Gefüllte Kassen in Moskau und Peking:Die Furcht vor dem Ausverkauf

Die Große Koalition will verhindern, dass deutsche Vorzeige-Firmen an Staatsfonds wie in Russland oder China fallen. In den USA gibt es dafür eine eigene Behörde.

Andreas Hoffmann und Nikolaus Piper

Geld und Angst. Darum geht es, wenn über den Schutz vor Auslandsinvestoren geredet wird. Chinesen und Russen sitzen auf Milliarden-Reserven, die sie gewinnträchtig anlegen wollen, deswegen sind sie auf Einkaufstour.

Angela Merkel

Nicht "naiv sein" will Kanzlerin Angela Merkel hinsichtlich ausländischer Staatsfonds, wie sie etwa inzwischen gut gefüllt in Russland existieren.

(Foto: Foto: AP)

Sie wollen sich an deutschen Firmen beteiligen. Und so kommt die Angst ins Spiel.

Deutsche Politiker plagt ein Albtraum: Mühevoll haben sie Staatsunternehmen wie Post und Telekom privatisiert, nun könnten diese zur Beute ausländischer Staatskonzerne werden.

Bestimmt künftig das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas, wo es in hiesigen Konzernen lang geht?

Drehen russische Apparatschiks den Deutschen den Gashahn zu, sollte der Energieriese Gazprom beim Stromkonzern Eon eines Tages das Sagen haben?

"Hier dürfen wir nicht naiv sein", sagt Kanzlerin Angela Merkel. In der nächsten Woche will sie mit ihren Ministern in Meseberg über das Thema beraten.

Im Herbst könnte das Kabinett ein Gesetzentwurf verabschieden. Die Koalition will handeln. Aber wogegen genau?

2.500.000.000.000 Dollar

Die Zahl wirkt beeindruckend. Auf 2.500 Milliarden Dollar schätzt die US-Investmentbank Morgan Stanley das Vermögen der Staatsfonds. Das ist mehr, als andere Sammelstellen, wie Hedgefonds oder Finanzinvestoren verwalten.

Die Milliarden könnten sich noch vermehren, in den nächsten acht Jahren auf 12.000 Milliarden Dollar, schätzen die Investmentbanker von Morgan Stanley. Ein Betrag, mit dem Finanzminister Peer Steinbrück über 30 Jahre lang die Ausgaben des Bundeshaushalts zahlen könnte - ohne einen Cent Kredit aufzunehmen.

Aktien statt Anleihen

Die vielen Milliarden stammen aus Verkäufen von Rohstoffen und Waren. Länder wie Russland, die Golfstaaten, Venezuela, aber auch Norwegen profitieren, weil Öl- und Gaspreise rasant gestiegen sind. Südamerikanischen Ländern wie Brasilien oder Chile hilft der Hunger der Industrieländer nach Metallen.

Die Chinesen schließlich entwickelten sich zur Werkbank der Welt, die vom Spielzeug über Kleidung und Elektrogeräte fast alles produzieren - vor allem billig.

Weil die Länder mehr Geld einnehmen als sie ausgeben, sammeln sich hohe Devisenreserven an, welche die Staatsfonds verwalten. Lange Zeit kauften etwa asiatische Fonds vor allem US-Staatsanleihen, doch weil die zuletzt wenig Ertrag abwarfen, steigen die Fonds inzwischen lieber direkt bei Firmen ein oder kaufen Aktien.

Die Furcht vor dem Ausverkauf

Kürzlich beteiligte sich China an der privaten Beteiligungsgesellschaft Blackstone, der Staatsfonds Dubai ist bei der Airbus-Mutter EADS und der Deutschen Bank engagiert und vergangenes Jahr forderte der russische Mischkonzern Sistema Anteile an der Telekom, allerdings ohne Erfolg.

Sheikh Mohammed bin Rashid al-Maktoum und Sultan Ahmed Bin Sulayem

Der Premieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Sheikh Mohammed bin Rashid al-Maktoum berät sich mit dem Vorstandsvorsitzenden von Dubai Ports World, Sultan Ahmed Bin Sulayem, über die protektionistische Haltung der USA.

(Foto: Foto: Reuters)

Das Drängen der Russen hat die Deutschen aufgeschreckt. Seitdem wird quer durch die Republik diskutiert. Es beteiligen sich Ministerpräsidenten und Wirtschaftsbosse, Sachverständige, Banker, Union und SPD-Politiker. Momentaner Stand der Debatte: "Wir müssen etwas tun, wissen aber noch nicht was."

Da fordert Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), hiesige Konzerne zu schützen, damit "wir nicht von den neuen Mächtigen als Trottel betrachtet" werden. Sein baden-württembergischer Kollege Günther Oettinger (CDU) hingegen warnt vor zu viel Protektionismus.

Deutschland, der "Trottel" der neuen Mächtigen?

Mal erwägt die NRW-Landesregierung, Aktien des Stromversorgers zu kaufen, um ihn vor Auslandsinvestoren zu schützen. Doch ein paar Tage später erteilt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) dem Vorhaben eine Absage.

