Geschickte Bankenwerbung:Vorsicht, Steuerfalle

Der Werbetrick: Die Geldinstitute und Fondsfirmen nutzen die neue Abgeltungsteuer als Verkaufsargument. Wie Kunden den Tricks der Anbieter entlarven und entkommen.

Thomas Öchsner

Ein junger Mann bestellt eine Bratwurst in einer Imbissbude. Der Budenbesitzer nimmt die Wurst vom Grill, legt sie in ein Brötchen und drückt aus einer großen Plastiktube Senf darauf. Der hungrige Kunde freut sich schon, doch dann beißt der Verkäufer selbst ein kräftiges Stück ab und gibt den Rest dem verdutzten Kunden. Die Kamera schwenkt nach unten, richtet sich auf ein Schild an der Bude. Darauf der Hinweis: "Achtung! 25 Prozent Abgeltungsteuer."

Geschickte Bankenwerbung: Nachrechnen ist sinnvoll: Denn nicht alle zur neuen Abgeltungsteuer beworbenen Fonds sind im Endeffekt wirklich günstiger.

Nachrechnen ist sinnvoll: Denn nicht alle zur neuen Abgeltungsteuer beworbenen Fonds sind im Endeffekt wirklich günstiger.

(Foto: Foto: ddp)

"Marketinginstrument par excellence"

Den Werbefilm der Versicherung Legal & General können sich Anleger im Internet anschauen. So wie die britische Gesellschaft nutzen derzeit viele Banken, Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter und Finanzvertriebe die neue Pauschalsteuer auf Kapitalerträge, um alte und neue Kunden dazu zu bringen, noch vor 2009 Geld zu investieren. "Die Abgeltungsteuer ist in diesem Jahr für die Finanzbranche das Marketinginstrument par excellence", sagt Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen.

Die Steilvorlage für die Werbekampagnen hat die Regierung geliefert: Von 2009 an kassiert der Fiskus von Zinsen, Dividenden und Kursgewinnen bei Wertpapieren einen Abschlag von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Für Anleger, die Aktien oder Investmentfonds aber noch vor 1.Januar 2009 kaufen, gilt Bestandsschutz. "Es ist deshalb naheliegend, noch vorher in Wertpapiere zu investieren, die lange liegenbleiben können", sagt Andreas Beck, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau in München.

Dennoch sieht der Finanzexperte den Werberummel kritisch: "Wenn die Deutschen aus steuerlichen Gründen Anlagen kaufen, geht das fast immer schief." Beck denkt dabei an die Bauherrenmodelle in den achtziger Jahren und die Ostimmobilien in den neunziger Jahren.

Die Finanzbranche dagegen hofft auf das große Schlussverkaufsgeschäft. Experten rechnen damit, dass Anleger in Deutschland bis Jahresende ein Vermögen von etwa 200 Milliarden Euro umschichten. Es geht also um Provisionen und Gebühren von mehreren Milliarden Euro, die in den nächsten Monaten zu verdienen sind - plus Folgegeschäfte in den kommenden Jahren.

Keine Panik

Mehr oder weniger subtil werden die Kunden deshalb unter Druck gesetzt. "Der Countdown läuft", heißt es etwa auf der Homepage bei der Fondsgesellschaft Franklin Templeton. Dazu zählt eine Digitaluhr die Tage bis zum Start der Abgeltungsteuer.

Verbraucherschützer Gottschalk rät, sich davon nicht beirren zu lassen. "In der Werbung wird der Eindruck erweckt, die Abgeltungsteuer sei auf jeden Fall bedrohlich und nachteilig. Diese alarmistischen Verallgemeinerungen sind aber gar nicht richtig", sagt der Experte. Dies gilt zumindest für Sparer, die ihr Geld in sichere Staatsanleihen und/oder als Fest- oder Tagesgeld bunkern sowie einen persönlichen Steuersatz von mehr als 25 Prozent haben. Gottschalk: "Diese Anleger profitieren sogar von der Abgeltungsteuer, weil sie künftig weniger an den Fiskus abgeben müssen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Dachfonds doch nicht die überall gepriesene Wunderwaffe sind.

