Gemeinschaftswährung: Pro:Der Euro muss gefestigt werden

Die Politik will den Euro schützen, "koste es, was es wolle". Aber lohnt sich die Verteidigung einer Währung? Etliche wünschen sich inzwischen die D-Mark zurück. Dabei gilt: Das gemeinsame Europa braucht eine gemeinsame Währung.

Thomas Mayer

Die Politik will den Euro verteidigen, "koste es, was es wolle". Aber lohnt sich denn die Verteidigung einer Währung, der viele Menschen skeptisch gegenüber stehen? Leider bleibt die Politik darauf die Antwort schuldig. Es schwächt aber die Position der Verteidiger einer Sache, wenn sie nicht klar machen, warum ihnen so viel an ihr liegt. Dabei gibt es gute Gründe dafür, warum wir den Euro haben, und warum wir ihn behalten sollten.

Euromünzen

Der Euro kann nicht nur wirtschaftlich, sondern muss auch politisch begründet werden - sagt der Chefökonom der Deutschen Bank, Thomas Mayer.

(Foto: iStockphoto.com)

Warum wir den Euro haben: Man stelle sich vor, jedes deutsche Bundesland hätte seine eigene Währung, und der Wechselkurs des baden-württembergischen Trollingers würde gegen die bayerische Maß frei schwanken. Jeder Stuttgarter, der mal kurz nach München reist, müsste sich auf dem Devisenmarkt mit Maß eindecken und dabei Gebühren und Verluste beim Rücktausch der nach der Reise übrigen Maß in Kauf nehmen.

Jeder bayerische Lieferant von Produkten nach Baden-Württemberg müsste ein Wechselkursrisiko einkalkulieren oder sich dagegen auf dem Devisenterminmarkt absichern. Alles machbar, aber sehr lästig und teuer. Also würden die Baden-Württembergische und Bayerische Landeszentralbanken wohl bald hergehen, und den Wechselkurs des Trolligers und der Maß stabilisieren. Wenn sie den Wechselkurs erfolgreich stabilisiert haben und einander einigermaßen vertrauen, könnten die Bayern und die Baden-Württemberger sogar so weit gehen, den Austausch durch eine gemeinsame Währung noch weiter zu fördern.

Was hat diese simple Geschichte mit dem Euro zu tun? Nun, in unserer eng vernetzten Welt sind uns die Länder Europas im persönlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Austausch so nah gerückt, wie es uns die deutschen Bundesländer in der Vergangenheit waren. Eine gemeinsame Währung verringert die Kosten dieses Austauschs und macht ihn so effizienter. Natürlich wird man über eine bloße Verkettung des Wechselkurses nur dann hinausgehen und eine gemeinsame Währung einführen, wenn man einander politisch vertraut.

Deshalb kann der Euro nicht nur wirtschaftlich, sondern muss auch politisch begründet werden. In einer europäischen Union, in der die Länder wirtschaftlich und finanziell aufs engste verflochten sind und die insbesondere den Anspruch erhebt, ein gemeinsames politisches Dach für ihre Mitglieder zu bieten, ist eine gemeinsame Währung daher nur folgerichtig. Traut man den Nachbarn politisch nicht so recht, dann behält man seine eigene Währung und lässt es bei der Wechselkursstabilisierung bewenden, so wie die Dänen.

Glaubt man zudem, man sei doch eher ein "global player" als nur ein Spieler in der europäischen Liga, so bewahrt man sich zudem noch die Flexibilität des Wechselkurses, wie die Briten (und nimmt in Kauf, dass einem gelegentlich Bocksprünge der Währung das Leben schwer machen). Verstößt man gegen die Regeln des Klubs, so muss man jede mögliche Anstrengung unternehmen, um seine Verpflichtungen wieder zu erfüllen, so wie jetzt Griechenland. Solange man dies wirklich ernst meint, steht es den anderen Klubmitgliedern schlecht an, einen fallen zu lassen oder dem Klub den Rücken zu kehren.

Der Mangel muss behoben werden

Warum wir den Euro behalten sollten: Dies alles soll nicht heißen, dass bei der Konstruktion der Europäischen Währungsunion (EWU) keine Fehler gemacht wurden. Im Gegenteil: die Statik des Systems wurde falsch berechnet, so dass ohne Nachbesserung das Haus jetzt einzustürzen droht. Es wurde versäumt, der Europäischen Zentralbank, die sich in den vergangenen Jahren erfolgreich um die Geldwertstabilität bemüht hat, eine entsprechende Institution zur Wahrung der fiskalpolitischen Disziplin zur Seite zu stellen.

ZDF Talkshow 'Maybrit Illner' in Berlin

Thomas Mayer ist Chefökonom der Deutschen Bank.

(Foto: action press)

Leider hat der Stabilitäts- und Wachstumspakt die Entstehung übermäßiger Defizite und in einigen Fällen einer die Solvenz des Staates bedrohenden Verschuldung nicht verhindert. Dieser Mangel muss nun behoben werden, indem wir eine entsprechende Institution bauen, die die Fiskalpolitik kontrolliert, in Krisenfällen mit dem betroffenen Land Anpassungsprogramme entwickelt und finanzielle Nothilfe bereitstellt, und letztlich auch in der Lage ist, im Falle staatlicher Insolvenz eine Schuldenrestrukturierung einzuleiten.

Zur Zeit ringen die Verantwortlichen um den Bauplan für eine solche Institution und die bis dahin notwendigen Zwischenlösungen. Die dabei auftretenden Probleme sind nicht einfach, aber sie können mit etwas gutem Willen gelöst werden. Auch werden die Nachbesserungen der EWU nicht kostenlos sein. Die jüngeren Ereignisse haben gezeigt, dass es naiv war, zu glauben, eine gemeinsame Währung käme ohne jegliche Haftung der Mitglieder füreinander aus. Die EWU ist eine Haftungsgemeinschaft, aber solange sie ohne politische Union dasteht, muss und kann sie nur eine "Gemeinschaft mit beschränkter Haftung" bleiben.

Der Umbau der EWU besteht also im Wesentlichen darin, die Haftungsbedingungen und -grenzen klar zu definieren. Die anfallenden "Kosten" des Umbaus sind die Kosten der Bürgschaft, welche die EWU-Mitglieder füreinander aussprechen. Diese Kosten sind sehr schwer zu erfassen, aber sie dürften weit unter denjenigen liegen, die bei einem Bruch der EWU anfallen.

Viele Deutsche trauern der D-Mark nach, verbinden doch gerade die Älteren unter uns schöne Kindheits- und Jugenderinnerungen mit der Mark. Wir sollten aber die Eurokrise nicht dazu benutzen, der D-Mark Nostalgie freien Lauf zu lassen. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Setzen wir unsere Energie lieber dafür ein, den Euro zu festigen. Denn sollen sich unsere Kinder einmal daran erinnern, dass wir ihnen als ersten Lohn für eine geleistete Arbeit eine gescheiterte Währung in die Hand gedrückt haben?

Thomas Mayer ist Chefvolkswirt der Deutschen Bank). Sein Vorschlag, in Europa den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu kopieren und mit diesem EWF eine Feuerwehr gegen Krisen zu schaffen, fand viel Beachtung.

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