Frankfurt:Höher wohnen

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In der Bankenmetropole entsteht derzeit ein Dutzend Wolkenkratzer. Viele Objekte darin kosten Millionen, und sind schon verkauft. Stadtplaner legen Wert auf Pulks und ein belebtes Zentrum.

Von Helga Einecke

Der Henninger Turm wird der Pionier sein", behauptet Michael Noll von Actris Immobilien. Der Pionier einer neuen Wohnturm-Ära in Frankfurt. 140 Meter hoch ragt der neue Solitär über dem südlichen Stadtteil Sachsenhausen empor. Das Gebäude mit etwa 200 Wohnungen hat insgesamt 40 Stockwerke. Die Fassade ist fertig, drinnen wird noch gewerkelt.

Im Sommer kommen die Möbelpacker. Sicherheit und Privatsphäre werden groß hier geschrieben, darüber wacht die Concierge. Noll nennt keine Namen von Eigentümern. Nur wenige Wohnungen sind noch zu haben, Millionenobjekte, aber keine der vier Luxus-Wohnungen ganz oben im sogenannten Fass mit 360 Grad Rundumblick. Den Henninger Turm gab es schon einmal, 54 Jahre lang. Er gehörte der gleichnamigen Brauerei, diente als Getreidesilo und Wahrzeichen mit einem Drehrestaurant im Fass an der Spitze.

Individuell geht es zu im neuen Turm. Jede Wohnung ist anders geschnitten, drinnen und draußen zeigt man mit Naturstein und Marmor, was man hat. Gewohnt wird selten unter 100 Quadratmetern, was Menschen anlockt, die selbst einziehen, weniger Kapitalanleger. "Die Käufergruppe kommt überwiegend aus der Region, ist zwischen 35 und 55 Jahre alt", grenzt man beim Bauherrn Actris den Kundenkreis ein. Einige wohnten im Umland und suchten die Nähe zur Stadt, andere seien viel gereist und kehrten zurück. Sie finden am Fuß des Turms Fitness und Wellness, Supermärkte und Gastronomie. Im 39. Stock gibt es wieder ein Restaurant samt Außenbereich mit einer zwei Meter hohen Glasfassade. Nachhaltig soll der Turm sein, mit Erdwärme beheizt, mit dreifach verglasten Fenstern, begrünten Dächern und von einem Parkhaus umgeben.

"Wir wollen eine größere Belebung im Bankenviertel," heißt es bei der Stadt

Wie viele Türme werden diesem Pionier in Frankfurt folgen? Ein Dutzend sind im Bau und in der Planung. Aber was heißt schon Hochhaus? Baurechtlich werden so Häuser definiert, deren oberste Stockwerke mit der Feuerwehrleiter nicht mehr erreichbar sind. Alle höheren Gebäude bedürfen besonderer Sicherheiten wegen des Brandschutzes. Davon hat Frankfurt 200 im Bestand. Inzwischen hat sich das Maß der Hochhäuser nach oben geschoben. 60 Meter gelten als sichtbar, ab 100 Metern wird eine Fernwirkung erreicht. Die neuen Wolkenkratzer, also "echte Wohnhochhäuser", fallen in letztere Kategorie.

140 m hoch und weithin sichtbar: Der Neubau des Henninger Turms vor der Skyline der Frankfurter Bankenstadt. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Im Frankfurter Stadtplanungsamt steht Sprecher Mark Gellert an einem riesigen Modell der Stadt und versucht, einen Überblick über die Hochhaus-Szene zu geben. "Wir wollen eine größere Belebung im Bankenviertel", sagt er und weist auf die Stadtmitte. Da stehen die meisten Türme, überwiegend als Büros genutzt. Das soll sich ändern. Mehr als 1000 Wohnungen werden rund um vier Großprojekte entstehen. Dazu zählen der Taunusturm, der Omniturm , der Winx-Turm sowie vier weitere Türme auf dem Gelände der Deutschen Bank - genannt "Four".

Die erhoffte Belebung bezieht sich nicht nur auf das Wohnen. Die Kantine der Commerzbank wird öffentlich zugänglich. Im Maintower gibt es eine Aussichtsplattform und ein Fitness-Studio. Das English Theatre und das Museum für Moderne Kunst locken kulturell Interessierte ins Bankenviertel. Und in den Marienturm an der Taunusanlage zieht im vierten Stock eine Kita ein.