Selbst Wirtschaftverbände und Brüssel funken widersprüchliche Signale. EU-Handelskommissar Peter Mandelson bringt die Idee einer "Goldenen Aktie" ins Gespräch, mit der einzelne Länder ihre Schlüsselindustrie vor ausländischen Zugriff schützen könnten.

Kurz darauf warnt ein Sprecher der EU-Kommission davor, die Investitionsbedingungen in Deutschland zu erschweren. Der oberste Industrielobbyist, BDI-Chef Jürgen Thumann kritisiert mögliche "Schnellschüsse". Doch er kann sich mit der Idee anfreunden, wonach eine Kommission prüft, ob Ausländer bei einer hiesigen Firma einsteigen darf.

Der Wirrwarr hat Methode, geht es doch um eine "Gratwanderung" wie ein Spitzenbeamter der Regierung sagt. Man will ausländische Investoren nicht verprellen, weil deren Kapital benötigt wird. Man will aber auch deutsche Interessen schützen und nicht politisch abhängig werden.

Blick in die USA

Einige Koalitionäre schauen deshalb in die USA. Dort prüft ein "Komitee für Auslandsinvestitionen in den USA" (CFIUS), das dem Finanzministerium in Washington untersteht, die möglichen Firmenaufkäufer.

Vorsitzender des Komitees ist Finanzminister Hank Paulson, außerdem gehören ihm der Außen-, der Verteidigungs-, der Handels- und der Justizminister an, zudem der Handelsbeauftragte und der oberste Wirtschaftsberater des Präsidenten.

Das CFIUS kontrolliert alle sicherheitsrelevanten ausländischen Investitionen, also nicht nur das Wirken von Staatsunternehmen oder Staatsfonds. Im vergangenen Jahr waren laut Finanzministeriums zehn Prozent aller ausländischen Investitionen von einem CFIUS-Verfahren betroffen.

Der Auftrag des Komitees ist nicht wirtschafts-, sondern sicherheitspolitisch definiert. Das Komitee kann eine Investition blockieren, "wenn es glaubwürdige Hinweise darauf gibt, dass die ausländische Einrichtung Handlungen unternehmen könnte, die die nationale Sicherheit bedrohen" - und wenn die normalen Gesetze nicht ausreichen, um die nationale Sicherheit zu schützen.

Die Furcht vor dem Ausverkauf

Das CFIUS wurde 1975, in einer Entspannungsphase des Kalten Krieges, vom damaligen Präsidenten Gerald Ford eingerichtet. Allerdings hat der Kongress das CFIUS-Verfahren im Juli verschärft.

Auslöser war im vergangenen Jahr die staatliche Hafenbehörde von Dubai. Die Dubai Ports World wollte mehrere Hafenbetreibergesellschaften in den USA erwerben. Nach der üblichen Überprüfung durch CFIUS hatte die Regierung dem Kauf zugestimmt. Dann aber rollte eine Welle des Protests durch das Land.

Viele Abgeordnete hielten es für unverantwortlich, angesichts der Gefahr durch islamische Terroristen Häfen einem arabischen Staatsunternehmen in die Hand zu geben. Wegen des öffentlichen Drucks zog sich Dubai Ports World zurück.

Welle des Protests

Abgeordnete und Senatoren beider Parteien drängten daraufhin, die Regeln generell zu verschärfen. Seither prüft das CFIUS nicht nur 30 Tage, sondern mindestens 45 Tage.

Das Komitee muss seine Entscheidungen dem Kongress auf Wunsch genauer als bisher begründen, die Beteiligung der Geheimdienste wird formalisiert, dazu wurde die Liste der Objekte verlängert, bei denen CFIUS zwingend eingeschaltet werden muss, etwa bei Kraftwerken und Mautstraßen.

Ob eine ähnliche Kommission auch in Deutschland eingerichtet wird, ist noch unklar. Bislang denken die Koalitionäre nur darüber nach, bestimmte Bereiche vor dem Zugriff des Auslands zu schützen, etwa Betreiber von Telekommunikations- und Stromnetzen oder wichtigen Infrastruktureinrichtungen.

"bald DDR-Sozialismus in globalem Stil"

Dazu könnte das Außenwirtschaftsgesetz ausgeweitet werden, das bisher nur die Rüstungsindustrie schützt. Etwas anderes schwebt Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vor: eine Meldepflicht. Danach müssten Ausländer die Regierung informieren, wenn sie bei einem größeren Unternehmen einsteigen wollen.

Betroffen wären Firmen, die 500 Millionen Euro im Jahr umsetzen oder bei denen der Investor mehr als 25 Prozent erwerben möchte. Zugleich brachte er auch ein Veto-Recht der Regierung ins Gespräch. Damit findet Glos Beifall bei den Genossen.

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler kann einer Meldepflicht viel abgewinnen, er warnt aber vor zu viel Kontrolle. Deutschland sei von Auslandskapital abhängig, die Öl-Förderländer und China müssten ihre Milliarden hier anlegen dürfen und das Geld nicht einfach horten, sagt er: "Sonst herrscht bald DDR-Sozialismus in globalem Stil."

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