Vorsicht, Steuerfalle

Er rät deshalb, Angebote von Beratern kritisch zu prüfen und nicht blind irgendein Anlageprodukt zu kaufen, nur weil darauf "abgeltungsteuerfrei" steht. Genauso sieht es Peter Binz, Honorarberater in Starnberg: "Was bei Banken, Versicherungen und vielen Vermittlern im Privatkundengeschäft stattfindet, hat mit Beratung oft nichts zu tun. Es geht hier um den Produktverkauf."

Vorsicht vor der Wunderwaffe

Vor allem Dachfonds, also Fonds, die wiederum in andere Fonds investieren, bieten Banken und Fondsfirmen verstärkt als neue Wunderwaffe gegen die Abgeltungsteuer an. Ihr Verkaufsargument: Ein Fondsanleger, der von 2009 an Fonds regelmäßig kauft und verkauft, muss den Gewinn jedes Mal mit 25 Prozent versteuern. Der Manager eines Dachfonds kann dagegen umschichten, ohne dass Steuer anfällt, etwa weil er mit einem Fonds nicht mehr zufrieden ist. Das sei richtig, aber keine Gewähr für einen Anlageerfolg, sagt Fachmann Beck. Er hält die Gebühren der meisten Dachfonds außerdem für viel zu hoch.

Nach Angaben des Branchenverbandes BVI gab es Ende Juli 2008 exakt 684 Dachfonds, vor einem Jahr waren es noch 538. Allein im ersten Halbjahr 2008 flossen 6,7 Milliarden Euro in Dachfonds, auf der Absatzliste der Publikumsfonds stehen sie damit auf Platz eins. Gerade die neuen Dachfonds seien für private Investoren aber riskant, warnt Beck. Denn nicht jeder neue Dachfonds werde genug Anleger finden, um für die Fondsgesellschaft rentabel zu sein. "Für den Kunden besteht deshalb ein erhöhtes Schließungsrisiko."

Beck hat den Eindruck, dass die Fondsanbieter nun gezielt auch andere Fonds auf den Markt bringen oder in der Werbung in den Vordergrund rücken, die wegen der hohen Gebühren für sie selbst attraktiv sind, für den Kunden aber womöglich nicht. Beispiel: der Allianz Opti Invest Global.

Bei dem am 1.Juli 2008 aufgelegten Fonds kann die Verwaltungsvergütung in Zukunft bis zu zwei Prozent pro Jahr betragen. Hinzu kommen - neben dem Ausgabeaufschlag von maximal fünf Prozent - eine Depotbankgebühr, eine Erfolgsbeteiligung und wie üblich die Transaktionsgebühren innerhalb des Fonds. Der Fonds ist damit überdurchschnittlich teuer, aber die Allianz-Werbung sagt: "Sauschlaue Strategie: Jetzt starten, statt weiter abzuwarten."

Abwanderung mit Steuernachteilen verbunden

Dass die Finanzbranche nun versucht, Gebührenschleudern unters Volk zu bringen, lässt sich laut Beck mit der Spieltheorie begründen: Beide, die Bank wie der Anleger, wollen bei geringem Risiko viel verdienen. Für den Anleger besteht der Gewinn in einer hohen Rendite nach Abzug der Kosten; sein Risiko liegt darin, Geld zu verlieren. Die Bank dagegen holt sich ihre Gewinne über Gebühren und Provisionen; ihr Risiko ist es, Gebühren künftig zu verlieren, weil unzufriedene Kunden abwandern. Da aber von 2009 an für die Kunden die Abwanderung mit Steuernachteilen verbunden ist, können die Banken ihre Gebühren hochfahren - denn ihr Risiko, Kunden zu verlieren, sinkt.

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