Die Namen Omniturm oder Hybridturm zeigen, wohin die Reise geht. Büros, Wohnungen, Geschäfte, Gastronomie, Hotels unter einem Dach, einem sehr hohen Dach. Der Omniturm wird von Tishman Speyer 183 Meter hoch auf das Gelände geschichtet. Auf 228, 172, 120 und 100 Meter Höhe sollen es die "Four"-Türme bringen, die im Zentrum auf dem Gelände der Deutschen Bank entstehen. Sie reichen damit nicht ganz an die Commerzbank mit ihren 259 Metern heran. Das Turmquartett dürfte die Skyline stark verdichten, weitaus mehr als der Taunusturm und der Winx-Tower der Investorin Susanne Klatten.

Plastikstühle sind oben verboten - sie könnten wegfliegen

Spektakulär werden die Objekte im neuen Europaviertel im Westen der Stadt vermarktet. Gleich am Anfang setzt der Grand Tower mit geplanten 172 Metern ein Signal. 400 Wohnungen sollen auf 51 Etagen entstehen, im Durchschnitt kosten sie 8700 Euro den Quadratmeter, ganz oben erreicht auch der Preis mit 19 000 Euro einsame Höhen. Geboten werden dafür nach dem Motto "Chillen on the Top" eine Dachterrasse und ein Dachgarten. Jeder Eigentümer hat einen Fernblick durch vollverglaste Zimmer, Balkone, Terrassen. Plastikstühle sind in der Höhe verboten, sie könnten wegfliegen. Wie Projektleiter Bernhard Kraft von gsp Städtebau berichtet, war von vornherein klar, dass es nicht genügend Käufer aus dem Rhein-Main-Gebiet geben würde. Man vermarktete im Ausland, verkaufte vom Reißbrett weg eine Wohnung pro Tag. Weit mehr als 300 Wohnungen sind verkauft, schon der Titel "höchstes Wohnhochhaus in Deutschland" zieht.

Die Visualisierung des geplanten Grand Towers. Auf 51 Etagen entstehen hier 400 Wohnungen. Der Quadratmeter kostet im Durchschnitt 8700 Euro. (Foto: Susann Prautsch/dpa)

Bei so viel Erfolg nimmt gsp mit dem Tower 90 gleich gegenüber das nächste Projekt in Angriff. 90 Meter hoch, mit hängenden Gärten und grünen Wänden. Mit 100 Metern wird der Porsche Design Tower etwas höher sein, falls er wie geplant realisiert wird. Dagegen stehen schon die Wohntürme Axis und Praedium, je 60 Meter hoch. Im Axis haben die Eigentümer für 3500 bis 10 000 Euro je Quadratmeter zugegriffen, das Praedium soll Ende 2017 fertig sein. Insgesamt acht Hochhäuser werden das Europaviertel prägen, darunter fünf Wohntürme. Nicht weit entfernt davon arbeiten die Baumaschinen neben dem Senckenberg-Museum schon am nächsten Wohn-Wolkenkratzer. One Forty West heißt das Gebäude, das halb Hotel, halb Wohngebäude für Mieter und Eigentümer wird. Die Commerz Real, eine Tochter der Commerzbank, investiert hier 270 Millionen Euro.

Das Europaviertel sprengt das Modell der Stadt, Gellert muss die vertikale Ausdehnung von Frankfurt deshalb weiter auf dem Fußboden erläutern. 30 Prozent der Bruttogeschossfläche sollen für die Allgemeinheit, vor allem für das Wohnen reserviert werden. Das ist bisher nicht im Hochhaus, sondern meist in der Umgebung geplant worden. Inzwischen sind die Regeln aber verschärft worden: 30 Prozent des erforderlichen Wohnraums soll geförderter Wohnraum sein, um die Türme nicht allein den Reichen zu überlassen. Wichtig ist den Stadtplanern, dass kein Wildwuchs im Stadt-Dschungel entsteht. "Wir ordnen die Hochhäuser in Pulks oder Clustern an", sagt Gellert. Einzige Ausnahme bilde die Europäische Zentralbank, die im Osten der Stadt als Wahrzeichen Akzente setzt.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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