Geldanlage:Breit streuen, aber richtig

Eine der bekanntesten Geldanlage-Theorien heißt: Nicht alle Eier in einen Korb. Nun wird heftig darüber diskutiert.

Simone Boehringer

Millionen von Anlegern haben sich darauf verlassen, dass ein breit gestreutes Depot sie vor großen Verlusten bewahrt. Trotzdem hat das Gros der Investoren in der Krise viel Geld verloren, und einige begannen sogar, an der Diversifikationsstrategie ("Nicht alle Eier in einen Korb legen") zu zweifeln.

Geldanlage: Wie sich die einzelnen Anlageklassen entwickelt haben, sehen Sie mit einem Klick auf diese Grafik.

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(Foto: SZ-Grafik: Hanna Eiden)

Nicht so der Begründer der modernen Portfoliotheorie, Harry Markowitz: "2008 hat meine Theorie nicht widerlegt, sondern bestätigt", sagte der 81-jährige Professor an der Universität von Kalifornien in San Diego im Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg.

"Zweites 1929 versteckt"

Immerhin hat Markowitz 1990 für seine Erkenntnis, dass ein Portfolio umso weniger riskant ist, je mehr verschiedene Anlageklassen es enthält, den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Und jetzt schließt er selbst nicht einmal mehr aus, dass Markteinbrüche wie im vergangenen Jahr trotz Diversifikation vorkommen können.

"Die Natur zieht sich aus einem Trog voll möglicher Erträge jedes Jahr einen Folgewert, und ich glaube, irgendwo in diesem Trog versteckt sich ein zweites 1929", setzt der Professor noch eins drauf. Müssen wir also alle umdenken?

Nein, "Markowitz muss nur richtig angewendet werden, dann hilft dieser Ansatz auch in Krisenzeiten Risiken zu minimieren", meint Max Holzer, verantwortlich für die Vermögensaufteilung bei Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Er steht damit stellvertretend für die meisten von der SZ befragten Anlagestrategen.

"Markowitz ist nur sinnvoll für Anleger, die sich mit einer durchschnittlichen Wertentwicklung ihres Depots zufrieden geben, in guten wie im schlechten Zeiten. Das schließt damit in Krisenzeiten einen großen Verlust nicht aus", meint dagegen Claus Vogt, leitender Anlagestratege bei der Quirin Bank in Berlin.

Das stelle nicht die Theorie als solches, "dafür aber die Fondsmanager in Frage, die die Zusammensetzung der Kundenportfolien mit Hinweis auf Markowitz eng an Indizes ausrichten und dann in Krisenzeiten kaum Flexibilität haben, davon abzuweichen, um ihre Kunden vor dem Schlimmsten zu bewahren".

Eine breite Streuung von Investments könne freilich nur dann vor einem Absturz bewahren, "wenn alle Anlageklassen berücksichtigt werden", hält Philipp Vorndran entgegen, Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Flossbach & von Storch.

"Viele Anleger haben sich in den vergangenen Jahren auf Aktien, Anleihen und Immobilien konzentriert und dabei zum Beispiel Rohstoffe und Edelmetalle vernachlässigt", so Vorndran. "Diversifikation innerhalb einer oder weniger Anlageklassen funktioniert nicht", ist auch Holzer von Union Investment überzeugt.

Verantwortlich für diese Fehlinterpretation sind laut Vorndran Privatanleger wie Profiberater gleichermaßen gewesen. Die einen hätten sich nicht über Alternativen informiert, viele Berater hätten sich gesträubt, Edelmetalle anzubieten, "weil das im Vergleich zu kompliziert gestrickten Wertpapieren kaum Erfolgshonorar einbringt", sagt Vorndran.

Unterstützung aus der Wissenschaft

Auch aus der Wissenschaft bekommt Markowitz Unterstützung. Bernd Rudolph, Leiter des Instituts für Kapitalmarktforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, hat die Entwicklung von Anlageklassen und Risiken beobachtet. "Im Abschwung nimmt die Korrelation von Märkten zu, in Krisen reagieren sogar viele Märkte gleichgerichtet, weil Anleger schlicht liquidieren müssen oder in die Sicherheit fliehen", sagt er.

"Simuliert man Krisenszenarien im Portfolio, so schneiden solche Anlagestrategien besser ab, die nicht auf extreme Ausreißer setzen, sondern auf durchschnittlich korrelierte Anlageklassen. Man sollte daher auf jeden Fall sein Portfolio diversifizieren", folgert der Kapitalmarktforscher. Gleichwohl räumt Rudolph ein, dass diese Vorgehensweise in der Krise nicht unbedingt einen großen Vorteil bringe, aber eben auch keine Nachteile zu anderen Strategien.

"In jeder Schwankung steckt eine Chance"

Vogt von der Quirin Bank möchte sich dennoch lieber nicht auf breit gestreute Portfolien verlassen. Markowitz setze Risiko mit Volatilität gleich und übersehe dabei, dass in jeder Schwankung auch eine Chance stecke, "die Chance, mit der richtigen Anlageklasse zur richtigen Zeit Überrenditen zu erzielen und nicht nur mit dem Durchschnitt im Markt mitzuschwimmen".

Das sieht Vorndran von Flossbach & Storch ähnlich: Eine breite Streuung eigne sich in diesen Zeiten für alle Anleger, "die in erster Linie ihr Vermögen erhalten oder leicht mehren möchten. Wer mehr als vier bis fünf Prozent Rendite pro Jahr sehen möchte, muss Risiken eingehen und dazu eben von Markowitz' Theorie abweichen".

Für Amerika melden Marktbeobachter derzeit eine besonders hohe Korrelation der Märkte. Laut Bloomberg steigen US-Aktien praktisch im Gleichschritt mit Börsen in Schwellenländern und dem Rohstoffmarkt. Die Tendenz in Europa ist ähnlich, aber weniger ausgeprägt. "Wollen alle auf einmal raus, wird es eng", sagt ein Händler - damit müssten Anleger in diesen Zeiten eben leben.

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