Garten:Es rollt

Lesezeit: 4 min

In Deutschland werden immer mehr Mähroboter verkauft. Intelligente Maschinen können auch die Blumen gießen - und bald sogar Unkraut rupfen. Das wirft Fragen auf.

Von Simone Gröneweg

Es ist noch gar nicht lange her, da war der Mähroboter noch eine kleine Sensation. Ein Gerät, das weitgehend autonom über den Rasen rollt, hätte man sich allenfalls in den vertrockneten Hipster-Gärten im Silicon Valley vorstellen können. Heute ziehen die kleinen Mähroboter in der deutschen Provinz mit aller Selbstverständlichkeit ihre Runden durch die Mittagssonne, surren vor sich hin und steuern nach erledigter Arbeit ihre Basisstation an. Und der Mähroboter könnte nur die Vorhut sein einer ganzen Armada technischer Geräte: Nach dem Haus wird nun der Garten smart.

"Der Bereich entwickelt sich derzeit sehr gut. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz mit Mährobotern europaweit um 35 Prozent gestiegen", berichtet Stefan Pohl, Sprecher des Industrieverbandes Garten. Wer sich die Prospekte von Gartencentern und die Internetseiten verschiedener Hersteller anschaut, kommt mitunter ins Staunen. Dort werden vernetzte Mähroboter angeboten, die selbst entscheiden, wann der Rasen gekürzt werden muss. Es gibt ausgeklügelte Bewässerungssysteme, die mit Sensoren und aktuellen Onlinewetterdaten arbeiten.

"Wir befinden uns in einer regelrechten Innovationsphase. Es ist vor allem die jüngere Generation, die technische Möglichkeiten auslotet und nutzt", berichtet Heribert Wettels, Sprecher des Gartengeräteherstellers Gardena. Er sagt: "Es gibt nicht den typischen Gartenbesitzer." Manche Menschen würden voller Begeisterung jäten, schneiden und harken. "Andere kaufen ein Haus und werden eher zufällig zum Gartenbesitzer", meint Wettels. Die sind am Ende wohl über jede Entlastung bei der Pflege des Gartens dankbar.

"Wenn manche Eigentümer ihre Außenanlagen betreten, geht quasi eine Lichtshow los."

Schon beim Rasenmähen hört für viele der Spaß oft auf. Wer einen Rasenmäher mühselig jede Woche über das Gelände schiebt, kommt schon mal ins Grübeln, wenn er beim Nachbarn einen Mähroboter sieht. Wenig verwunderlich, dass diese smarten Maschinen ausgerechnet Ältere für sich entdecken. Die Roboter mähen selbständig, Abgeschnittenes bleibt als Dünger liegen. Der Rasen ist in der Regel kurz und sieht meist besser aus. Ganz problemlos funktioniert die Umstellung vom herkömmlichen Mäher auf Roboter allerdings nicht immer; die richtige Installation der Basisstation und der Begrenzungen ist mitunter etwas schwierig. Über diverse Foren im Internet tauschen sich daher Besitzer über Fahrwinkel, Kabelverlegungen, Mähpläne und Akkulaufzeiten aus. Ein Nutzer will von den anderen etwa wissen, ob sie die Erste-Hilfe-Checkliste schon mal komplett durchgeführt haben, wenn der Rasenmäher spinnt. Gelegentlich zicken die kleinen Helfer also schon mal rum. Das weiß auch Andreas Becker, Leiter der Bayerischen Gartenakademie. "Viele benötigen für die Installation einen Fachmann. Hinzu kommt, dass die Roboter regelmäßig gewartet werden müssen", erzählt er.

Auch smarte Bewässerungssysteme gehören derzeit zu den beliebten Neuanschaffungen für den Garten. Der trockene Sommer im vergangenen Jahr hat die Nachfrage noch ordentlich befördert. "Sogenannte Versenkregner oder Sprenkler integriert man in den Boden, bei Bedarf fahren sie automatisch aus und wässern", erklärt Becker. Die Systeme arbeiten mit Onlinewetterdaten und Feuchtigkeitssensoren im Boden und lassen sich zum Teil auch per Smartphone steuern. Für Beete und Topfpflanzen verwendet man häufig Tropfschläuche, die sparsamer wässern. Die Technik übernimmt nicht nur das Wässern, sondern entscheidet auch über den richtigen Zeitpunkt. Wenn der digitale Wetterbericht zum Beispiel einen Regenschauer vorhersagt, lässt das Bewässerungssystem den Hahn erst mal zu. Es ist ja ohnehin so, dass in deutschen Gärten und Blumenkästen vermutlich mehr Pflanzen ertrinken als vertrocknen. "Pflanzen brauchen Stress. Das wissen nicht alle Gartenbesitzer", sagt Becker. Sträucher, Blumen und Bäume müssen trockene Phasen erleben, ansonsten bilden sie zu wenig Wurzeln aus. Wer ständig den Garten gießt, tut nicht unbedingt Gutes, sondern verschwendet vor allem Wasser. Ist die Software smarter als der Gärtner, können davon also die Blumen profitieren.

