Musiktexte:Geld macht sexy, auch die Hässlichen

Money, money, money: Schlager und Popsongs erzählen nicht nur von Herz, Schmerz und heiler Welt. Oft geht es ums Geld. Ein Ritt durch die Finanzgeschichte der Musik - von Udo Lindenberg bis Wolfgang Petry.

Wolfhard Klein und Kay Schmitt

"Money makes the world go round" singt Liza Minnelli und bringt die Sache auf den Punkt. Abbas "Money, Money, Money" klingelt bereits mehreren Generationen in den Ohren. Schlager erzählen nicht nur von Herz, Schmerz und heiler Welt.

Unter dem Stichwort "Geld" findet man genauso Analysen und Kommentare der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Sie bewerten moralisch und beschreiben individuelle Lebenssituationen - Ängste, Vorurteile, Träume und Hoffnungen. Der Schlager erreicht damit ein Massenpublikum, indem er in den Texten Wunschträume anspricht, die er als Botschaft in Kehrreimen stetig wiederholt. Geld-Noten werden erst durch Texte schön. Das funktioniert in allen Sprachen der Welt. Aber wenn es um Geld geht, müssen wir nicht ins Ausland. Der deutsche Schlager liefert den Wattebausch mit genau der Menge wohlduftenden Chloroforms, die Otto Normalverbraucher benötigt, um mit wenig Geld in einer Schein- und Plastikkarten-Gesellschaft zu überleben.

Die heutigen Schlagertexte greifen das Geld-Thema in genau der Tonalität auf, die bereits die Volkslieder des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit vorgeben: Geld regiert die Welt; wer Geld hat, hat Freunde; Geld ist das Maß aller Dinge; Geld entscheidet über Zuwendung und Liebe.

Diese Inhalte sind keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Schon im Jahr 1494 hat Sebastian Brant, ein hochgebildeter Humanist, heute vergleichbar mit einem Universitätsprofessor, einen Liedtext verfasst: "O pfening / man düt dir die ere / Du schaffst / daß vil dir günstig sint / Wer pfening hat / der hat vil fründ" stammt aus dem Narrenschiff. In Basel gedruckt, brachte es die spätmittelalterliche Moralsatire sogar zum erfolgreichsten Buch vor der Reformation. In den Liedern der frühen Neuzeit kommt Geld nur insofern vor, dass es fehlt. Es gibt praktisch kein Lied, das sich mit dem Haben beschäftigt, sondern nur mit dem Fehlen von Geld.

Die Thematik blieb, als die Operette kam. Aus der Operettenseligkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts entstanden Gassenhauer, Lieder, die "einschlugen", Schlager eben, oft mit der vertrauten Thematik, etwa dem Titel Wenn man Geld hat, ist man fein aus Carl Michael Ziehrers großem Bühnenerfolg Liebeswalzer. Erst im Schlager und übrigens auch im amerikanischen Protestsong werden die Hintergründe von Geld, Macht und Ausbeutung klar thematisiert.

"Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen"

Der Schlager im heutigen Sinne entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Erfindung des Grammophons sowie die aufkommende Filmindustrie trugen schnell zu seiner Verbreitung bei. Er ist somit ein Produkt der Industriegesellschaft. Im Schlager des 20. und 21. Jahrhunderts lassen sich das Thema "Geld" und die damit verbundenen Begleiterscheinungen wie Reichtum, Macht, Einfluss und Anerkennung kategorisieren.

Das Lied der Wirtschaftskrise der zwanziger Jahre ist bis heute unvergessen. Robert Steidls Schlager "Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen" entstand 1922. Und angesichts der Wirtschaftslage werden die erste und zweite Hypothek gleich mit versoffen. Vielleicht ist der Text deshalb unvergessen, weil er den Zeitgeist immer noch trifft. Angesichts der zig Milliarden aus der Staatskasse für die Banken stimmt der letzte Satz auch heute noch, denn das kostet schließlich alles unsre Steuern, die wir zahlen in das bodenlose Fass.

Den Geld-Noten-Titel der Währungsreform lieferte der Kölner Jupp Schmitz 1949 angesichts dünner Lohntüten und unerfüllbarer Konsumwünsche. "Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?" Dann kam das Wirtschaftswunder, und einige konnten, wie sie wollten - das Dritte Reich aus dem Gedächtnis streichen und sich ein Stück vom Wirtschaftswunderkuchen abschneiden.

Das Hazy-Osterwald-Sextett kreierte 1960 den Konjunktur-Cha-Cha. Hazy Osterwald sang mit riesigem Erfolg von der großen Wende, von der guten neuen Zeit und appellierte: "Geh'n Sie mit der Konjunktur, geh'n Sie mit auf diese Tour. Nehm'n Sie sich Ihr Teil, sonst schäm' Sie sich und später geh'n Sie nicht zum großen Festbankett. Man ist, was man ist, nicht durch den inneren Wert. Den kriegt man gratis, wenn man Straßenkreuzer fährt. Holen Sie sich Ihre Kohlen wie der Krupp von Bohlen aus dem großen Wettgeschäft. Schöpfen Sie Ihr Teil und schröpfen Sie, die anderen köpfen Sie sonst später ohnehin. Laufen Sie, wenn's sein muss, raufen Sie, und dann verkaufen Sie mit Konjunkturgewinn. Geld, das ist auf dieser Welt der einz'ge Kitt, der hält, wenn man davon genügend hat."

Es blieb sportlich, in der Welt der Schlager-Noten. Nach 1982 kam der Aufschwung. Ärmel hochkrempeln, anpacken. Man kann ja nie genug haben. Geier Sturzflug half 1983 Helmut Kohl, das Bruttosozialprodukt steigern. "Ja jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt." Es waren die Jahre des mehr, mehr, mehr.

15 Jahre später verabschiedete sich die D-Mark, der Euro kam, und mit ihm die Skepsis. Barbara Thalheim präsentierte ihr Lied Wir machen Sie fit für den Euro, indem sie sang: "Jetzt redet mein Bankmensch mir ein: Wir machen Sie fit für den Euro. Ich finde das ungeheuro, denn fit wollt' ich immer schon sein. Bist du fit, machst du mit, jedem Euro seinen Schnitt." Und Reiner Wahnsinn ergänzte 2001: "D-Mark adé, scheiden tut weh. Jetzt kommt der Euro und alles wird teuro." Zeitgeistlyrik nach Noten auf der Höhe der Wirtschaftsentwicklung.

Angesichts der sich anbahnenden Wirtschafts- und Finanzkrise 2006 machte die Gruppe Seitz - sie besteht aus Mitgliedern der Schwarzwaldfamilie Seitz - einen Vorschlag zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Sanierung der öffentlichen Haushalte. Sie stellten fest: "Wir brauchen Geld. Nicht nur Bund, Länder und Kommunen brauchen Geld. Der kleine Mann und auch sein Boss, wir alle wissen, ohne Moos, da ist nichts los. Die Zinsen fressen sich in uns're heile Welt. Der Ingenieur, der Werksmonteur, wir alle wissen, ohne Kohle geht nichts mehr. Ein Vorschlag wär', wir drucken noch mehr Euroscheine, verteilen sie gerecht an alle, auch an Kleine. Dann hätte jeder Geld, sich irgendwas zu kaufen, und uns're Wirtschaft würde wieder super laufen." Utopie? Immerhin hat sich die Bundesrepublik inzwischen die Möglichkeit geschaffen, Banken zu verstaatlichen.

"Hast du was, dann bist du was"

Hazy Osterwalds Konjunktur-Cha-Cha spiegelt die Moral der sechziger Jahre. Gunter Gabriel entdeckte 1978 Altbekanntes neu. Er sang: "Ohne Moos nichts los. Ich bin immer pleite. Mir fällt gar nichts in den Schoß. Ohne Moos nichts los. Der Bankdirektor braucht es und der Boss mit seinem Bauch. Der Lehrling im Betrieb, der braucht dasselbe nämlich auch. Der Kanzler und der Präsident, das ganze Parlament. Alle raffen, alle schaffen, denn sonst ständen sie im Hemd." Und er folgerte: "Ohne Moos nichts los. Hast du was, dann bist du was, dann bist du plötzlich wer. Hast du nichts, dann bist du nichts, das find' ich gar nicht fair."

