G-20-Gipfel:Weniger Risiko, weniger Krise

Die Erwartungen an den G-20-Gipfel sind groß: Der Grundstein für eine neue Architektur der Finanzmärkte soll gelegt werden. Die wichtigsten Fragestellungen im Überblick.

C. Gammelin u. A. Hagelüken

Vor dem Gipfel machen wichtige Politiker Hoffnung auf einen Erfolg: Auf eine neue Architektur von Regeln, die eine derart dramatische Finanzkrise wie derzeit verhindern soll. Es sieht aber ganz so aus, als ob in London selbst im guten Fall nur eine Menge Überschriften beschlossen werden - die entscheidenden Details kommen später. Und bei einigen Fragen gibt es selbst bei den Überschriften Streit. Eine Übersicht über die zentralen Fragen eines neuen Finanzsystems.

Wall Street, AP

Wall Street in New York: Eine neue Architektur der Finanzmärkte soll eine erneute Finanzkrise verhindern.

(Foto: Foto: AP)

Hedgefonds

Weltweit jonglieren tausende Hedgefonds mit mehr als einer Billion Dollar, ohne dass die Regierungen wissen, was sie da genau tun und welche Risiken sich dabei aufbauen. Deshalb wollen die G-20-Staaten künftig auch die Hedgefonds regulieren. Konkret wird es aber womöglich zunächst nur eine Verpflichtung geben, dass die wichtigsten Fonds sich registrieren lassen müssen, etwa 100 von 9000.

Während die Vereinigten Staaten bisher viel zögerlicher waren als Europa, werden sie jetzt zum Vorreiter. Finanzminister Timothy Geithner möchte den Fonds vorschreiben, mehr Eigenkapital für ihre Geschäfte aufzubauen. Damit könnten die Investoren nicht mehr so stark auf Pump spekulieren - das Geschäftsmodell, durch das sie ihren Kunden besonders hohe Renditen versprechen. Anders als die USA hat die EU-Kommission bisher noch keinen Vorschlag für die künftige Kontrolle von Hedgefonds vorgelegt. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy plant lediglich, europaweit eine Registrierungspflicht für Fondsmanager einzuführen. Eine entsprechende Richtlinie will er erst im Mai vorlegen. Weil dieses Jahr die Kommission und das EU-Parlament neu gebildet werden, dürfte das Gesetz erst nächstes Jahr in Kraft treten.

Eigenkapital

Im Prinzip haben sich alle Staaten darauf verständigt, die Risiken von Bankgeschäften zu senken - und die Geldhäuser zum Vorhalten von mehr Eigenkapital zu zwingen, damit sie in künftigen Krisen nicht mehr so leicht zusammenbrechen. Die Banken sollen Vorsorge betreiben, in dem sie in guten Zeiten Kapital ansammeln, das sie in schlechten Zeiten brauchen, wenn das Kapital durch Verluste schmilzt. Und: Banken sollen jene verbrieften (also in Wertpapiere gepackten) Kreditrisiken, die die Krise mit auslösten, nicht mehr so leicht weiterschieben können.

So weit, so eindeutig. Wie genau die Krisenprävention aussehen soll, ist angesichts vager Gipfel-Formulierungen weit weniger eindeutig. So will die EU-Kommission im April eine Eigenkapitalrichtlinie verabschieden lassen, die weniger ambitioniert ausfällt als angekündigt. Banken sollen nur fünf Prozent der Risiken selbst tragen, wenn sie verbriefte Kredite verkaufen - und sich selbst diese fünf Prozent sparen, wenn sie eine Garantieerklärung abgibt.

Die neue US-Regierung will die Banken dagegen verpflichten, zehn Prozent der Risiken selbst zu tragen. Völlig offen ist auch noch, wie viel Eigenkapital die Banken generell in ihren Bilanzen vorhalten sollen. Die nach langen Verhandlungen erreichten Basel-II-Vorgaben gelten inzwischen als zu gering. Ökonomen und Politiker diskutieren, ob wichtige Banken, deren Pleite das ganze Finanzsystem bedrohen würde, mehr Eigenkapital haben sollen. Und ob es für Kapitalmarkt-Geschäfte generell stärkere Kapitalzwänge geben soll.

Im zweiten Teil: Die zentralen Fragen bezüglich Leerverkäufen, Ratingagenturen und Bilanzen.

Leerverkäufe, Ratingagenturen und Bilanzen

Bilanzen

Vielen Banken leiden unter toxischen Wertpapieren, die sie am Markt nicht mehr verkaufen können und deren Wertverluste ihr Eigenkapital auffressen. Nicht mal eine Erleichterung bei den Bilanzregeln, wonach die Banken die Papiere teilweise nicht mehr auf ihren aktuellen Marktwert abschreiben müssen, hat das Problem gelöst. Das Thema ist zwischen Amerika und Europa immer noch umstritten. Ein Grund dafür ist, dass es immer noch keine anerkannte Methode dafür gibt, die Papiere zu bewerten. Der US-Finanzminister möchte Investoren Anreize geben, den Giftmüll aufzukaufen.

Ratingagenturen

Die drei großen Agenturen der Welt trugen zur Krise bei, weil sich Investoren auf ihre Bewertungen komplexer Papiere verließen - und damit reihenweise auf die Nase fielen. Wie genau künftig mit den Ratingagenturen umgegangen wird, ist noch offen. Die Europäer wollen, dass die Agenturen künftig nicht mehr gleichzeitig Kunden beraten und deren Produkte später bewerten dürfen. Mitarbeiter müssen nach einigen Jahren ausgetauscht werden, um Insidergeschäfte zu vermeiden.

Leerverkäufe

Spekulanten haben angeschlagene Geldhäuser unter Druck gesetzt, in dem sie auf den Verfall ihrer Aktien setzten. Viele Staaten haben Leerverkäufe daher vorübergehend verboten. Die G-20-Länder müssen sich einigen, wie sie in Zukunft mit diesen Geschäften umgehen.

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