Gastronomie:Wie die Welt Trinkgeld gibt

Stolze Pariser, irritierte Japaner und freundliche Osteuropäer im Londoner Pub: Nicht überall auf der Welt erwarten Angestellte der Gastronomie Trinkgeld. Wie die Welt ihre Kellner belohnt.

Von den SZ-Korrespondenten

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Quelle: AFP

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Stolze Pariser, irritierte Japaner und freundliche Osteuropäer im Londoner Pub: Nicht überall auf der Welt erwarten Angestellte der Gastronomie Trinkgeld. Wie die Welt ihre Kellner belohnt.

Der gemeine Pariser Kellner hat Ähnlichkeit mit dem berüchtigten Berliner Busfahrer: Auch er steht im Ruf, nicht zu den freundlichsten Dienstleistern zu gehören. Ein "Garçon" in einer Pariser Brasserie, der etwas auf sich hält, reduziert den Austausch mit den Kunden aufs Nötigste, richtet den Blick dabei gelangweilt in die Ferne - und pfeift auf Trinkgeld. Ohnehin ist in Frankreichs Gastronomie der Service in der Rechnung inbegriffen: 15 Prozent vom Preis geht an die Bedienung. Es ist daher kein Affront, kein "pourboire" zu geben. Dennoch gelten auch in Frankreich - hat man es etwa mit einer charmanten Platzanweiserin zu tun oder mit einem beflissenen Kellner - bis zu zehn Prozent extra als angebracht. In Cafés lassen zufriedene Gäste dann diskret ein paar Münzen liegen. Eine Studie ergab jüngst allerdings, dass 16 Prozent der Franzosen gar nichts mehr springen lassen. Das liegt an der Krise, aber auch daran, dass fast nur noch per Karte gezahlt wird. Damit fehlt Kleingeld im Portemonnaie. Nur eine kleine Gruppe, die kaum mit französischen Kunden zu tun hat, kann ihr Gehalt dank Zuwendungen noch aufbessern: Pagen in Pariser Luxushotels verdoppeln dank Trinkgeldern ihr Einkommen.

Leo Klimm, Paris

A couple dines at a restaurant near Powell river on the upper Sunshine coast Vancouver coast and m

Quelle: imago/All Canada Photos

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Trinkgelder sind Ausbeutung. Denn würden Restaurants ihre Mitarbeiter fair bezahlen, bräuchte es das Zubrot nicht. So sieht es der Besitzer des Restaurants Smoke 'N Water auf der kanadischen Vancouver Island - und hat seinen Gästen das Trinkgeldgeben verboten. David Jones beteiligt seine Mitarbeiter stattdessen über den Grundlohn hinaus am Gewinn, damit Küchenangestellte davon genauso profitieren wie Kellner. Das Some 'N Water ist aber die Ausnahme in Kanada. Die meisten Restaurants zahlen ihren Mitarbeitern nur den Mindestlohn, das Trinkgeld ist daher sehr willkommen. Der Mindestlohn ist in jeder kanadischen Provinz unterschiedlich, im Durchschnitt liegt er etwa bei sieben Euro pro Stunde. Wer mit dem Service zufrieden ist, gibt 15 Prozent - das ist der nationale Standard. Doch weil das Rechenkunst erfordert, gibt es eine clevere Lösung: Wer mit Karte zahlt, wird maschinell gefragt: Wie viel Prozent Trinkgeld wollen Sie geben? Eine subtile Form, die Kunden zum Trinkgeldgeben zu bewegen. Weniger subtil wird es, wenn man Restaurants in größeren Gruppen überfällt. Aus Angst, dass dann keiner Trinkgeld gibt, rechnen die Kellner automatisch eine "Service Charge" ab. Ohne zu fragen.

Andrea Rexer, Vancouver

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Quelle: AFP

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Ein Ausländer zahlt im Restaurant und lässt etwas Wechselgeld liegen. Die Bedienung hätte mehr verdient, denkt er. Ohne gemeinsame Sprache bemühte sie sich um ihn; sie zeigte ihm sogar, wie man Seeschnecken isst. Aber man hatte ihm eingeschärft, in Japan bloß kein Trinkgeld zu geben. Wenigstens das Wechselgeld, denkt er sich und tritt zufrieden auf die Straße. Schon hechelt ihm die Bedienung hinterher, die Münzen in der Hand. Er habe das Wechselgeld vergessen. Was nach urbaner Legende klingt, ist manchen Japan-Neulingen schon passiert, weil sie sich trotz Ratschlägen großzügig oder dankbar zeigen wollten. Den Japanern ist das Konzept des Trinkgelds fremd: Sie geben keines, erwarten keines. Und schalten gar nicht, wenn man ihnen etwas geben will. Selber im Ausland, bereitet ihnen die Trinkgeldfrage großes Kopfzerbrechen. Einige Japaner finden sogar, man beleidige die Bedienung, wenn man Trinkgeld gebe: Sie bemühe sich auch ohne diesen Anreiz, ihren Job perfekt zu machen. Denn das verlange der Berufsstolz. Andere sind zu knapp oder zu knausrig, Kleingeld zu verschenken. Nur manche Taxifahrer nehmen es gerne und behalten somit ein paar Groschen.

Christoph Neidhart, Tokio

TO GO WITH STORY BY CHRIS WRIGHT

Quelle: AFP

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Ein Kellner, der mit dem Geldbeutel klimpert, bis die Gäste das Trinkgeld auf das Tellerchen mit der Rechnung legen - in Spanien geht das überhaupt nicht. Dafür ist man zu höflich und auch zu stolz. Auch versteht er nicht den Vorschlag deutscher Touristen, das Wechselgeld aufzurunden: "Geben Sie mir auf 20 Euro raus, por favor!" Das ist eben so wenig Usus. Die Regel ist ganz einfach: Die Rechnung kommt, der Keller geht. Der Kunde legt den Betrag oder seine Kreditkarte auf das Tellerchen, der Kellner nimmt es und geht wieder. Er bringt dann das Wechselgeld zurück oder kommt mit dem schnurlosen Kartenlesegerät. Dann geht er ein drittes Mal. Nun kann der Gast unbeobachtet in aller Ruhe seine "propina" auf das Tellerchen legen. Bei kleineren Rechnungen rund zehn Prozent, bei größeren reichen zwei, drei Euro. Ist der Gast verstimmt, gibt er nichts. Auf jeden Fall kann er nach der Entscheidung über das Trinkgeld den Blickkontakt mit einer unangenehmen Bedienung vermeiden. Denn die kommt erst zum Tisch zurück, wenn der Gast schon außer Sichtweite ist. Aber: In den Touristenhochburgen geht es weniger gelassen zu und der prekär arbeitende Kellner ist auf das Trinkgeld angewiesen.

Thomas Urban, Madrid

Olympics 2012 - Districts Of London - East End

Quelle: Getty Images

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In Großbritannien hat jeder anständige Kneipengänger seinen "local", seinen Stamm-Pub um die Ecke, den er regelmäßig aufsucht, um mit Nachbarn bei einem Pint über das Wetter zu fachsimpeln. Manchmal sehen die Männer und Frauen hinter der Theke - in London oft Studenten oder Einwanderer aus Ost- und Südeuropa - ihre Gäste so oft, dass sie schon vor der Bestellung wissen, wer welches Bier will. Getränke werden im Königreich an der Bar geordert, gezahlt und abgeholt. Das Pint Bier hat dabei häufig bemerkenswert krumme Preise, etwa 3,85 Pfund. Dies lädt dazu ein, der wohlbekannten Thekenkraft vier Pfund rüberzuschieben - verbunden mit dem Hinweis, sie könne den Rest behalten, als Trinkgeld. Doch damit gäbe man sich in Großbritannien eindeutig als kürzlich zugereister Ausländer zu erkennen: In Pubs kriegen die Leute hinter der Bar nie Trinkgeld. Ganz anders in Restaurants - da herrscht in vielen Betrieben Trinkgeld-Pflicht, ganz egal, wie unfreundlich die Kellnerin war. Auf den Rechnungsbetrag wird hier automatisch eine "Service Charge" von meist 12,5 Prozent draufgeschlagen. Immerhin: Dies erspart das Grübeln darüber, wie viel Trinkgeld denn wohl angemessen wäre.

Björn Finke, London

Fast Eddie's Bon Air

Quelle: Jakob Berr

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Trinkgeld ist für Amerikaner selbstverständlich. Ein Flaschenbier am Tresen? Ein Dollar. Ein Foto mit dem Krümelmonster am Times Square? Fünf Dollar. Eine Taxifahrt? 20 Prozent. Im Restaurant erntet fragende Blicke, wer weniger als 20 Prozent gibt - selbst bei miserablem Service. In manchen Kneipen verdienen die Kellner nur wenig Gehalt, sie sind auf das Trinkgeld - genannt Tip - angewiesen. Es gibt allerlei Anekdoten von Menschen, die von Kellnern zur Rede gestellt wurden, ob mit dem Service etwas nicht okay war, weil sie nur 15 Prozent Trinkgeld zurückließen. Die Ermittlung des Trinkgelds ist eine ziemliche Aktion. Die meisten New Yorker machen es sich einfach und verdoppeln die Restaurantsteuer, die auf der Rechnung steht, und schlagen sie auf den Gesamtpreis auf, den sie dann per Kreditkarte zahlen. In anderen Bundesstaaten ist die Steuer niedriger, da funktioniert der Kopfrechentrick nicht. Jedenfalls sagt man dem Kellner nie direkt, wie viel Tip man ihm gibt, sondern lässt entweder eine höhere Kreditkartenrechnung oder ein paar Scheine auf dem Tisch zurück. Wer sich bei Kellner beliebt machen will, gibt Bargeld - damit können sie leichter Steuern hinterziehen.

Kathrin Werner, New York

© SZ vom 28.8.2014/jab
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