G-20-Gipfel: Interview mit Bankenpräsident:"Kein Grundrecht auf Kredit"

Klare Spielregeln für die Banken - die erwartet Bankenpräsident Andreas Schmitz von den G-20-Staaten. Damit sollen es schwarze Schafe in der Branche schwerer haben.

Martin Hesse

Für die Finanzbranche zu sprechen ist zurzeit nicht die dankbarste Aufgabe. Bankenverbandspräsident Andreas Schmitz, 50, entscheidet sich für die Flucht nach vorn. Von den Regierungen der G-20-Staaten fordert er endlich klare Regeln für die Banken. Allerdings müssten auch Kunden und Gläubiger umdenken, findet Schmitz.

Verabschiedung Praesident des Bundesverbands deutscher Banken

Der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Schmitz, fordert klare Regeln für die Banken.

(Foto: ag.ddp)

SZ: Herr Schmitz, die Banken haben die Lehman-Krise noch nicht verdaut, jetzt drohen Verluste aus europäischen Staatsanleihen. Stehen wir vor einer neuen Bankenkrise?

Schmitz: Nein. Die Situation der deutschen Banken hat sich seit Anfang 2009 deutlich verbessert, wenn sie auch noch nicht zu alter Stärke zurückgefunden haben. Die Krise endet nicht wie ein Vulkanausbruch, sie setzt sich an immer neuen Stellen fort. Mit den staatlichen Haushalten erreicht sie nun den innersten Verteidigungsring der Volkswirtschaften.

SZ: Das Finanzsystem erweist sich als unverändert labil. Ist auf Seiten der Banken zu wenig passiert?

Schmitz: Es ist schon viel passiert. Die Banken haben ihr Eigenkapital verstärkt, die Liquiditätspuffer erhöht und ihr Risikomanagement verbessert. Aber die Dimension der staatlichen Schuldenkrise ist enorm. Ich glaube jedoch, dass die Beschlüsse der Regierungen zur Sanierung ihrer Haushalte die Märkte beruhigen werden.

SZ: Ist auch die Veröffentlichung des EU-Bankenstresstests ein sinnvoller Schritt, um die Märkte zu beruhigen?

Schmitz: Transparenz ist durchaus sinnvoll, weil sie Anlegern verdeutlicht, wem sie ihr Geld geben. Die Veröffentlichung des Stresstests kann Banken entlasten, die von den Märkten ungerechtfertigt in Mithaftung genommen werden.

SZ: Vergangene Woche haben Sie noch gesagt, eine Veröffentlichung des Tests sei weder sinnvoll noch rechtlich machbar.

Schmitz: In Deutschland müssen Banken einer Veröffentlichung zustimmen. Aber es ist illusorisch, dass sich jemand weigert, weil dann sofort die Vermutung im Markt wäre, er habe etwas zu verbergen. Ich bin aber skeptisch, ob der Test nach einheitlichen Methoden durchgeführt und ausgewertet wird. Doch nur dann ist er sinnvoll, nur dann werden Fehlinterpretationen vermieden. Zudem ist wichtig, dass die Regierungen dort, wo der Test Kapitalbedarf anzeigt, sofort eine Lösung anbieten.

SZ: Welche Erwartungen haben Sie an den G-20-Gipfel in Toronto?

Schmitz: Die Öffentlichkeit fragt drei Jahre nach dem Beginn der Krise: "Diskutiert ihr noch oder reguliert ihr schon?" Das Wichtigste für uns Banken ist, dass es klare Spielregeln gibt, die weltweit gelten und von allen beachtet werden.

SZ: Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen in Toronto eine Bankenabgabe durchsetzen. Ist das ein sinnvolles Instrument, um künftige Krisen abzufedern?

Schmitz: Es ist ein Teil, aber damit ist es nicht getan. Wir müssen das ganze System krisenfester machen. Zwei Dinge sind entscheidend: Die Banken brauchen mehr Eigenkapital, und wir müssen Mechanismen finden, wie Banken in die Insolvenz gehen können, ohne eine Systemkrise auszulösen und den Steuerzahler übermäßig in Anspruch nehmen zu müssen. Alles andere, ob Leerverkaufsverbot oder neue Bonusregeln, ist Begleitmusik.

SZ: Eine Bankenabgabe ist doch ein Placebo für das Volk. Es würde Jahre dauern, bis man genug eingesammelt hat, um eine Bank auffangen zu können.

Schmitz: Um die Basis zu verbreitern sollten nicht nur Banken, sondern auch Versicherungen und andere Kapitalsammelstellen mit der Abgabe belastet werden. Schließlich geht es um die Prävention künftiger Krisen. Niemand weiß, wo die auftreten, alle profitieren von der größeren Stabilität.

SZ: Weder eine Bankenabgabe noch die bestehende Einlagensicherung machen den Staat weniger erpressbar. Erst die Merkel-Garantie hat im Herbst 2008 einen Sturm auf die Banken verhindert.

