Frühjahrsputz:Reine Kopfsache

Es ist gar nicht so einfach, sich von Dingen zu trennen. Die Folge: Die Erinnerungen stapeln sich zu Staubfängern. Zum Glück gibt es Profis, die beim Entrümpeln, Umgestalten oder eben beim Saubermachen helfen.

Interview: Doris Näger

Die Wohnung: sonnendurchflutet, wohlgestaltet, viele freundliche Details. Die Frau: ein weicher Gesichtsausdruck, eine ruhige Stimme. Petra Gabriele Wegmann liebt, was vielen Menschen so schwerfällt: aufräumen, putzen, entrümpeln, umgestalten. "Schon als Kind habe ich diese Rolle der Familie übernommen", sagt Wegmann. Heute hilft sie unter dem Namen "Aloha Coaching" ihren Kunden beim Entrümpeln und Umgestalten.

SZ: Es ist die Zeit des Frühjahrsputzes. Sie haben momentan sicherlich viel zu tun.

Wegmann: Die Lust und Laune, im Frühling etwas zu tun, ist für uns alle viel größer als im Winter. Wir haben Lust, die Fenster aufzumachen und Licht rein zu lassen. Wir Menschen haben das Bedürfnis nach anderen Farben, staubfreien Zonen und Lust, uns wieder freier zu bewegen.

SZ: Warum fällt einem das vor allem im Frühjahr ein?

Wegmann: Im Frühling beginnt eine Zeit der Veränderung. Das Licht lässt die Pflanzen wachsen und stimuliert in uns Menschen die Hormone. Der Körper verändert sich.

SZ: Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?

Wegmann: Ich unterhalte mich mit dem Kunden darüber, was er braucht. Ich arbeite dabei sehr personenbezogen und schaue: Was braucht der Mensch äußerlich und was braucht er im Innern. Im Vordergrund steht immer seine Eigenständigkeit und Selbstverantwortung. Ich gehe mit dem Kunden von Raum zu Raum und wir besprechen, was wie möglich ist, welche Farben und Formen er mag, was ihm am liebsten ist. Vielleicht hat er eine Idee, ansonsten mache ich ihm Vorschläge - eine gemeinsame Planung also, und dann schreiten wir zur Tat.

SZ: Was verändern Sie zum Beispiel?

Wegmann: Es kann sein, dass wir etwas umstellen, dass wir zunächst mal einen Raum komplett ausräumen, um ihn ganz neu zu gestalten. Es kann sein, dass wir auch zusammen eine Runde putzen - je nach dem, worum es gerade geht. Erst mal den ganzen alten Staub raus, damit überhaupt Neues entstehen kann.

SZ: Und Sie entrümpeln auch.

Wegmann: ja, das tun wir gemeinsam. Nur der Kunde selbst kann entscheiden, ob er dieses Buch, dieses Deko-Stück, diese Unterlagen noch braucht oder nicht.

SZ: Und was hat das nun mit dem Inneren zu tun?

Wegmann: Das innere Entrümpeln läuft parallel. Während wir gemeinsam ein Regal ausräumen, nimmt der Kunde sozusagen seine eigene Geschichte in die Hand und muss sich mit seiner Vergangenheit beschäftigen. Das eine ist nicht vom anderen zu trennen. Innen wie Außen - Außen wie Innen. Wenn jemand beschließt, er möchte gerne Ordnung schaffen, möchte sich von seinem Chaos befreien, dann steht immer eine Veränderung an.

Er fühlt sich verstaubt, eingeengt, kann so nicht weiter gehen. Häufig geschieht dies auch nach einer Trennung vom Partner, einem beruflichen Neubeginn oder nach einer Krankheit. Wenn der Kunde beginnt, von sich zu erzählen, dass er etwas ändern möchte oder muss, stelle ich ihm ein paar Fragen dazu.

Reine Kopfsache

SZ: Was fragen Sie?

Wegmann: Wie lange haben Sie diesen oder jenen Gegenstand schon? Welche Bedeutung hat er für Sie jetzt noch? Brauchen Sie ihn wirklich noch? Bei manchen Dingen ist es offensichtlich, dass sie dem Menschen eher im Weg stehen. Oft ist es einfach Gewohnheit. Beim Aufräumen, Weggeben, Verändern ist eine Illusion zu Ende, eine Erinnerung an bestimmte Geschichten. Das loszulassen, ist scheinbar schwierig, aber gemeinsam ist es leichter.

SZ: Ein Beispiel?

Wegmann: Ein Mann hat mich engagiert, um mit mir sein Büro aufzuräumen und neu zu gestalten. Während der Arbeit waren wir auch in seinem Keller. Ein großer Raum, in dem ganz ordentlich 60 Kartons stehen, sorgfältig gestapelt. Darin befand sich seine komplette Vergangenheit. Es brauchte einige Zeit, bevor er bereit war zu begreifen, dass es wichtig ist, seine Vergangenheit zu entrümpeln, um für seinen beruflichen Neubeginn klare Entscheidungen treffen zu können. Er hatte große Angst davor. Er fragte: "Und was ist, wenn der letzte Karton ausgeräumt ist?" Wenn das getan ist, kann er beruflich und privat die Schritte gehen, die er sich wünscht, sich bisher nur noch nicht wirklich getraut hat.

SZ: All die Fragen, was bewirken die?

Wegmann: Bei manchen ist es, als würde man den Korken aus der Sektflasche ziehen. Auf einmal geht es ganz leicht: Zackzack, das und das weg, das verschenken, das verkaufen, irgendwelchen Freunden weitergeben. Oder noch mal ein halbes Jahr unterstellen. Es ist immer wieder schön zu sehen, was innerhalb von einem Tag entsteht. Die Menschen fühlen sich ein ganzes Stückchen leichter. Man sieht es ihnen sogar oft im Gesicht an, hat also auch eine wunderbare Nebenwirkung - es macht schön!

SZ: Gibt es auch hoffnungslose Fälle?

Wegmann: Nicht unbedingt, es ist eine Herausforderung, zum Beispiel wenn jemand unter dem Messie-Syndrom leidet. Es ist mir wichtig, das Ordnungs- und Denksystem des anderen Menschen zu erfassen, damit nicht am nächsten Tag wieder das gleiche Chaos herrscht wie am Tag davor. Und es gibt auch Menschen, die Schönheit und Harmonie zunächst nicht ertragen, weil sie bestimmte Themen noch nicht bearbeitet haben. Das braucht manchmal eine stufenweise Entwicklung, ist aber so gesehen nicht hoffnungslos.

SZ: Wie kamen Sie dazu, den Menschen beim Ordnen, Entrümpeln und wie selbst sagen, Freiraum schaffen, zu helfen?

Wegmann: Schon als Kind war es eine Eigenheit von mir, in Räumen, die nicht wirklich schön waren, mit kleinen Dingen etwas zu verändern - einer Blume, einem Stück Stoff oder indem ich Möbel umgestellt habe. Für Familienfeste habe ich so manches Mal den Tisch gedeckt, von anderen Leuten wurde ich eingeladen und gefragt: ¸¸Wie würdest Du diesen Raum für mich gestalten?" Nach meiner Zeit als Krankenschwester und Pharmareferentin begann ich, Menschen ganzheitlich zu beraten und zu begleiten. Es ist für mich nie eine Frage des Geldes, ob etwas schön und harmonisch sein kann. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die einen sehr großen Effekt haben. Mit meinen Erfahrungen auf Hawaii habe ich dann meinen eigenen Stil kreiert. Die Idee dahinter ist, die Kräfte des Chaos, der Veränderung und der Bewegung mit den Kräften der Ordnung, der Ruhe und der Form in Balance zu bringen.

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