Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus:Hetzjagd auf einen Heiligen

Mohammed Yunus hat dafür gesorgt, dass auch viele arme Menschen Kredite bekommen. Heute verteufeln ihn seine Kritiker - und steht Yunus in Bangladesch vor Gericht. Die Klage gegen ihn betrachten viele als politisch motiviert.

Alina Fichter

Es ist der Absturz eines Heiligen: Mohammed Yunus, Erfinder der Mikrokredite, ist in seiner Heimat Bangladesch angeklagt. Das Leben in einer Gefängniszelle bleibt ihm zwar vorerst erspart - er hinterlegte eine Kaution, und die Verhandlung wurde auf Mitte Februar vertagt. Aber die Vorwürfe, denen er sich ausgesetzt sieht, sind eines Friedensnobelpreisträgers gewiss nicht würdig: Verleumdung, üble Nachrede, Korruption.

Friedensnobelpreisträger Mohammed Yunus: Mohammed Yunus steht in Bangladesch vor Gericht.

Mohammed Yunus steht in Bangladesch vor Gericht.

(Foto: AFP)

Der Prozess gegen den 70-Jährigen ist der Höhepunkt einer Krise, die Yunus' Lebenswerk seit einigen Monaten erschüttert. Einst verkündete er, seine Mikrokredite würden die Armut ins Museum verbannen - als Ausstellungsstück, für das in der Wirklichkeit kein Platz mehr ist.

1983 hatte Yunus die Grameen Bank geschaffen, das erste Geldinstitut, das Armen Darlehen gewährt, mit denen sie Unternehmen gründen und sich aus der Armut befreien können. 2006 erhielt er den Nobelpreis für die Idee. Sie wurde als Allheilmittel gefeiert, Yunus wie ein Heiliger verehrt. Heute verteufeln ihn seine Kritiker. Was ist geschehen?

Dass am 18. Januar ein Gerichtsprozess gegen den Wirtschaftsprofessor eröffnet wurde, könnte einen politischen Hintergrund haben: Der Vater zweier Töchter hatte sich vor vier Jahren abschätzig über die Herrschenden seines Landes geäußert. Sie seien bloß hinter dem Geld her, soll er gesagt haben, eine Ideologie besäßen sie nicht.

Nun gehört Bangladesch nachweislich nicht nur zu den ärmsten, sondern auch zu den korruptesten Ländern der Welt. Immer wieder verschwinden Steuer- und Hilfsgelder in dunklen Kanälen. Aber so etwas lassen sich die Mächtigen nicht gerne vorhalten. Ein Lokalpolitiker reichte die Klage wegen Verleumdung ein. Womöglich kein Zufall: Seine Linkspartei koaliert mit der regierenden Awami Liga. Und der Premierministerin Sheikh Hasina ist Yunus schon länger ein Dorn im Auge.

2007 hatte der nämlich seine eigene Partei gegründet, er nannte sie Nagarik Shakti, Bürgermacht. Ihr Ziel: Die Korruption zu bekämpfen, die Regierung zu Reformen zu bewegen. Premierministerin Hasina wandelte sich daraufhin von einer Verfechterin von Yunus' Idee zu seiner ärgsten Feindin. Mikrokreditgeber seien "Blutsauger der Armen", sagte sie - und zog in einen Krieg, dessen jüngste Wendung der Verleumdungsprozess ist.

Der Missbrauch seiner Idee

Bereits im November hatte Premierministerin Hasina eine Untersuchungskommission eingesetzt, die Yunus' Grameen Bank durchleuchten soll. Anlass war ein norwegischer Dokumentarfilm gewesen, in dem anklingt, Yunus könnte in den neunziger Jahren Hilfsgelder aus Oslo veruntreut haben.

Die norwegische Regierung bezeichnete die Vorwürfe zwar sofort als haltlos. Das hielt Hasina aber nicht davon ab, einen 60 Prozent hohen Anteil an der Grameen Bank für die Regierung einzufordern. Kurz darauf kursierten Gerüchte, der Nobelpreisträger werde sich von allen Ämtern zurückziehen; er selbst dementierte das allerdings.

Die Vorgänge in Bangladesch scheinen also größtenteils politisch motiviert zu sein. Macht in der Grameen Bank zu besitzen bedeutet auch, Einfluss auf weite Teile der Bevölkerung zu haben. Mehr als ein Drittel der Bengalen hat regelmäßig mit der Bank zu tun. Und Yunus mag in seiner Popularität den Herrschenden als Gefahr erscheinen.

Zweifelsohne steckt aber das Mikrokreditwesen, einst als Wunderwaffe der Armutsbekämpfung gepriesen, in einer tiefen Krise. Im indischen Staat Andhra Pradesh zündeten sich Dutzende Frauen an - aus Verzweiflung darüber, dass sie ihre Mikrokredit-Schulden nicht mehr begleichen konnten. Seitdem prangern Kritiker Yunus Idee als Teufelszeug an, den Erfinder als Satan.

Der Hype um Yunus' Idee hatte vor allem in Indien zu viele Anbieter auf den Markt gelockt, die jetzt um Kunden kämpfen. Sie drängen den Armen teils mehrere Kredite zu horrenden Zinsen auf. Einige Organisationen gingen gar an die Börse und versprachen ihren Anlegern zweistellige Renditen. "Das hat mit meiner Ursprungsidee nichts mehr zu tun", wehrt sich Yunus gegen die Vorwürfe und fordert, den überhitzten Mikrokreditmarkt zu regulieren.

Experten sehen in der Krise die Chance, das Konzept der Mikrokredite nun nüchtern weiterentwickeln zu können und von manchem Fehler zu befreien. Dazu gehört es, die Darlehen gebenden Organisationen strengeren Kontrollen zu unterwerfen; in Indien ist ein entsprechendes Gesetz auf dem Weg. Zudem sollen die Kreditnehmer künftig geschult werden. Ein Wundermittel gegen die Armut gibt es eben nicht.

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