G-20-Treffen in Seoul:Auf ein Stündchen mit Obama

Die gedämpfte Art von US-Präsident Barack Obama passt nicht so recht zu den freundlichen Worten über seine "persönliche Bewunderung" für Kanzlerin Merkel. Und zur "starken Verbindung", die Deutschland und die USA miteinander hätten.

Nico Fried, Seoul

Manchmal hat man schon kein Glück, und dann kommt auch noch Angela Merkel dazu. Barack Obama wirkt ernst, ja angestrengt, um nicht zu sagen ein wenig muffig zu Beginn seiner Begegnung mit der Kanzlerin anlässlich des G-20-Gipfels in der südkoreanischen Hauptstadt. In einem fensterlosen Raum im Hyatt Hotel auf einem Hügel über Seoul stehen zwei deutsche und zwei amerikanische Flaggen vor einer dunkelblauen Stoffwand, der Präsident und die Kanzlerin sitzen auf zwei gepolsterten Stühlen, zwischen sich ein weißes Blumensträußchen. Es ist die schnell aufgebaute Kulisse für schöne Bilder, doch das Schauspiel wirkt zäh, nicht einmal die Scheinwerfer, die Obama und Merkel ausleuchten, können die Miene des Präsidenten aufhellen. Die Kanzlerin dagegen schaut eigentlich ganz zufrieden drein.

G-20-Treffen in Seoul: Merkel kann auch in aller Freundschaft ziemlich stur sein.

Merkel kann auch in aller Freundschaft ziemlich stur sein.

(Foto: AFP)

Vielleicht ist Obama nur ein wenig erschöpft, er reist schon seit Tagen durch Asien. Vielleicht hängt er in Gedanken noch seinem Gespräch mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao nach. Der war vorher da; für die Amerikaner ist er nie ein einfacher Gesprächspartner, noch viel weniger in diesen Wochen, da sich die beiden Regierungen um die Wechselkurse ihrer Währungen streiten. Vielleicht aber will Obama doch auch signalisieren, dass er sich gewundert hat über die harschen Reaktionen aus Deutschland auf die jüngsten Versuche in Washington, die Konjunktur endlich anzukurbeln. Und über den Widerstand gegen seinen Finanzminister Timothy Geithner, der plötzlich die Exportüberschüsse von Ländern wie China und Deutschland deckeln wollte.

Obama hat keinen Lauf

Was weiß man schon, jedenfalls passt Obamas gedämpfte Art nicht so recht zu den freundlichen Worten über seine "persönliche Bewunderung" für Merkel und der "starken Verbindung", die Deutschland und die USA miteinander hätten. Diesmal nudelt der Präsident das ein bisschen beiläufig runter.

Er hat aber auch wirklich keinen Lauf. Nach der Schlappe seiner Demokraten bei den Wahlen muss Obama sich und seine Regierung neu sortieren. Die Wirtschaft hat jetzt Priorität, sonst ist die Präsidentschaft in zwei Jahren futsch. Die Notenbank hat angekündigt, Anleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar zurückzukaufen, um günstiges Geld unter die Leute zu bringen. In Deutschland haben der Wirtschafts- und der Finanzminister das alles ziemlich deutlich kritisiert, und die Kanzlerin hat angekündigt, dass man in Seoul freundschaftlich mit Obama reden wolle. Allerdings kann Merkel auch in aller Freundschaft ziemlich stur sein. Denn die Deutschen finden das Risiko dieser Maßnahme erheblich größer als den Nutzen, der darin liegen soll, dass der Dollar billig bleibt und damit die Wirtschaft flottmacht.

Als die Journalisten den Raum verlassen haben, setzt sich Obama an den großen Konferenztisch und sagt, das Gute sei, dass man mit den Deutschen gleich eintauchen könne in die schwierigen Themen. Mit dem Chinesen habe er vorher zunächst zwanzig Minuten lang Floskeln der Höflichkeit ausgetauscht. Merkel antwortet: Diesmal hätte sie diese Freundlichkeiten ganz gern gehört. Es soll ein Scherz sein. In den ersten Minuten geht es noch mal ordentlich zur Sache, weil man sich nicht recht einig ist, wer angefangen hat, Unfreundlichkeiten über den Atlantik zu schicken. Man beschließt, sich besser abzustimmen. Beide hätten erkannt, sagt später ein Teilnehmer, dass andere es "genüsslich ausnutzen, wenn sich Amerikaner und Europäer nicht einig sind". Auch da sind wahrscheinlich wieder mal die Chinesen gemeint.

Ab und an ein Lacher

Dann ist es an Merkel, die fortwährende Kritik der Amerikaner am Handelsüberschuss Deutschlands zurückzuweisen. Feste Grenzen für die Spanne zwischen Exporten und Importen lehnt sie ab - sie setzt sich damit auch am Ende durch. Sie will auch nicht, dass die Überschüsse in China mit den Überschüssen Deutschlands verglichen werden, wo andere Produkte unter anderen Wettbewerbsbedingungen verkauft würden. Es muss der Kanzlerin seltsam vorkommen, dass sie hier um den freien Verkauf deutscher Produkte werben muss, nachdem sie nur wenige Stunden vorher dem südkoreanischen Präsidenten gegenüber saß, der das neue Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union pries: Die deutschen Exporte würden weiter wachsen, sagte Lee Myung-bak; deutsche Waren seien in Südkorea sehr begehrt.

Wirklich näher kommen sich Obama und Merkel bei diesem Thema nicht. Die Deutschen wehren sich dagegen, dass ein Land aus der EU quasi herausgezogen und angeprangert wird. Das sei so, sagt Merkel, als würde die deutsche Seite sich nur über Kalifornien beklagen. Die Deutschen wünschen zudem, dass auch andere Kriterien für die Bewertung von Exportüberschüssen herangezogen werden. Merkel will sich dabei an die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds halten. Darin steckt eine gewisse Ironie: Dem IWF wurde gerne vorgeworfen, zu USA-lastig zu sein. Jetzt zieht ihn Merkel als Kronzeugen gegen Überlegungen der amerikanischen Regierung heran.

Die Amerikaner dagegen wünschen sich, dass die Berliner Regierung mehr für die Binnennachfrage in Deutschland macht, damit dort mehr Produkte aus den USA gekauft werden. Als diese Forderung vor Monaten das erste Mal aufkam, hatte sich die Kanzlerin noch darüber lustig gemacht, dass nun 80 Millionen Deutsche den amerikanischen Export ankurbeln müssten. Diesmal ist sie ganz ohne jede Ironie bereit, das Thema in weiteren Gespräche zu beraten.

Immerhin wissen Menschen, die dabei waren, später zu berichten, dass insgesamt etwa vier Mal gelacht wurde. Das ist dann doch eine ganze Menge Fröhlichkeit für eine knappe Stunde mit Obama.

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