G-20-Gipfel in Seoul:Zoff statt Einigkeit

Globaler Währungsstreit, schärfere Regeln für die Banken und eine Reform des Internationalen Währungsfonds: Die Agenda zum G-20-Gipfel in Seoul ist lang. Um was geht es genau? Ein Überblick.

Martin Hesse und Catherine Hoffmann

Überraschend einmütig haben die führenden Industrie- und Schwellenländer die tiefste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression bekämpft. Doch nun, da lockere Geldpolitik und gewaltige Konjunkturprogramme ihre Wirkung entfalten, herrscht Streit darüber, wie stark künftig kooperiert werden soll. Die G-20 haben noch viel zu tun. Ein Überblick über die wichtigsten Themen.

G-20-Gipfel in Seoul: Haut der Chinese den Dollar kaputt? Der Wert der chinesischen Währung Yuan wird auch in Seoul diskutiert.

Haut der Chinese den Dollar kaputt? Der Wert der chinesischen Währung Yuan wird auch in Seoul diskutiert.

(Foto: AFP)

Währungskonflikt

China und die USA führen einen erbitterten Disput über den Wert der chinesischen Währung Yuan, den die US-Regierung als zu niedrig ansieht. Washington wirft China vor, den Yuan-Kurs zu manipulieren, um den heimischen Exporteuren mit günstigen Preisen auf dem Weltmarkt zu helfen. Der chinesische Präsident Hu Jintao fürchtet dagegen, dass die USA mit ihrer Dollarschwemme die gewaltigen Währungsreserven der Volksrepublik gefährden, die überwiegend in amerikanische Staatsanleihen investiert sind. Erst in der vergangenen Woche hat die US-Notenbank beschlossen, weiter im großen Stil Dollar zu drucken. Eine Einigung in dem bilateralen Streit, etwa auf einen angemessenen Wechselkurs, dürfte schwer zu erreichen sein.

Unwucht im Welthandel

Dringend gesucht ist eine Lösung für die großen globalen Ungleichgewichte. Der Vorwurf der USA: Insbesondere chinesische, aber auch deutsche Exportunternehmen hätten zu sehr auf den amerikanischen Verbraucher vertraut, der mit seinem Konsum auf Pump andernorts hohe Wachstumsraten garantiert habe. US-Finanzminister Timothy Geithner möchte auf internationaler Ebene Obergrenzen für Leistungsbilanzdefizite und -überschüsse vereinbaren. Als ersten Schritt wollen die USA in Seoul einen Frühwarnmechanismus installieren, der bei exzessiven Ungleichgewichten anschlägt. Überschussländer sollten Binnenkonsum und Investitionen stärken. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt dies vehement ab. Leistungsbilanzen seien auch Leistungszeugnisse. "Unsere Exporterfolge belegen, wie wettbewerbsfähig deutsche Produkte sind", so Merkel.

Bankenregulierung

Einig werden sich die G-20 voraussichtlich über neue Regeln für Banken. Die internationalen Bankenaufseher haben festgelegt, wie viel Kapital Kreditinstitute künftig vorhalten müssen, um sich gegen mögliche Verluste zu wappnen. Die wichtigste Kenngröße, das harte Kernkapital, soll von zwei Prozent auf 8,5 Prozent steigen. Die Staatschefs dürften diesen Regeln zustimmen. Die Gipfelteilnehmer wollen außerdem mehr Transparenz bei Derivate-Geschäften schaffen, die bislang außerhalb von Börsen laufen. Zudem soll diskutiert werden, wie künftig systemisch wichtige Finanzinstitute beaufsichtigt werden sollen und wie man die Folgen einer Pleite einer globalen Bank in den Griff bekommt. Deshalb will die Staatengemeinschaft ein Modell für eine geordnete Abwicklung solcher Banken entwickeln, das grenzüberschreitend und damit in unterschiedlichen Rechtsräumen gelten kann. Darüber ist aber noch keine Einigung zu erwarten.

Globaler Aufschwung

Strittig ist unter den Industriestaaten auch, wie man einerseits den globalen Aufschwung verstetigen und andererseits die Konjunkturhilfen der Krisenzeit reduzieren kann. Deutschland und andere Länder machen sich dafür stark, dass die milliardenschweren Konjunkturprogramme auslaufen. Sie suchen eine sogenannte "Exit-Strategie". Die Europäer stellen - auch wegen der Euro-Schuldenkrise - die Sanierung ihrer Haushalte in den Vordergrund. Sie verlangen vom G-20-Gipfel erneut ein entsprechend klares Signal, dass damit überall begonnen wird. Aber die USA mit ihrer relativ hohen Arbeitslosigkeit und einer schwachen Konjunktur setzen weiter auf Milliardenhilfen durch Notenbank und Staat.

Und vieles mehr

Vor allem Deutschland setzt sich dafür ein, weltweit eine Finanztransaktionssteuer auf alle Börsengeschäfte einzuführen. Doch die Regierung beißt damit auf Granit, nicht nur in den USA. Die Abgabe würde alle Marktteilnehmer treffen: Sie müssten Sätze von 0,01 bis 0,05 Prozent auf den Wert einzelner Transaktionen zahlen. Wichtig ist Deutschland zudem, dass die seit Jahren schleppenden Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels ("Doha-Runde") einen neuen Impuls bekommen. Kanzlerin Merkel sieht im Protektionismus die größte Gefahr für ein nachhaltiges Wachstum. Gastgeber Südkorea möchte zudem für ein globales Sicherheitsnetz gegen Kapitalmarktkrisen werben.

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