Süddeutsche Zeitung

Fragwürdige Policen:Vorsicht, überflüssige Versicherung

Wer sich eine neue Brille, ein Handy oder ein Auto kauft, bekommt oft noch ein Angebot obendrauf: Händler bieten zu ihren Produkten gern Versicherungen an, die sie gemeinsam mit den Versicherern vertreiben. Für die Kunden ist das nur selten sinnvoll.

Von Friederike Krieger

"Darf es noch eine Versicherung sein?" Mit dieser Frage wird man nicht nur beim Versicherungsvertreter behelligt, sondern auch, wenn man ein neues Handy, eine neue Brille, ein Auto kauft oder die nächste Urlaubsreise bucht - oft mit ziemlichem Nachdruck. Die Neuerwerbung könne kaputtgehen oder gestohlen werden, die Urlaubsreise durch Krankheit ins Wasser fallen, so die Argumente der Verkäufer. Vor solchen Widrigkeiten solle man sich am besten sofort schützen.

Was viele nicht wissen: Hinter diesen Angeboten stecken in der Regel nicht die Unternehmen selbst, sondern Versicherer. So arbeiten Media Markt und Saturn bei der Versicherung von Elektrogeräten gegen Diebstahl und Unfälle mit Domestic & General zusammen. Die Optiker-Kette Apollo kooperiert mit Ergo Direkt, der Konkurrent Fielmann mit der Hanse Merkur. Die Policen auf dem Reiseportal Expedia stammen von Allianz Global Assistance.

Auch Autohersteller haben Kooperationspartner in der Assekuranz. So kooperiert BMW mit Ergo, Mercedes mit HDI. VW hat sogar zusammen mit der Allianz einen eigenen Autoversicherer gegründet. Auch der in die Kritik geratene Automobilclub ADAC stemmt seine Kfz-Policen nicht selbst, sondern zusammen mit Zurich.

Gut für die Anbieter, fraglich für die Kunden

Für beide Seiten ist die Kooperation ein einträgliches Geschäft: Die Versicherer erschließen sich durch den sogenannten Annexvertrieb neue Absatzkanäle. Die Unternehmen erhalten für den Policenverkauf Provisionen. Zudem dienen die Versicherungen der Kundenbindung. So ist bei den Kfz-Policen, die Autohersteller vertreiben, oft vorgesehen, dass die Versicherten im Fall eines Kaskoschadens eine ihrer Vertragswerkstätten aufsuchen müssen.

Nicht in jedem Fall kommen auch die Kunden bei den Kooperationen gut weg. "Verbraucher sollten sich vor dem Abschluss zwei Fragen stellen: Benötige ich die Police wirklich? Bekomme ich sie anderswo nicht günstiger?", erklärt Bianca Boss vom Bund der Versicherten (BdV). Im Hinblick auf Brillen- und Elektrogeräteversicherungen lässt sich die erste Frage aus ihrer Sicht mit einem klaren "Nein" beantworten. Versichern sollten Verbraucher nur existenzielle Risiken, die sie finanziell aus der Bahn werfen können. Ein kaputtes oder verlorenes Handy oder eine Brille gehören nicht dazu. Zudem erstatten die Policen im Schadensfall ohnehin meist nicht den vollen Kaufpreis. Vor allem Elektrogeräte verlieren schnell an Wert. Geht ein über Saturn oder Media Markt versichertes Handy nach mehr als einem Jahr kaputt, zahlt der Versicherer Domestic & General nur noch 60 Prozent des Kaufpreises.

Viele Kunden sehen das Thema indes anders. "Vor allem für Handy-Versicherungen sind die Leute sehr empfänglich", sagt Boss. "Viele haben noch nicht einmal eine private Haftpflichtpolice, versichern aber ihr Mobiltelefon für acht Euro im Monat."

Sinnvoll - aber nicht unter Zeitdruck

Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sieht den Annexvertrieb von Policen als zweischneidiges Schwert. "Diese Vertriebsform kann durchaus Vorteile haben, zum Beispiel wenn es um eine Versicherung geht, die man unbedingt abschließen sollte, dies aber sonst versäumen würde", sagt sie. So hält sie den Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung, die bei der Buchung von Reisen angeboten wird, für sinnvoll. Denn die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen im Ausland nicht alle Krankheitskosten. Einen eventuell nötigen Krankenrücktransport zahlen sie gar nicht.

Der Nachteil des Koppelangebots: "Es verleitet zum schnellen Abschluss", sagt Reichard. Ratsam wäre aber, die Police hinsichtlich des Preises, der Leistungen und Ausschlüsse mit anderen Angeboten zu vergleichen. "Alle Policen, die im Annexvertrieb angeboten werden, sind meist auch eigenständig abschließbar", sagt sie.

Auch bei Policen, die Autohändler anbieten, sollten sich Kunden nicht blindlings darauf verlassen, dass sie das beste Angebot bekommen. Laut einer aktuellen Stichprobe der Zeitschrift Finanztest lässt das Preis-Leistungs-Verhältnis der Policen vom Autohersteller zu wünschen übrig. Kaum einer der getesteten Händler schaffte es, günstiger zu sein als der Online-Direktversicherer HUK24, der in einigen Punkten sogar bessere Leistungen bietet.

In Ausnahmefällen kann eine Police über den Händler doch günstiger sein. Fahrer, die in der Vergangenheit viele Unfälle gebaut haben, können bei einigen Autoherstellern sparen. So verzichtet der Hersteller Peugeot, der mit der Allianz kooperiert, auf die sonst übliche Einteilung in Schadenfreiheitsklassen, so Finanztest. Auch Käufer sehr teurer Autos, für die auf dem freien Markt kein oder nur sehr teurer Kaskoschutz erhältlich ist, können bei den Herstellern fündig werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1920344
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.03.2014/infu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.