Geld - Macht - Hass:Unter Brüdern - die Gucci-Story

Guccio Gucci vererbt seinen drei Söhnen zu gleichen Teilen ein Luxusunternehmen. Doch die Kinder bekämpfen sich, statt gemeinsam zu arbeiten. Die Geschichte einer Dynastie, die sich selbst zerstört.

Hannah Wilhelm

Da liegt er also, in seinem eigenen Blut. Erschossen von einem Killer. Zwei Kugeln im Kopf. Auf den Marmorstufen eines schicken Mailänder Hauses. Maurizio Gucci, 45, der letzte echte Gucci-Erbe, ermordet, hingerichtet, ausgelöscht.

Maurizio Gucci, 1994

Der letzte Nachkomme des Unternehmers Guccio Gucci, Maurizio, wird 1995 ermordet. Der Grund: das Erbe des Großvaters.

(Foto: AP)

Es ist das Ende. Nicht das Ende der Skandale, oh nein, beileibe nicht. Aber der Untergang der Dynastie Gucci. Endgültig. Zerrüttet nach Jahrzehnten von Machtkämpfen, Erbstreitigkeiten und Skandalen, aufgerieben, zerstört.

Die Abgründe des italienischen Familienunternehmens, das durch Ledergepäck berühmt wurde, sind tief. Sehr tief. Gegründet wird die Firma in den zwanziger Jahren von Guccio Gucci - dessen Initiale GG bis heute die Koffer, Gürtel und Schals zieren. Der Florentiner kommt aus elenden Verhältnissen nach England, jobbt dort im Nobelhotel Savoy und merkt: Die Oberen der Gesellschaft zeigen ihren Reichtum gerne anhand ihres teuren und edlen Reisegepäcks.

Gucci kehrt nach Florenz zurück, arbeitet in einem Lederfachgeschäft, macht sich bald selbständig. Seine Idee: feine Koffer und Taschen. Nur das beste Leder, wiedererkennbares Design. Die vermögenden ausländischen Florenz-Besucher sind begeistert. Schon bald bezieht Gucci seine drei Söhne ins Geschäft ein, überträgt ihnen Verantwortung, die Leitung von Filialen. Seinen Sohn Aldo schickt er in die USA, er soll dort das Geschäft aufbauen.

Es ist eine perfekte Besetzung. Aldo gibt den Anstoß für ein weiteres Produkt aus dem Hause Gucci, das die reichen und berühmten Frauen bald zu schätzen wissen: Grace Kelly trägt die kleine Damenhandtasche mit dem Bambusgriff. Die Queen auch. Gleichzeitig kommen die Loafer auf den Markt, flache, weiche Schuhe. Sie werden das Markenzeichen der Dame von Welt. Das Geschäft läuft. Doch zwischen den Brüdern Gucci läuft es gar nicht gut.

Als Gründer Guccio Gucci 1953 stirbt, hinterlässt er ein florierendes Unternehmen. Und drei konkurrierende Brüder. Gucci schätzt die Familie über alles, vor allem die Männer der Familie, dementsprechend formuliert er sein Testament. Seine Tochter erbt nichts, die drei Brüder alles in gleichen Teilen. Außerdem wird festgelegt, dass Gesellschafter immer aus der Familie stammen sollen.

Er meinte es gut, nur gut. Doch es kommt anders. Immer öfter gibt es Auseinandersetzungen. Aldo will schneller, höher, weiter. So ist es eben in Amerika, wo er lebt. Doch seine Brüder in Europa bremsen ihn ein. Aldo ist wütend.

Und Vasco scheidet bald aus, er zieht das Landleben der Arbeit im Unternehmen vor. Es bleiben zwei Brüder: Aldo hält die eine Hälfte am Unternehmen, Rodolfo die andere. Es herrscht nun ein Patt. Und damit ist alles noch schlimmer.

Es wird gezockt, getrickst, ausgebootet

Aldo hat drei Söhne, die er an der Firma beteiligt. Rodolfo hat einen, Maurizio, dem er misstraut und den er für die Wahl seiner Ehefrau Patrizia Reggiana verachtet. Ja, es ist jener Maurizio, der auf den Stufen des Mailänder Hauses enden wird. Mit zwei Kugeln im Kopf.

Der Machtkampf setzt sich in der nächsten Generation fort und eskaliert. Aldo buhlt um Maurizio, Rodolfo um die drei Söhne Aldos. Es geht um die Mehrheit im Unternehmen. Um das Erbe des Gründers Guccio Gucci.

Es wird gezockt, getrickst, ausgebootet. Aldo enterbt seinen Sohn Paolo, der versucht, den Namen der Familie für seine eigene Firma zu nutzen. Paolo zeigt wiederum Aldo bei der US-Steuerbehörde an. Der 81-Jährige muss in den Knast. Verurteilt zu einem Jahr und einen Tag. Nach vier Monaten kommt er frei und formiert erneut seine Kräfte - diesmal gegen seinen Neffen Maurizio.

In den achtziger Jahren laufen an die 20 Prozesse in Italien, bei denen Mitglieder der Familie Gucci gegeneinander vorgehen. Es ist ein Hauen und Stechen unter den Erben. Selbstzerstörerisch. Bis zum Schluss. Und am Schluss gewinnt niemand.

Eine Finanzgruppe steigt in das Unternehmen ein, alle Familienmitglieder werden herausgedrängt. Als letztes geht Maurizio. 1993 gibt er auf, gegen die Übermacht der Finanzgruppe. Die Streitereien zwischen den Nachkommen des ehrwürdigen Guccio Gucci haben das eigentlich erfolgreiche Unternehmen an den Rande des Ruins geführt. Ohne das Kapital der neuen Eigentümer geht nichts mehr. Also geht Maurizio.

Zwei Jahre später ist er tot. Ermordet. Als die Polizei Jahre später bei seiner Ex-Frau Patrizia Reggiana an der Tür klingelt, also bei der Dame, vor der ihn sein Vater Rodolfo immer gewarnt hat, sagt diese angeblich unberührt: "Es handelt sich um den Tod meines Mannes, nicht?" Sie nimmt ihren Pelz und lässt sich abführen. Während der Verhandlung erkranken zahlreiche Mitarbeiter des Gerichts, die die Akten des Falls anfassen. Ein Gerücht macht die Runde. Von einem Fluch der Gucci-Familie. Ärzte dagegen erklären die Erkrankungen mit einem Schimmelbefall der Akten.

Patrizia Reggiana wird zu 26 Jahren Haft verurteilt. Ihr Motiv: Sie soll Angst gehabt haben, dass Maurizio mit der jungen Geliebten das Erbe der Guccis verprasst. Das Erbe, das unheilige Vermächtnis der Familie Gucci - die sich in der dritten Generation selbst zerstörte.

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