Was könnte man nicht alles mit Geld machen, wenn man es den hätte. Und was würde man nicht alles tun, damit man an Geld kommt. Diese Überlegung bringt die Erste Allgemeine Verunsicherung 1986 dazu, einen Ba-Ba-Banküberfall als probates Mittel gegen das Loch in der Haushaltskasse zu empfehlen. Die Gruppe Pur greift den kriminellen Gedanken 1988 auf. D-Mark heißt das Lied, und es geht so: "Geliebte D-Mark, sind die Taschen leer, dann musst du her. Er geht in die Bank, Pistole in der Hand. Er sagt vielen Dank und rennt los mit seiner vielgeliebten D-Mark."

Nächstes kriminelles Beispiel? Bitte sehr, dasselbe Lied: "Er sitzt im Bundestag und wartet auf Spenden. Die richtige Entscheidung wird das Warten schnell beenden. D-Mark." Rainhard Fendrich kreierte 1988 den Tango Korrupti. In seinem Lied empfiehlt ein Millionär dem Staatsanwalt: "Sie sollten sich einmal was leisten, so wie die meisten, vielleicht einen Porsche bald? Dafür verschwinden ein paar Akten, auch die Fotos mit der Nackten." Der Text macht klar: 1988 zählt im Schlager Geld mehr als die Moral.

Da scheint etwas dran zu sein, Udo Lindenberg sieht das 1991 in seinem Song Club der Millionäre ähnlich: Man braucht Geld, egal wie, dann ist man dabei und kriegt, was man will. Er singt: "Ach, wie gerne wäre ich im Club der Millionäre, doch da kommt man nicht so ohne weit'res rein. Da muss man schon Erfinder oder Schwerverbrecher sein. Oder Erbschleicher vielleicht, oder 'n Lottogewinn, mehr Möglichkeiten sind da nicht drin." Also her mit dem Geld, egal wie, dann gibt es Champagner satt, schöne Frauen und jeden erdenklichen Luxus. Soweit die Unmoral. Doch dann kommt der Zweifel: "Das einzige Problemchen das ich hätt' - finden die Mädels wirklich mich oder meine Kohle nett?"

Für Die Prinzen ist die Sache 1995 klar: "Geld ist schön. Geld ist lustig. Geld macht Freude. Geld ist käuflich. Geld macht so reich. Geld macht sexy. Geld macht so frei. Es macht so mächtig. Geld ist schön, auf jeden Fall schöner als kein Geld." Nicole schildert 1996, wie die Gesellschaft mit der Gier nach Geld und dem Habenwollen umgeht: "Der eine klaut 'ne Flasche Schnaps, wird erwischt und kommt in Knast und wird seines Lebens dann nie mehr froh. Der andere zockt Millionen ab, aber der wird nicht geschnappt und liegt in der Sonne irgendwo."

Oder er zahlt, wie wir gelernt haben, wenn er doch erwischt wird, eine Strafe, die für ihn ein Trinkgeld ist, und zieht sich auf sein Schloss in der Schweiz zurück. "Und die Moral von der Geschicht', die haste gleich kapiert: Haste nix, dann biste angeschmiert." Aber Nicole bietet auch Trost für alle, die nur die Krümel vom Kuchen bekommen. In ihrem Lied Club Bel Etage singt sie 1999 über die oberen 10.000: "Denk nie, die schlafen gut, denn sie haben Angst. Glaub mir, dass man zehn Mal besser schläft, wenn man nichts verlieren kann."

"Hey Boss, ich brauch mehr Geld"

Das Grosse Buch vom Geld

Das Große Buch vom Geld Autor: Uli Röhm, Buchcover Scan

(Foto: Edition Braus)

Mehr Geld hätten alle gern. Gus Backus resümiert 1964: "Wenn nur jede Woche mal der Erste wär', wär' die Sache mit den Kohlen halb so schwer, dann hätt' ich keine Sorgen mehr." Und Ernst Neger ignorierte 1964 die Sparappelle der sechziger Jahre. Er weiß, wohin mit dem Geld: "Bei uns wird's Geld nicht schimmelig. Solang's 'nen Grund zum Feiern gibt, ist Sparen für die Katz'." Gunter Gabriel wurde offensiv. Er fasste sich 1974, ein Jahr nach dem Höhepunkt der wilden Arbeiterstreiks in der Bundesrepublik, ein Herz und forderte: "Hey Boss, ich brauch mehr Geld." Das hätten auch Die Prinzen 1991 gern gehabt. Sie spielen es mit ihrem Song Millionär ein. "Ich wär' so gerne Millionär, dann wär' mein Konto niemals leer. Geld, Geld, Geld."

Wenn man's hat, ist es schnell weg. Pe Werner merkte das und will es zurück: "Ich will mein Geld zurück, die schwer verdienten Piepen. Jeder will nur abkassier'n, das lass ich mir nicht bieten." Geld wird schnell ausgegeben. Wenn es weg ist, braucht man Kredit. Wolfgang Petry analysiert 2003 für die Schlagerfans, wohin das zeittypische Feiern und Genießen auf Pump führt. Wer soll das bezahlen heißt sein Lied. "Das Auto ist auf Pump, das Hauf auf Raten, die Küche ist noch lange nicht bezahlt, der Bäcker kriegt noch Geld, doch der kann warten, der Deckel in der Kneipe lässt uns kalt." Das Ergebnis dieser Einstellung ist bekannt, die Krise ist da.

Der Schlager wäre nicht der Schlager, wenn er nicht zeigen würde, dass es höhere Werte als Geld gibt, beispielsweise die Liebe. Marika Rökk sang 1939: "Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück. Ich brauche weiter nichts als nur Musik, Musik, Musik. Doch eine ganze Kleinigkeit, die brauch' ich noch dazu. Und diese große Kleinigkeit bist du, nur du, nur du." Natürlich kann niemand sicher sein, dass Liebe ohne Geld funktioniert. Gerd Böttcher artikulierte das 1962 in seinem Schlager "Geld wie Heu. Ich hab so Angst, die Susi nimmt sich einen anderen Boy, einen, der das eine hat, was ich nicht hab - Geld wie Heu."

Im Schlager klappt das, er kriegt seine Susi. Und auch Ramona wird 1972 ohne Geld glücklich. "Lieber dich und kein Geld", singt sie. "Viele Leute sind reich, aber das ist mir gleich, ich bin froh, mir geht's gut, weil wir zwei uns versteh'n. Lieber dich und kein Geld als allein auf der Welt." Cosa Rosa stimmt 1985 in diesen Chor ein. "Manche mögen Männer mit Millionen, manche mögen Männer mit Moral, manche mögen Männer mit viel Muskeln, genau das bist du nicht, und dafür lieb' ich dich mit aller Lust und Qual - millionenmal."

Liebe statt Millionen

Manchen reicht die normale Liebe nicht, es muss, wie bei den Wildecker Herzbuben 2007, die wahre Liebe sein. "Wahre Liebe ist mehr wert als Millionen, wahre Liebe ist mehr wert als Geld", sangen sie. Aber stimmt das? Scheinbar stimmen die Flippers den Herzbuben 2007 in ihrem Titel Auch wenn ich Millionär wär zu. "Geld macht Männer sexy", sangen sie. "Und manchmal sieht es wirklich danach aus. Schöne Mädchen und Champagner, eine weiße Yacht. Da fragt sich jeder, wie er das wohl macht. Auch wenn ich Millionär wär', ich wär' nur hinter dir her. Meinen Ferrari, jede Safari, tausch' ich für dich ein." Kann es sein, dass der Schlager flunkert, dass er zwar sagt: Lieber dich und kein Geld, aber meint: Am liebsten dich und viel Geld? Manchmal sieht es wirklich danach aus.

Viele belächeln diese Musikgattung. Aber für den Soziologen Theodor W. Adorno haben Schlager eine gesellschaftliche Funktion, sie "beliefern die zwischen Betrieb und Reproduktion der Arbeitskraft Eingespannten mit Ersatz für Gefühle", von denen sie glauben, sie müssten sie haben. Schlager sind Indizien für soziokulturelle Strömungen und Entwicklungen, spiegeln die Wirklichkeit und hätten sie gern heiler als sie ist. Aber das gilt nicht nur für den Schlager. Das gilt auch für andere Klänge, für Pop, Rock, Hip-Hop. Der Unterschied liegt nur darin, dass man hierzulande deutsche Schlagertexte besser versteht. Der Schlager ist nicht die Wirklichkeit, aber er ist der Spiegel des wahren Lebens. Auch wenn es manchmal nur so scheint.

Der Text ist dem Großen Buch vom Geld von Uli Röhm entnommen. Der Band ist bei Edition Braus erschienen.

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