicherungskunden an den Bewertungsreserven ändern. Doch was heißt das für die Sparer? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Patrick Hagen

Die Bundesregierung will den Lebensversicherern helfen und plant eine Gesetzesänderung. Wichtigster Bestandteil: Kunden, deren Verträge auslaufen oder die ihre Police kündigen, sollen nicht mehr an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Was aber bedeutet das, wie sollen Verbraucher reagieren?

Was sind Bewertungsreserven überhaupt?

Bewertungsreserven entstehen, wenn Wertpapiere im Bestand eines Versicherers mehr wert sind als ihr Anschaffungs- oder Buchwert. Solange das Wertpapier nicht verkauft wird, bestehen sie nur auf dem Papier. Geändert werden soll der Umgang mit Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere wie Anleihen, die den Großteil der Kapitalanlagen von Versicherern ausmachen. Der Grund: Die starken Zinsänderungen der letzten Jahre haben zu gigantischen Bewertungsreserven geführt, die allerdings bei Auslaufen der Anleihen wieder verschwinden. Bei anderen Anlagen wie Aktien ändert sich nichts.

Was ist das Problem mit den Bewertungsreserven?

Seit 2008 müssen die Versicherer ausscheidende Kunden zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligen. Allein im vergangenen Jahr machte das rund drei Milliarden Euro aus. Die Versicherer argumentieren, das sei ungerecht gegenüber den verbleibenden Versicherten. Denn die Gesellschaften müssten gut verzinste Papiere verkaufen, um die Bewertungsreserven auszuzahlen. "Die Ertragskraft der Kapitalanlagen wird mit jeder Ausschüttung von Bewertungsreserven schlechter, darunter leidet die Überschussbeteiligung der Versicherten", sagt Peter Schwark vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband findet die jetzige Regelung eigentlich gerecht: "Es gibt einen Interessenausgleich zwischen Kunden, die aus dem Kollektiv aussteigen, und denen, die neu dazu kommen oder bleiben", sagt er. Die Kunden, die im Kollektiv bleiben, profitieren von den guten Kapitalanlagen, die mit den Geldern der ausscheidenden Versicherten gekauft wurden, so der Verbraucherschützer.

Wer ist von der geplanten Änderung überhaupt betroffen?

Die Neuregelung betrifft Kunden mit einer klassischen kapitalbildenden Lebens- oder Rentenversicherung. Betroffen sind vor allem Versicherte, deren Verträge in absehbarer Zeit auslaufen, oder die demnächst aus den Verträgen aussteigen wollen. Denn zurzeit sind die Bewertungsreserven der Versicherer aufgrund der niedrigen Zinsen besonders hoch. Das kann sich in Zukunft aber wieder ändern, wenn die Zinsen steigen.

Wer profitiert von einer Neuregelung?

Mit der Gesetzesänderung würden Kunden etwas besser gestellt, die einen noch länger laufenden Vertrag haben und ihn bis zum Ende durchhalten. Sie profitieren davon, dass ausscheidende Versicherte nicht mehr an den Bewertungsreserven beteiligt werden. "Die Kapitalanlagen der Gesellschaft werden nicht mehr durch die Veräußerung von zinsstarken Papieren belastet", sagt GDV-Vertreter Schwark. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die Versicherungswirtschaft zieht zwar vor allem die Gerechtigkeitskarte, die Gesellschaften haben aber auch aus anderen Gründen ein Interesse an einer Neuregelung. Viele Lebensversicherer stecken in großen Schwierigkeiten, weil sie Kunden in der Vergangenheit hohe Zinsgarantien bis zu vier Prozent gegeben haben. Angesichts der niedrigen Zinsen fällt es ihnen nun schwer, diese Versprechen zu erfüllen. Die Ausschüttung der Bewertungsreserven belastet schwachbrüstige Versicherer zusätzlich.

Sollen man jetzt Verträge kündigen?

Das ist nicht pauschal zu beantworten. In bestimmten Fällen kann sich eine Kündigung lohnen. Grundsätzlich hat sie Nachteile: Dem Versicherten entgehen die Schlussüberschüsse, die Versicherer nur an Anleger ausschütten, deren Vertrag bis zum Ende läuft. "Der Kunde muss abwägen", sagt Verbraucherschützer Gatschke. Er empfiehlt, sich vom Versicherer sagen zu lassen, wie viel Geld bei einer Kündigung fließt und wie hoch die Bewertungsreserven sind. Die Entscheidung ist aber immer mit Unsicherheit verbunden, denn die Anleger können nicht sicher wissen, wie viel bei der Police herausspringen wird, wenn sie den Vertrag bis zum Ende erfüllen. "Der Versicherer kann nur sagen, wie der aktuelle Stand ist - nicht aber den exakten Stand zum Vertragsende", sagt Versicherungslobbyist Schwark.

Viel kann davon abhängen, wann die Änderungen in Kraft treten. Zurzeit ist im Gespräch, dass der Tag der Verabschiedung des Gesetzes im Kabinett der Stichtag für die Neuregelung sein soll. "Wenn diese Entscheidung noch im März fällt, würde das bedeuten, dass Kunden jetzt schon nicht mehr unter den alten Bedingungen kündigen können", sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Denn: Lebensversicherungen können in der Regel frühestens zum Monatsende gekündigt werden.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2014/sks
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