Geld kompakt:Nicht zu viel Stress gemacht

Vorläufige Berechnungen zeigen, dass offenbar alle deutsche Banken den Stresstest ohne allzu große Blessuren bestanden haben. Außerdem: Mittlerweile laufen gegen 24 der 27 EU-Staaten Defizitverfahren.

Die deutschen Geldhäuser dürften die Stresstests banknahen Kreisen zufolge durchweg bestehen. Nach ersten Berechnungen führten die Belastungsproben bei keinem der beteiligten Institute zu einem unmittelbaren Kapitalbedarf, sagten mehrere Personen, die mit der Situation in den einzelnen Häusern vertraut sind.

Bankenverband warnt: Die Krise ist noch nicht zu Ende

Mehr als zehn deutsche Banken haben an dem sogenannten Stresstest teilgenommen. Das Ergebnis: Zumindest akut besteht kein Kapitalbedarf.

(Foto: ddp)

In Deutschland haben 14 Banken an den Tests der europäischen Bankenregulierer CEBS teilgenommen. Sie sollten die angeforderten Daten bis Anfang dieser Woche abliefern. Finanzexperten kritisieren die Kriterien für die Tests als zu lax, um das erschütterte Vertrauen in die Bankenbranche wieder herzustellen. Fällt die Kernkapitalquote unter Stressbedingungen unter sechs Prozent, ist man durch die Prüfung gefallen.

Als Wackelkandidaten galten in der Branche daher vor allem Institute mit einer dünnen Kapitaldecke wie die Postbank. Sie hat mit einer Quote von 7,3 Prozent eine der schwächsten Kapitalausstattungen aller getesteten Institute in Europa. Finanzkreisen zufolge rutscht das Institut unter Stressbedingungen aber nur knapp unter sieben Prozent. In der Branche wurde nicht ausgeschlossen, dass sich Institute auch bei einem Bestehen des Tests frisches Kapital besorgen, um die Märkte zu beruhigen.

"Manch ein Kandidat hofft, damit ein für allemal die Sorgen der Anleger zerstreuen zu können", sagte ein Insider. Bundesbank, Finanzaufsicht BaFin und die Banken lehnten eine Stellungnahme ab. In den Stresstests werden die Auswirkungen eines Konjunktureinbruchs und eines Kursverfalls an den Anleihemärkten auf die Bankbilanzen geprüft.

Unter den Landesbanken galten vor allem jene Institute als gefährdet, die bislang ohne Staatshilfe durch die Krise gekommen sind, wie die NordLB und die Helaba. Ihre Kapitalquote ist geringer als die vieler Konkurrenten, in die die Eigentümer Milliarden gepumpt hatten, um sie vor dem Untergang zu bewahren. NordLB-Aufsichtsratschef Hartmut Möllring gab für sein Institut jedoch Entwarnung.

"Wir gehen davon aus, dass wir die Sechs-Prozent-Grenze nicht reißen", sagte er dem Handelsblatt. NordLB und Helaba hatten zuletzt eine Kernkapitalquote von 8,4 (Ende März) und 9,1 (Ende 2009) Prozent. Gestützte Institute wie die LBBW, die BayernLB und die HSH kamen dagegen auf eine Quote von knapp oder sogar über zehn Prozent. Die WestLB wies Ende März 8,3 Prozent aus. Allerdings hat die Bank ihre ausfallgefährdeten Papiere mittlerweile in die Bad Bank ausgelagert, so dass von ihnen kein Risiko mehr für das Institut ausgehen sollte.

Vier neue Defizitverfahren

Die Finanzminister der Europäischen Union haben Defizitverfahren gegen vier weitere Mitgliedsländer eröffnet. Dänemark, Finnland, Bulgarien und Zypern verstoßen nach Ansicht des Ministerrats gegen den EU-Stabilitätspakt, welcher ein Staatsdefizit von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erlaubt, wie Diplomaten am Dienstag am Rande der Brüsseler Beratungen mitteilten.

Damit laufen nun Strafverfahren gegen 24 der 27 EU-Staaten. Als ausreichend bewerteten die Finanzminister die Bemühungen von 13 weiteren Ländern zur Haushaltssanierung. Darunter sind Deutschland, Österreich und Frankreich. Die Bundesregierung will die Neuverschuldung von geschätzten 5,5 Prozent in diesem Jahr bis 2013 wieder unter die Drei-Prozent-Marke drücken.

EU-Finanzminister besiegeln Beitritt Estlands zur Eurozone

Die Finanzminister der Europäischen Union haben den Beitritt Estlands zur Eurozone besiegelt. Nach dem Beschluss des Ministerrats kann der Baltenstaat zum Jahreswechsel als 17. Land die Gemeinschaftswährung einführen.

Die Finanzminister legten auch den offiziellen Wechselkurs fest: Ein Euro soll demnach 15,6466 estnische Kronen wert sein. Mitte Juni hatte bereits der EU-Gipfel den Weg für die Erweiterung der Eurozone frei gemacht. Estland ist der erste Baltenstaat, der den Euro bekommt, und nach Slowenien und der Slowakei das dritte Land des ehemaligen Ostblocks.

Das Land mit 1,3 Millionen Einwohnern hatte sich in den vergangenen Jahren ein striktes Sparprogramm verordnet und den Schuldenstand sowie das Staatsdefizit deutlich unter den EU-Höchstwerten gehalten. Beides ist neben einer niedrigen Inflationsrate Voraussetzung für die Euro-Einführung.

Mehr Rechte für Europas Finanzaufsicht

In den Streit über die Reform der Finanzaufsicht in der Europäischen Union kommt Bewegung. Die EU-Staaten wollen sich nun doch darauf einlassen, den geplanten neuen Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Wertpapierhandel das Recht zu direkten Aufsichtsentscheidungen gegenüber Finanzinstituten zu geben - allerdings nur in Krisensituationen.

Die EU-Finanzminister erteilten der belgischen Ratspräsidentschaft ein neues Verhandlungsmandat, um eine rasche Einigung mit dem Europäischen Parlament zu ermöglichen. Am Mittwoch könne die nächste Verhandlungsrunde mit den Abgeordneten stattfinden, erklärte der belgische Finanzminister Didier Reynders.

Noch im Dezember hatten die EU-Mitgliedstaaten vor allem auf Druck Großbritanniens beschlossen, dass die neuen Behörden - anders als von der EU-Kommission vorgeschlagen - keine bindenden Aufsichtsentscheidungen treffen dürfen.

Das Europäische Parlament bestand in fast 20 Verhandlungsrunden jedoch darauf, dass die EU-Behörde eingreifen können muss. Eine stärkere Zentralisierung der Aufsicht auf EU-Ebene ist eine Lehre aus der Finanzkrise. Die bisher national zersplitterte Aufsicht gilt neben Regelungslücken und hochriskanten Finanzgeschäften als eine Ursache der Krise. Die EU-Mitgliedstaaten zögern jedoch, die Kompetenz der nationalen Aufsichtsbehörden zu begrenzen, da im Fall von Bankenrettungen schließlich auch auf Mittel aus den nationalen Haushalten zurückgegriffen werden muss.

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