Geld - Macht - Hass:Ein Prozent reicht zum Leben

"Ein Mann, der im Reichtum stirbt, der stirbt in Schande": Mit Bill Gates und Warren Buffett werden die reichsten Männer Amerikas fast ihr gesamtes Vermögens einer Stiftung spenden.

Nikolaus Piper

Zu den guten Traditionen der amerikanischen Geschichte gehört ein gesundes Misstrauen gegenüber ererbtem Reichtum. Nicht alle gingen dabei so weit wie der Stahlmagnat Andrew Carnegie (1835-1919). "Ein Mann, der im Reichtum stirbt, der stirbt in Schande", schrieb der Mann, der New York die Carnegie Hall und Amerika insgesamt 1681 Bibliotheken schenkte. Aber auch noch ein Jahrhundert nach Carnegie sagte der Ölmilliardär T. Boone Pickens: "Ich bin kein großer Freund ererbten Wohlstands. Im Allgemeinen schadet er mehr als er nützt." Mit anderen Worten: Reichtum ist nur legitim, wenn man ihn sich selbst erarbeitet hat.

File photo of Warren Buffet and Bill Gates speaking during a news conference in Washington

Amerikas reichste Männer, Bill Gates und Warren Buffett, werden fast ihr gesamtes Vermögen in eine Stiftung geben.

(Foto: REUTERS)

Nicht, dass sich alle Reichen an diese Devise halten würden - schließlich wurden 2009 in den USA ungefähr 200 Milliarden Dollar vererbt. Im Zuge des jüngsten Steuerkompromisses pressten die Republikaner US-Präsident Barack Obama sogar gewaltige Nachlässe bei der Erbschaftsteuer ab, was zeigt, dass es mit den amerikanischen Werten derzeit nicht so weit her ist.

Aber der alte Geist ist noch lebendig. Die beiden derzeit reichsten Männer Amerikas jedenfalls halten es konsequent mit Carnegie: Bill Gates (54 Milliarden Dollar) und Warren Buffett (45 Milliarden Dollar) werden den überwiegenden Teil ihres Vermögens spenden oder haben dies bereits getan. Und nicht nur das: Unter dem Titel "The Giving Pledge" ("Spendenversprechen") starteten Buffett und Gates im August eine Initiative, mit der sie ihre Mit-Milliardäre davon überzeugen wollen, es ihnen nachzutun. 57 Superreiche versprachen mittlerweile, mindestens die Hälfte ihres Reichtums für gemeinnützige Zwecke wegzugeben. Einer der letzten Unterzeichner ist der 26 Jahre alte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Interesse für die Spender-Kapitalisten

Bill Gates, heute 55, verdankt seinen Reichtum Microsoft, dem Software-Unternehmen, das er 1975 mit seinem Partner Paul Allen gegründet hatte. Er interessierte sich schon früh nicht nur für Computer, sondern auch für die großen Spender-Kapitalisten Amerikas - neben Carnegie war dies vor allem John D. Rockefeller - und las deren Bücher. 1994, dem Jahr, in dem er seine Frau Melinda heiratete, gründete Gates seine erste Stiftung.

Sechs Jahre später vereinigte er sie mit anderen Einrichtungen zur "Bill and Melinda Gates Foundation", heute eine der größten Stiftungen der Welt. Sie kümmert sich um den Kampf gegen Malaria und Kinderlähmung und finanziert Schulprojekte in der Dritten Welt ebenso wie in Amerika. Ende 2009 verwaltete die Gates Foundation 33,9 Milliarden Dollar - das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Nepals.

Bill und Melinda Gates verfügten, dass nach ihrem Tode die Stiftung fast ihr gesamtes Vermögen bekommt. Die Gates-Töchter Jennifer und Phoebe und der Sohn Rory sollen mit jeweils zehn Millionen Dollar abgefunden werden, was eigentlich keine schlechte Erbschaft ist, aber sicher nicht in Milliardärskreisen. Gates erzählte einmal, dass ihn sein Sohn gefragt habe, was von der Stifterei seiner Eltern eigentlich zu halten sei: "Er wollte wissen, ob das etwas darüber aussagt, wie sehr wir ihn lieben." Worauf er, Gates, geantwortet habe, "dass auch er noch viele Chancen hat, große Dinge zu erreichen. Aber das meiste Geld sollte nun einmal zurück in die Gesellschaft fließen."

Knapp ein Drittel des Kapitals der Gates-Stiftung besteht aus Aktien der Finanzholding Berkshire Hathaway, und die stammen von dessen Gründer und Chef Warren Buffett. Der 80-jährige Buffett und der 25 Jahre jüngere Gates sind Freunde, seit sie sich 1991 erstmals in einem Ferienhaus von Katherine Graham trafen, der Verlegerin der Washington Post. Gates versuchte damals, den Investor davon zu überzeugen, dass er einen Computer brauche, zunächst vergeblich. Er müsse nicht alle fünf Minuten wissen, wie seine Aktien stehen, soll Buffett damals gesagt haben. Und seine Steuern könne er auch im Kopf ausrechnen.

"Regel Nr. 1: Verliere niemals Geld; Regel Nr. 2: Vergesse niemals Regel Nr.1."

Inzwischen sitzt Gates als Mitglied im Verwaltungsrat von Berkshire Hathaway. Der Unternehmer und der Investor bewundern sich gegenseitig. Der Einfluss Buffetts dürfte dazu beigetragen haben, dass Gates sich seiner Spendenmission so widmet, wie er es tut. Bereits in den sechziger Jahren engagierte sich Buffett zusammen mit seiner ersten Frau Susan für gesellschaftliche Anliegen.

So halfen sie während der Bürgerrechtsbewegung diskriminierten Afroamerikanern in Nebraska. Der Gegensatz von Liebe zum Geld und Altruismus ist dabei frappierend. Einerseits erhebt Buffett das Reichwerden zum Kult ("Regel Nr. 1: Verliere niemals Geld; Regel Nr. 2: Vergesse niemals Regel Nr.1.") Andererseits setzt er sich immer wieder dafür ein, dass Leute wie er höhere Steuern zahlen sollen.

Der bewunderte und von seinen Anlegern verehrte Investor hatte nie vor, eine Familien-Dynastie zu gründen oder gar Berkshire als Familienfirma zu führen. Das wäre auch merkwürdig, denn der Investor war alles andere als ein Familienmensch. Statt mit den Kindern zu spielen oder seine Frau auszuführen, saß er lieber in seinem Zimmer und analysierte Börsenkurse.

Als die Kinder Susie, Howard und Peter klein waren, grenzte sein Verhältnis zur Familie an grobe Vernachlässigung. Seine Besessenheit mit Aktien und die Weigerung, mit der Familie zu kommunizieren, ruinierten schließlich seine Ehe. Susan Buffett verließ das gemeinsame Haus in Omaha Ende der siebziger Jahre, zog nach Kalifornien und gründete dort ihre eigene Buffett-Stiftung. Sie starb 2004.

Heute sitzt immerhin Buffetts ältester Sohn Howard im Verwaltungsrat von Berkshire. Er soll nach dem Tod des Vaters Chairman werden, was der Funktion eines Aufsichtsratsvorsitzenden in Deutschland entspricht. Als Halbwüchsiger musste er sich angeblich sein Taschengeld dadurch verdienen, dass er den Rasen vor dem elterlichen Haus mähte. Er hat inzwischen selbst eine Stiftung gegründet.

Als Nachfolger für seine beiden wichtigsten Positionen bei Berkshire hat Buffett aber Familienfremde vorgesehen. Chef dürfte David Sokol werden, derzeit Chairman bei MidAmerican, einem Energieversorger, der zu Berkshire gehört. Als künftigen Chief Investment Officer, der die Investitionsentscheidungen treffen soll, installierte Buffett den Hedgefonds-Manager Todd Combs. Er ist sein inoffizieller Kronprinz.

Im "Giving Pledge" verspricht Buffett, zu Lebzeiten oder spätestens bei seinem Tod 99 Prozent des Vermögens wegzugeben, den überwiegenden Anteil an die Gates-Stiftung. "Auf das außergewöhnliche Glück, das wir im Leben hatten, reagieren wir nicht mit einem Gefühl der Schuld, sondern der Dankbarkeit. Würden wir mehr als ein Prozent der eingehenden Schecks für uns selbst benutzen, würden sich weder unser Glück noch unser Wohlbefinden erhöhen. Dagegen können die verbleibenden 99 Prozent eine ungeheure Wirkung für die Wohlfahrt und die Gesundheit anderer haben (...) Wir behalten alles, was wir brauchen und verteilen den Rest in die Gesellschaft."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: