Süddeutsche Zeitung

Gasanbieter:Streit mit harten Bandagen

Versorger streiten mit ihren Kunden immer häufiger um Preiserhöhungen. Nach einem Urteil zugunsten der Verbraucher wächst nun der Druck auf die Anbieter.

S. Uhlmann u. M. Völklein

Sie haben sich Zeit gelassen in der Gasag-Zentrale in der Berliner Voßstraße: Einen Monat lang haben die Juristen das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) geprüft; jetzt hat der Vorstand entschieden: Trotz des verlorenen Rechtsstreits um eine Preisklausel zahlt die Gasag kein Geld an ihre Kunden zurück. Damit droht dem Berliner Versorger eine Klagewelle. Gas-Streit mal anders - nicht Russland streitet sich mit den Nachbarn um den Rohstoff. Vielmehr zoffen sich Firmen mit Kunden.

Worum gehts? Die BGH-Richter hatten im Juli eine Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt, die die Gasag in verschiedenen Tarifen zu Lieferverträgen aus den Jahren 2005/2006 verwendet hatte. Diese Verträge hatte die Gasag mit über 300.000 Sondervertragskunden abgeschlossen. Zwar stellte die Firma die strittige Klausel Ende 2006 um, und mittlerweile sind Ansprüche aus dem Jahr 2005 verjährt, dennoch könnten sich nach Schätzungen von Experten die Rückforderungen an die Gasag auf einen dreistelligen Millionenbetrag summieren. Das würde den Versorger hart treffen: 2008 wies die Gasag bei einem Umsatz von knapp 1,2 Milliarden Euro einen Gewinn von 93 Millionen Euro aus.

Versorger unter Druck

Die Gasag aber will nicht zahlen. Vorstand Oleg Czernomoriez begründet das so: Der BGH, so Czernomoriez, habe zwar die bis Ende 2006 verwendete Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt. "Wichtig aber ist, dass die Kunden auch bei einer vom BGH unbeanstandeten Preisanpassungsklausel zu keiner Zeit einen anderen Preis bezahlt hätten", sagt er. Rückforderungsansprüche bestünden daher nicht. Schließlich hätten die Richter gerade dazu keine Entscheidung getroffen. Auch fehle im Urteil eine Bewertung zum Gaspreis selbst. Dagegen sei die Angemessenheit der von der Gasag vorgenommenen Preiserhöhungen in einer Vielzahl von Verfahren vor Berliner Gerichten bestätigt worden. Dennoch sind bereits jetzt knapp tausend Anträge auf Rückerstattung bei dem Unternehmen eingegangen.

Denn Verbraucherschützer raten genau dazu - nicht nur bei der Gasag, auch bei anderen Versorgern. "Fast alle Unternehmen haben in der Vergangenheit ähnliche Klauseln verwendet wie die Gasag", sagt Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Allerdings zeige das Beispiel Gasag, dass die Versorger mit harten Bandagen kämpfen: "Die hoffen darauf, dass sich die große Masse der Kunden nicht wehrt." Unter Umständen müssten die Verbraucher erneut vor Gericht ziehen um ihr Recht durchzusetzen. "Eine Rechtschutzversicherung im Rücken ist daher sinnvoll."

Sein Kollege Holger Krawinkel, Energiefachmann beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, fordert die Gasag daher zum Einlenken auf: "Der Widerstand lässt sich juristisch kaum durchhalten. Die Gasag täte gut daran, ihren Kunden eine Kompromisslösung anzubieten, um eine Klagewelle zu vermeiden." Zugleich raten die Verbraucherschützer den betroffenen Kunden, jetzt schnell zu handeln und per Einschreiben und Fristsetzung die aus ihrer Sicht zu viel entrichteten Beträge zurückzufordern. Ein Teil der Ansprüche verjähre zum Jahresende.

Ohnehin stehen die Gas-Versorger derzeit unter Druck: Politiker aller Couleur stören sich an den ihrer Ansicht nach zu hohen Gaspreisen. So hatte vor kurzem die Grünen-Bundestagsfraktion eine Studie vorgelegt, nach der die Versorger in diesem Jahr Preissenkungen nur zu zwei Dritteln an die Kunden weitergeben. Laut Studie hätten die Preise auf das gesamte Jahr gerechnet um 27 Prozent sinken müssen. Tatsächlich aber werde Gas in 2009 nur um 20 Prozent günstiger. Jeder deutsche Haushalt, der Gas bezieht, zahle im Durchschnitt 90 Euro zu viel.

Preiserhöhungen angekündigt

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sagte zu, die Vorwürfe zu prüfen. "Die Gaspreise sind auf dem tiefsten Stand seit 2007", sagte ein Verbandssprecher. Tatsächlich bewegen sich die Gaspreise seit Anfang des Jahres stetig nach unten - doch Verbraucherschützer erwarten bald eine Trendwende. Einige kleine Versorger kündigten bereits erste Preiserhöhungen an.

Verbraucherschützer und Politiker rufen daher die Kunden zum Handeln auf: Nach Ansicht der Grünen ist der mangelnde Wettbewerb auf dem Gasmarkt Schuld an den relativ hohen Preisen. Ähnlich wie beim Strom hätte die Bundesregierung auch beim Gasmarkt die "Auseinandersetzung mit den großen Platzhirschen" gescheut, befand jüngst Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Der baden-württembergische Verbraucherminister Peter Hauk (CDU) sagte, seit der Liberalisierung des Gasmarktes hätten erst fünf Prozent der Kunden gewechselt. Für einen funktionierenden Wettbewerb sei dies zu wenig.

Wer wechseln möchte, sollte einen Blick in seinen Gas-Vertrag werfen, rät Roland Pause von der Verbraucherzentrale Sachsen, und zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Aber nur, wenn dieser die Preise bereits gesenkt hat, eine Preisgarantie bietet und den Kunden nach spätestens einem Jahr Laufzeit wieder aus dem Vertrag herauslässt. Die Chance, einen günstigeren Anbieter zu finden, steigt übrigens mehr und mehr. Mittlerweile hat sich die Zahl der Regionen, in denen mehr als neun Gasversorger gegeneinander antreten, deutlich erhöht. Das zeigt eine Studie des Vergleichsportals Check24 (siehe Grafik).

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SZ vom 01.09.2009/tob
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