Aber natürlich nicht alles, was die Digitalisierung hervorbringt, ist ein Segen für den Garten. "Wenn manche Eigentümer ihre Außenanlagen betreten, geht quasi eine Lichtshow los", spricht der Gartenexperte Becker eine weitere Entwicklung an. Per Handy startet eine Choreografie, die Bäume und Blumen in verschiedenen Farben erleuchtet. Wer nachts eine Disco-Beleuchtung ums Haus erstrahlen lässt, tut Pflanzen und Tieren aber keinen Gefallen. Nachtaktive Insekten verlieren dadurch ihre Orientierung. Rüstet jemand seinen Garten technisch auf, sollte er also besser an mögliche Folgen für Pflanzen und Tiere (und Nachbarn) denken.

Wer etwas intensiver zu Flora und Fauna recherchieren will, findet im Internet viele Informationen. An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf gibt es zum Beispiel ein Forschungsprojekt zum Thema Software für den Gartenbau. Auf den Internetseiten findet man Onlinedatenbanken, die auch für Privatleute interessant sein können. Entdeckt ein Besitzer beim Gang durch das heimische Grün eine kränkelnde Pflanze, kann er sich dort zum Beispiel nach möglichen Ursachen erkundigen. Wer eine Gartenblume sieht, die er nicht kennt, kann ebenfalls in solchen Datenbanken recherchieren.

Der Unkrautroboter rupft alles raus, was kleiner als zweieinhalb Zentimeter ist

Andere technische Innovationen sind zwar eher nicht im Privatgarten sinnvoll, aber in großen Anlagen. So will ein Start-up aus Baden-Württemberg Bäume waagerecht an Wänden wachsen lassen. Durch eine spezielle Technik drehen die Pflanzen sich, wodurch sich auch die Lichtwahrnehmung verändert. Dadurch gibt es weniger Eigenbeschattung und mehr Blattmasse. Solche Produkte könnten künftig in dicht besiedelten Städten für mehr Grün sorgen. "Wenn es optimal läuft, hilft die Technik, das Wissen übers Gärtnern zu erhalten", sagt Becker. Gegen einen Unkrautroboter hätte er zum Beispiel nichts einzuwenden. "Damit würde man die chemischen Vernichter endlich überflüssig machen", sagt er. Voraussetzung: Der erkennt die Pflanzen und weiß genau, welche unerwünscht sind. In den Vereinigten Staaten gibt es schon einen Roboter, der Beete und vor allem Felder sauber hält. Allerdings arbeitet der Unkrautroboter noch ziemlich rabiat: Alle Pflanzen, die kleiner als zweieinhalb Zentimeter sind, werden radikal gerupft. Das Beispiel zeigt: Das Thema Naturschutz ist in der smarten Welt noch nicht wirklich angekommen. Gartenexperte Becker hätte da schon Ideen. Zum Beispiel die Entwicklung einer App, die zeigt, welche Unkräuter gut für die Umwelt und für Nützlinge sind.

Mähen, gießen, beleuchten und in Zukunft vielleicht Unkraut zupfen: Das ist bei nüchterner Betrachtung derzeit die überschaubare Spielwiese der Garten-Digitalisierung. Einen Roboter, der zu Hause die Hecken schneidet oder die Äpfel vom Baum holt, dürfte es jedenfalls so bald nicht geben. Vielleicht ja auch, weil sich manche über Technik im Garten so freuen wie über Mehltau auf der Kletterrose. Rasen und Beete sind eine der wenigen, entschleunigten Fluchtpunkte vor der digitalen Dauerberieselung. Die Arbeit im Garten finden laut einer Umfrage 90 Prozent der Befragten entspannender als Yoga. Ganz analog. Und ziemlich smart.

© SZ vom 01.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: