Frankreich:Schulden-Tourismus mit Hindernissen

Im Elsass gilt ein in Europa einmaliges Insolvenzrecht, viele Pleitiers wollen sich dort ihrer Gläubiger entledigen - auch mit Tricks, die Frankreichs Justiz nicht gerne sieht.

Reinhold Rühl

Ferfried Prinz von Hohenzollern scheut normalerweise keinen Auftritt in der Gesellschaftspresse. Vor zwei Jahren ließ sich der 64-Jährige zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Tatjana Gsell für die Bunte in einer nicht ganz kitschfreien Fotoserie ablichten.

Straßburg; AFP

Schuldnerparadies: In Straßburg im Elsass gilt ein in Europa einmaliges Insolvenzrecht.

(Foto: Foto: AFP)

Im Privatsender RTL 2 setzte der Prinz aus altem Adel noch einen drauf, präsentierte sich mit der 36-jährigen Schönheitschirurgen-Witwe in der schrillen Dokuserie "Tatjana & Foffi - Aschenputtel wird Prinzessin".

Seit einigen Monaten ist es ruhig geworden um den mittlerweile wieder solo lebenden Hohenzollern-Prinzen. Denn "Foffi" - so sein Spitzname in der Berliner Bussi-Gesellschaft - hat klammheimlich seinen ersten Wohnsitz von der Spree an den Rhein verlegt.

In der Rue de Fossé des Tanneurs in Straßburg bezog der ehemalige Rennfahrer ein bescheidenes Appartement. Ihn lockte nicht so sehr die Aussicht auf das nahegelegene Münster. Der Party-Prinz nutzt ein in Europa einmaliges Insolvenzrecht.

Denn Foffi ist pleite: Fast 300.000 Euro Steuerschulden hätten sich angehäuft, bestätigt seine Agentin Simone Döhring in Berlin. Es sei "völlig utopisch", dass der Adelsspross diesen Schuldenberg jemals abbauen könne.

1000 Deutsche im Jahr

Das stimmt nicht ganz. Sechs Jahre dauert in Deutschland ein Privat-Insolvenzverfahren. Während dieser Zeit gehen alle Einnahmen oberhalb der Pfändungsgrenze an die Gläubiger. Nach dieser Zeit des Wohlverhaltens wäre der Prinz zwar von seiner Restschuld befreit. Aber über 70.

Keine gute Prognose für einen Lebemann, der noch vergangenes Jahr beim 24-Stunden-Rennen über den Nürburgring brauste. Im Elsass könnte es der Schuldenflüchtling bereits nach einem Jahr schaffen, seine Gläubiger auszubremsen: Hier gilt aufgrund der besonderen historischen Situation im Gegensatz zum restlichen Frankreich ein lokales Sonderrecht, das auch Privatpersonen ein Insolvenzverfahren im Schnelldurchlauf ermöglicht.

Und zwar völlig legal, wenn der Schuldner mindestens sechs Monate einen festen Wohnsitz in den Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin oder La Moselle nachweisen kann. Der besondere Clou: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes ist ein Insolvenz-verfahren, dem sich ein im EU-Ausland lebender deutscher Staatsbürger unterwirft, grundsätzlich auch in Deutschland anzuerkennen. Das hat sich nicht nur in Adelskreisen herumgesprochen.

Schulden-Tourismus mit Hindernissen

Auch gescheiterte Wirtschaftsbosse haben die feine Lebensart jenseits der deutschen Grenze entdeckt. Christian Neuling zum Beispiel, früher Chef der Aubis-Gruppe und eine Schlüsselfigur der Berliner Bankenaffäre, soll bereits vor zwei Jahren seinen Wohnsitz ins Elsass verlegt haben, um seine Verbindlichkeiten gegenüber dem deutschen Finanzamt und seine persönlichen Bürgschaften für Darlehen loszuwerden, die er einst als Geschäftsführer aufnahm.

Bisher wandern pro Jahr maximal 1000 finanziell klamme Deutsche nach Frankreich aus, schätzt Anne Sahm von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Das ist zwar nur ein winziger Teil der rund 7,3 Millionen Menschen, die in Deutschland überschuldet sind.

Die Bundesregierung plant jedoch eine Ände-rung des Insolvenzrechts, in dem eine Verlängerung des Entschuldungsverfahrens auf acht Jahre vorgesehen ist. Das könnte den Insolvenztourismus beschleunigen. Schon jetzt warten viele Pleitiers monatelang auf einen Termin in einer Schuldnerberatungsstelle, der für die Einleitung eines Privat-Insolvenzverfahrens in Deutschland vorgeschrieben ist.

In dieser Situation greifen sie oft nach jedem Strohhalm, wie zum Beispiel einschlägige Kleinanzeigen in Zeitungen: "Schuldenfrei in zwölf Monaten durch Privat-Insolvenz im Ausland". So oder ähnlich lauten auch die Werbesprüche im Internet. Unter dem Suchwort "Frankreich-Insolvenz" erscheinen allein bei Google rund 30 Anbieter von Dienstleistungen rund um den Schul-dentourismus.

Paket für 16.000 Euro

Einer dieser Inserenten ist Klaus Reinhardt, Geschäftsführer der Euro-Servicecenter Ltd. Auf seiner Internetseite wirbt der 45-Jährige unverblümt für einen Umzug nach Frankreich: "Machen Sie den ersten Schritt in ein schuldenfreies Leben."

Pro Monat erhalte er etwa 40 Anfragen per E-Mail. "Für mehr als 90 Prozent dieser Ratsuchenden kommt ein Umzug aber nicht in Frage", sagt Reinhardt. Menschen, die unter 60000 Euro Verbindlichkeiten haben, schickt er gleich zum Schuldnerberater.

Verständlich, das Gros der deutschen Privatschuldner kann den Betrag ohnehin nicht aufbringen, den Reinhardt verlangt: 16000 Euro berechnet die Vermittlungsagentur für ein "All-inclusive-Paket". Weniger betuchten Kunden bietet die Firma ein "Self-Made-Konzept" für 499 Euro an. Dessen Inhalt: ein Beratungsgespräch und eine Broschüre.

Wer die Variante "Alles inklusive" wählt, wird dagegen von Reinhardts Vertragspartnern in Straßburg betreut. Die Agentur besorgt einen deutschsprachigen Rechtsanwalt und für mindestens 18 Monate eine - auf Wunsch - möblierte Wohnung.

Schulden-Tourismus mit Hindernissen

Die EU-Metropole ist dabei erste Wahl, obwohl hier die Mieten wesentlich teurer sind als im Umland. "Unsere Kunden", sagt Reinhardt, "bevorzugen die Anonymität". Dennoch reicht eine Briefkastenadresse nicht aus. Zwar gibt es in Frankreich keine Meldepflicht, der Neubürger muss aber im Insolvenzverfahren nachweisen, dass er seinen Lebensmittelpunkt in dem betreffenden Departement hat.

Deshalb kümmert sich die Agentur auch um die Anmeldung zur Wohnungssteuer, Verträge mit der französischen Telekom oder um einen Energieversorger. Der Schuldenflüchtling sollte Rundfunkgebühren zahlen, möglichst einem Verein beitreten und "einen entsprechenden Stromverbrauch nachweisen", rät Reinhardt seinen Kunden. Manch einer soll dabei schon auf die Idee gekommen sein, den Stromverbrauch mit einer Zeitschaltuhr zu erhöhen.

Lückenlose Nachweise verlangt

Solche Tricks werden in einschlägigen Internet-Foren ernsthaft diskutiert. So warnen selbsternannte Experten davor, möblierte Wohnungen anzumieten, da in Frankreich fast immer "eine Strom-/Wasserpauschale im Mietpreis enthalten ist", der Nachweis also nur schwer zu erbringen sei.

Verpönt ist auch die Einrichtung von Nachsendeanträgen und telefonischen Rufumleitungen. Das fällt schnell auf. Die Insolvenzrichter forderten ohnehin "lückenlose Nachweise", weiß Emelie Wider aus der Kanzlei Epp, Gebauer & Kühl, mit Sitz in Köln und Straßburg.

Die französische Anwältin hat gerade einen Deutschen in der Berufungsinstanz eines Insolvenzgerichtes in Metz erfolgreich vertreten. Der Handelsvertreter war im Mai 2005 nach Frankreich gezogen, nachdem er sich mit ostdeutschen Immobilien verspekuliert hatte. Doch seinen Insolvenzantrag wollte das Gericht in erster Instanz nicht akzeptieren. "Am besten man zieht gleich mit der gesamten Familie nach Frankreich", sagt die Anwältin.

Schlechte Karten vor französischen Richtern haben anscheinend auch die Kunden der vielen Vermittlungsagenturen. "Pauschalpakete sind unseriös und Geldverbrennung", empört sich der Berliner Rechtsanwalt Dirk Streifler, der sich seit fünf Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Stellt sich heraus, dass der Wohnsitz nur auf dem Papier bestehe, sei das gesamte Verfahren hinfällig. Manche Pleitiers reisen allerdings mit gutgefüllter Reisekasse ins Elsass. Dubiose Finanzvermittler zum Beispiel, die in Deutschland oft dreistellige Millionenbeträge veruntreut haben.

Der Münchner Rechtsanwalt Peter Mattil spürte vergangenes Jahr eine dieser halbseidenen Figuren im elsässischen Saverne auf. Ein Brief an das Gericht reichte - das Insolvenzverfahren wurde abgelehnt. Professionelle Pleitiers sind auch im Elsass nicht gerne gesehen.

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