Gesetzentwurf:Milliarden-Jackpot für Lebensversicherer

Rentner am Strand, 2002

Rentner am mallorcinischen Strand: Die Auszahlungen von Lebensversicherern sinken dieses Jahr deutlich.

(Foto: DPA)

Ein neues Gesetz soll dafür sorgen, dass Lebensversicherer weniger Geld an ihre Kunden auszahlen müssen. Verbraucherschützer und Grüne protestieren - sie glauben, dass es den Konzernen besser geht, als sie vorgeben.

Von Andreas Jalsovec

Es geht um fast 40 Milliarden Euro - eine gewaltige Summe. Diesen Betrag würden sich die deutschen Lebensversicherer sparen, wenn ein Gesetz in Kraft tritt, das am kommenden Dienstag im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beraten wird. Die Zahl stammt aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach müssten die Lebensversicherer ihren Kunden bis 2025 gut 37 Milliarden Euro aus den stillen Reserven auszahlen. Geht das Gesetz im Vermittlungsausschuss durch, können die Versicherer das Geld behalten - ein Milliarden-Jackpot.

Bislang müssen die Lebensversicherer ihre Kunden zur Hälfte an den stillen Reserven für festverzinsliche Wertpapiere beteiligen. Das soll sich mit dem Gesetz ändern. Hintergrund ist die anhaltende Niedrigzinsphase: Sie macht es den Unternehmen zunehmend schwer, den Kunden die garantierten Zinsen auf ihre Policen zu zahlen. Die Lebensversicherer, so heißt es in dem Schreiben der Bundesregierung, seien "erheblichen Belastungen ausgesetzt". Dabei könnte die Branche insgesamt eine Niedrigzinsphase bis ins Jahr 2020 durchaus überstehen - wenn auch nicht auszuschließen sei, dass "einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten geraten können".

Den Grünen im Bundestag reicht diese Begründung für den vorliegenden Gesetzentwurf nicht aus. "Mit einer solch schwachen Argumentationsbasis kann man nicht Versicherten mehrere Tausend Euro wegnehmen", sagt ihr finanzpolitischer Sprecher Gerhard Schick. Die Einbehaltung der stillen Reserven kann Versicherte zum Teil mehrere Tausend Euro kosten. Das gilt insbesondere für jene Kunden, deren Police in absehbarer Zeit ausläuft. Ihnen gehen - je nach Versicherungssumme - 10.000 Euro und mehr verloren.

Wie schlecht es den Firmen wirklich geht, ist ohnehin umstritten. So hat das Verbrauchermagazin Öko-Test jetzt die Bilanzen von 70 Versicherern untersucht. Ergebnis: Sie erwirtschaften mit ihren Kapitalanlagen im Schnitt noch immer eine Nettoverzinsung von knapp vier Prozent. Die Garantiezinsen von durchschnittlich 3,3 Prozent ließen sich damit "locker finanzieren", schreibt das Blatt. Auch Grünen-Finanzexperte Schick glaubt: "Viele Unternehmen haben überhaupt kein Problem, die Zahlungen an ihre Versicherten zu leisten." Die Einbehaltung der stillen Reserven sei daher auch nur dort nötig, wo sich Probleme abzeichnen. "Das kann man aber heute schon machen. Eine Gesetzesänderung braucht es nicht."

Laufende Verzinsung von Lebenspolicen sinkt

Das Vorhaben der Bundesregierung stößt deshalb nicht nur bei politischen Gegnern auf Widerstand. Auch der Bund der Versicherten (BdV) läuft seit Wochen dagegen Sturm. Die 37 Milliarden Euro für sich zu behalten, die an die Kunden auszuschütten sind, sei "eine Frechheit" der Versicherer, so der BdV-Vorsitzende Axel Kleinlein am Freitag. Die Kunden zahlten bereits für die schwierige Lage der Versicherer mit einer niedrigen Überschussbeteiligung.

Tatsächlich sorgen die anhaltenden Niedrigzinsen auch in diesem Jahr wieder dafür, dass die Auszahlungen der Versicherer an die Kunden deutlich sinken. Das macht der neueste Bericht des Branchendienstes Map-Report deutlich. Wer demnach in diesem Jahr eine Lebensversicherung abschließt, bekommt nach 30 Jahren im Schnitt gut 62.000 Euro ausbezahlt. Bei einem Abschluss im Jahr 2012 betrug die Ablaufleistung noch gut 2500 Euro mehr. Auch bei klassischen Rentenversicherungen erhalten Kunden, die 2013 damit beginnen, in eine Police einzuzahlen, weniger als noch im Jahr zuvor. Ein 43-Jähriger, der 20 Jahre lang 100 Euro im Monat spart, bekommt bei Renteneintritt im Jahr 2033 gut 145 Euro Rente. Wer die Versicherung ein Jahr zuvor abgeschlossen hatte, erhält 160 Euro.

Schuld an dem Rückgang ist die sinkende laufende Verzinsung der Lebenspolicen. Sie liegt bei den Kapitallebensversicherungen laut Map-Report im Schnitt nur noch bei 3,66 Prozent. Vor einem Jahr verzinsten die Versicherer die Guthaben ihrer Kunden noch mit fast vier Prozent. Über die Jahre gesehen drückt das die Ablaufleistung der Kapitallebensversicherung ebenso wie die monatlichen Zahlungen in der Rentenversicherung. Das gilt nicht nur für neue, sondern auch für bestehende Kunden. Sie müssen ebenfalls zum Teil mit deutlich weniger Geld rechnen, als sie ursprünglich eingeplant hatten.

Trotz der Rückgänge bei den Auszahlungen jedoch tun sich die Versicherer wegen der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt von Jahr zu Jahr schwerer, eine ausreichende Rendite zu erwirtschaften, um den Kunden die versprochenen Zinsen zu bezahlen. "Die Ertragskraft der Kapitalanlagen geht sukzessive zurück", heißt es dazu in dem Schreiben der Bundesregierung. Seit 2011 müssen die Versicherer daher eine Reserve aufbauen, aus der sie ihre Garantieversprechen an die Kunden langfristig finanzieren sollen. Im vergangenen Jahr lagen diese Rückstellungen bei fünf Milliarden Euro, zeigt eine Studie der Rating-Agentur Assekurata. Ein Jahr zuvor waren es 1,5 Milliarden - ein Zeichen für die zunehmend schwierige Ertragssituation der Branche.

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