Schmitz: Es mag immer Situationen geben, in denen eine Krise systemisch wird. Wir sollten aber die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, so klein wie möglich halten. Das geschieht in erster Linie durch Prävention. Wir Banken haben aus der Krise gelernt, dass wir Geschäfte mit zu wenig Eigenkapital gemacht haben, weil wir glaubten, mit den modernen Risikomanagementsystemen sei alles beherrschbar.

Schwarze Schafe aussortieren

SZ: Die Regulierer haben die Einführung neuer Kapitalregeln gerade verschoben. Ist das nicht das falsche Signal?

Schmitz: Regulatoren wie Banken stecken in einem Dilemma. Kreditinstitute brauchen einerseits mehr Eigenkapital, andererseits müssen sie den Investoren sagen, dass die Rendite eher noch geringer sein wird als in früheren Jahren, als deutsche Banken auch schon nicht besonders profitabel waren. Es können nicht alle regulativen Maßnahmen auf einmal kommen. Wenn man den Banken nicht Zeit gibt, würde das sofort Rückwirkungen auf die Kreditvergabe und die Industrie haben.

SZ: Die alten Geschäftsmodelle der Banken werden unter den künftigen regulatorischen Bedingungen nicht mehr funktionieren. Haben die deutschen Banken darauf schon eine Antwort?

Schmitz: Einige Banken haben sie, andere nicht. Ich erwarte einen viel stärkeren Wettbewerb um Einlagen, weil die Krise gezeigt hat, dass es zu riskant sein kann, sich in hohem Maße über andere Banken oder den Kapitalmarkt zu finanzieren.

SZ: Diesen Wettbewerb werden nicht alle überleben.

Schmitz: Das ist richtig. Aber man kann nun wirklich nicht sagen, dass es in Deutschland zu wenig Banken gibt.

SZ: Wie sollen Banken vom Markt verschwinden?

Schmitz: Bund und Länder haben einige Banken aufgefangen und ihnen Zeit gekauft. Wenn diese Institute kein Geschäftsmodell entwickeln, mit dem sie überleben können, sollten sie abgewickelt oder fusioniert werden.

SZ: Wie soll ein Insolvenzverfahren für Banken denn aussehen?

Schmitz: Unser Vorschlag ist dreistufig: Zunächst sollten die Banken versuchen, in Eigenregie ein Sanierungsverfahren einzuleiten. Geht das nicht, sollten sie unter Zuhilfenahme des Soffin und möglicherweise der Mittel aus einem Stabilisierungsfonds neu geordnet werden: Systemrelevante Teile werden in eine gute Bank überführt, eine Brückenbank wickelt den Rest ab. Für die Verluste müssen die Eigentümer und, wenn das nicht reicht, auch die Gläubiger und dann die Sicherungssysteme der Finanzwirtschaft geradestehen. Erst dann dürfte der Steuerzahler einspringen.

SZ: Aber bleibt die Ansteckungsgefahr für andere Banken nicht bestehen, wenn die Gläubiger fürchten müssen, ihr Geld zu verlieren?

Schmitz: Es wird Zeit, dass Gläubiger sich vorher überlegen, wem sie Geld geben und zu welchem Zins. Ein Problem war doch, dass es Banken gab, die Geld zu Zinsen erhielten, die für das jeweilige Risiko völlig unangemessen waren. Wir müssen auch unseren Kunden Preise abverlangen, die das Risiko widerspiegeln. Es gibt kein Grundrecht auf einen günstigen Kredit. Wir haben in Deutschland für Privatkunden eine der besten Versorgungslagen in ganz Europa. Ich habe gleichwohl das Gefühl, dass in keinem anderen Land die Banken so an den Pranger gestellt werden wie in Deutschland.

SZ: Aber die Leute haben nun einmal die Erfahrung gemacht, dass viele Banken sie über den Tisch gezogen haben, etwa mit Lehman-Zertifikaten.

Schmitz: Viele Banken? Es kann nicht sein, dass wir von ein oder zwei Prozent des Marktes in Sippenhaft genommen werden. Wir müssen lernen, schwarze Schafe auszugrenzen, sei es bei privaten Banken, Sparkassen oder Volksbanken, die sich vielleicht legal, aber nicht legitim im Markt bewegen.

SZ: Halten Sie es für richtig, bestimmte Finanzinstrumente wie Leerverkäufe zu verbieten?

Schmitz: In extremen Marktsituationen kann es sinnvoll sein, bestimmte Instrumente für eine gewisse Zeit zu verbieten. Grundsätzlich bin ich aber gegen Verbote. Wichtig ist Transparenz: Für Derivate sollte ein Zentralregister existieren, sie sollten über "Zentrale Kontrahenten" abgerechnet oder mit mehr Kapital unterlegt werden.

SZ: Aber auch bei diesem Thema bewegt sich bisher nichts.

Schmitz: Ich bin guter Hoffnung, dass diese Themen in Toronto einen Schritt nach vorne gebracht werden.

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