Fossilien als Wertanlage:Ein Knochenjob

Auch Leonardo diCaprio will einen Tyrannosaurus-Schädel in seiner Villa: Fossilien versprechen große Wertsteigerungen. Der Handel ist ein globales Geschäft, getrieben vom Geld der Reichen. Deutsche Sammler dealen im Spannungsfeld von Leidenschaft und Profit - und müssen sich mit Schmuggelware und gefälschten Skeletten herumschlagen. Und sie wissen, warum ein gebrochener Höhlenbär-Penisknochen mehr wert ist als ein intakter. In der Welt der Knochenjäger.

Jannis Brühl

Peter Rüdel ist Plattenhändler. Spezialisiert auf Klassiker, wenn man so will. Sie stapeln sich in Kisten in seiner Dachwohnung, kiloschwere, graublaue Schieferplatten. Der 48-Jährige verdient viel Geld mit dem, was sie unter der Erde über die Jahrmillionen gerettet haben: Fossilien. Ein kleiner Fischsaurier kostet 900 Euro, ein gut erhaltener Kugelfisch bis zu 8000 Euro; die messerscharfen Zähne des Megalodon, des riesigen Vorfahren der Haie, 400 Euro.

Tyrannosaurus Rex Skeleton To Be Auctioned Off In Las Vegas

Samson, ein zwölf Meter langer Tyrannosaurus rex, der in South Dakota in den Vereinigten Staaten gefunden wurde. In einer Auktion im Jahr 2009 wurde er für eine unbekannte Summe verkauft, schätzungsweise für mehrere Millionen Euro.

(Foto: AFP)

Traditionell sind Dinosaurierknochen und andere Versteinerungen für Forscher interessant. Doch mittlerweile treibt vor allem das Geld der globalen Elite den Handel, von der sibirischen Steppe in Peter Rüdels Arbeitszimmer im Münchner Vorort Gröbenzell bis in die noblen Auktionshäuser von Paris und London. Fossilien sind Geldanlage und Statussymbol zugleich.

Es ist kein Markt wie jeder andere: Paläontologen wollen Grabungsschutzgesetze geachtet wissen, korrupte Beamte die Hand aufhalten und Betrüger die Händler mit zusammengeklebten Fälschungen übers Ohr hauen.

Dass Rüdel in Bayern Versteinerungen aus der Erde holen und behalten darf, liegt daran, dass das Land kein Gesetz hat, das die Funde der Wissenschaft zuspricht. Wollen die Museen eins seiner Stücke, wird man sich immer einig, sagt er.Doch wie legal der Handel mit Fossilien eigentlich generell ist, können weder Verkäufer noch Paläontologen genau beantworten. Die Rechtslage in den Bundesländern ist dank "Kulturhoheit" sehr unterschiedlich. So gibt es in Bayern keinerlei gesetzliche Bestimmungen - wer ein Fossil besitzt oder findet, darf es verkaufen. Rheinland-Pfalz und Hessen sind wesentlich strikter: Dort fallen urzeitliche Funde unter Denkmalschutz - wenn sie "von wissenschaftlichem Interesse" sind. Deshalb greift Rüdel nicht zu, wenn er glaubt, dass Skelette illegal ausgegraben wurden, wenn sie beispielsweise in der hessischen Grube Messel kommen, einer Unesco-Weltnaturerbestätte. Auch wenn es Gewinn verspricht: "Ein Urpferdchen würde ich nie kaufen."

In den USA gehören Knochen demjenigen, dem das Land gehört, auf dem sie gefunden werden. Doch vieles kommt aus Russland und China - und die dortige Rechtslage ist völlig unklar. Beide Staaten haben Gesetze erlassen, die Fossilien schützen - ob es dabei nur um bestimmte wertvolle Stücke oder um generellen Fossilienschutz geht, weiß man nicht einmal in der Münchner Staatssammlung. "Gerade die Situation in China ist völlig unklar", sagt Martin Görlich, der sich im nordbayerischen Berg auf größere Deals spezialisiert als sein Branchenkollege Rüdel. Selbst bei gutem Schutz verschwinden dort Knochen aus Museen. Die Angestellten wollen sich etwas dazuverdienen.

Es ist ein lukrativer Markt - auch für legale Käufer. "Bis zu 300 Prozent Wertsteigerung sind möglich", sagt Rüdel. Das gilt allerdings nur für das oberste Preissegment. Beim Auktionshaus Christie's in London, berühmt für Versteigerungen von Picassos und Rubens', kaufte ein Dino-Fan für mehr als eine halbe Million Euro einen Triceratops. Für das Skelett mit den markanten Hörnern und Nackenschild zahlte er 2008 fast 600.000 Euro. Die Hollywoddstars Nicholas Cage und Leonardo diCaprio boten 2007 bei einem Auktionshaus in Beverly Hills um den Schädel des Tyrannosaurus rex, des berühmtesten Fleischfressers unter den ausgestorbenen Reptilien. Cage bekam am Ende den Zuschlag - für 276.000 Dollar.

Die Wirtschaftskrise ist gut für den Fossilien-Verkäufer, sagt Görlich, der sich im nordbayerischen Berg auf größere Deals spezialisiert als sein Branchenkollege Rüdel: "Die Amerikaner sehen, dass die Notenbanken immer mehr Geld drucken. Die gehen in Sachwerte."

Rüdel und Görlich handeln nebenher, ihre Hauptberufe haben aber indirekt mit ihrer Leidenschaft für Fossilien zu tun. Der Geologe Rüdel hat eine Firma, die in Steinbrüchen abbaut. Auch Görlich begeisterte sich schon als Jugendlicher für Fossilien, grub sie aus und präparierte sie. "Was kannst du mit der Fingerfertigkeit anfangen?", fragte er sich - und wurde Zahnarzt.

"Wie wenn Sie einen Ferrari GTO verkaufen"

Wieviel Geld auf dem Fossilienmarkt tatsächlich umgesetzt werden, ist schwer zu sagen. Die Preisfindung vergleichen die Händler mit der bei Antiquitäten oder Oldtimern. Görlich sagt gar:"Da gibt es keinen Markt mehr. Das ist, wie wenn Sie einen Ferrari GTO verkaufen." Von dem legendären Sportwagen aus den sechziger Jahren gibt es nur 39 Stück, die für Millionenbeiträge den Besitzer wechseln.

Die Reichen, die bei Görlich kaufen, hängen sich in Kalifornien oder im Nobelskiort Aspen in Colorado gerne Saurier über die Kamine. Zu den Käufern gehören Ärzte und Industrielle. "Über Mittelsmänner komme ich auch an Scheichs ran." Arabische Kunden mögen es martialisch, wenn man Görlich glaubt, zum Beispiel Raubsaurier: "Je männlicher und aggressiver, desto besser. Die wollen große Zähne sehen."

Wie bei teuren Sportwagen geht es auch bei Fossilien oft um Männerphantasien, manchmal um reichlich pubertäre. Zum Bespiel bei ausgestorbenen Höhlenbären, die wie Hunde über Penisknochen verfügen. Rüdel sagt: "Manche von ihnen wurden gebrochen gefunden. Die sind mehr wert als intakte Penisknochen, weil die Leute sich die wildesten Dinge vorstellen."

Ein amerikanischer Händler äußerte im US-Wirtschaftsmagazin Businessweek sogar die Hoffnung, mit der Entdeckung des ultimativen Phallussymbols Millionen zu machen: dem Penis eines Tyrannosaurus Rex. Abgesehen davon, dass Weichteile fast nie versteinern, ist das Problem dabei: Wissenschaftler bezweifeln, dass Dinosaurier überhaupt äußerliche Geschlechtsteile hatten. Wahrscheinlicher ist es, dass sie ihre Genitalien wie Vögel und Reptilien im Körper versteckten. Geschmäcker sind verschieden. Auch bei Fossilien-Fans. "Frauen sprechen eher auf Seelilien an", sagt Görlich.

Die versteinerten Saurier müssen intakt sein, nur minimale Korrekturen sind erlaubt, sonst gelten sie nicht mehr als echt. Aber auch die Position der Knochen in der Felsplatte kann entscheidend sein, sagt Görlich: "Liegt das Tier in Bauchlage? Oder in schöner Seitenlage, wie man sich einen Delphin von der Seite vorstellt?" Wie bei großen Kunstwerken wollen auch bei Fossilien Hochstapler mitverdienen. Aus Kunststoffen, Gips, Sprühlack und Knochen nicht-ausgestorbener Tiere leimen sie Fälschungen zusammen.

Der Wert von Fossilien steigt auch, weil viele Länder die Grenzen dichtgemacht haben. Vor allem China und Russland kontrollieren die Ausfuhr. Seit Jahren hätten europäische Händler Kisten beim chinesischen Zoll stehen, erzählt Görlich. Sie wollten kein Schmiergeld zahlen, damit die Beamten sie weiterschicken - oder könnten es sich nicht leisten. Wie bei Rohstoffen haben die Händler Angst vor einer Schwemme. Als Mammutzähne in den neunziger Jahren aus Russland unkontrolliert exportiert wurden, brachen die Preise ein, erzählt Rüdel.

Räuberpistolen aus Russland

Mittlerweile lässt sich damit wieder ordentlich Geld verdienen: Immer mehr Mammut-Elfenbein wird in der Tundra gefunden. Recherchen der New York Times zufolge kaufen Moskauer Händler für 300 bis 400 Dollar pro Kilogramm an. Im Westen kostet es dann bis zu 1600 Dollar. Tierschützer halten das sogar für ethisch vertretbar: Je mehr Mammut-Elfenbein auf den Weltmarkt komme, desto weniger seien Wilderer in Afrika daran interessiert, lebende Elefanten für ihre Stoßzähne zu schlachten.

Über Russland erzählen sich Fossiliendealer Räuberpistolen: Ein deutscher Händler traf sich angeblich in einer Moskauer Bar mit seinem russischen Kontaktmann. Dann soll eine Bande von Gangstern mit Baseballschlägern die Bar gestürmt und den Russen verprügelt haben. "Fast wie bei Blutdiamanten im Kongo", sagt Görlich und meint das ganz ernst.

Der Osten des Landes ist vor allem für seine oft vollständig mit Haut und sogar Mageninhalt erhaltenen Mammuts bekannt, die das Eis konserviert hat. In Russland hat sich herumgesprochen, wie viel Geld mit ihnen zu verdienen ist - allein mit den Zähnen jährlich mehr als 20 Millionen Dollar. Eine absurde Szene aus der sibirischen Tundra beschreibt Lewis M. Simons in seiner Reportage "Fossilienkriege", für die er im Auftrag des US-Wissenschaftsmagazin National Geographic einen Fossilienhändler begleitet hat: Irgendwo im Niemandsland setzen Beamte der Umweltschutzbehörde die Knochensammler fest. Das Gespräch beginnt mit dem Vorwurf der Fossilien-Wilderei - und endet nach einigen Gefälligkeiten damit, dass die Fahnder versprechen, in Zukunft selbst für den Händler Knochen zu sammeln.

In Gröbenzell geht es beschaulicher zu: Mehr als über Millionäre, die mit Dino-Skeletten protzen wollen, freut sich Peter Rüdel über Käufer, die echte Liebhaber sind. Schließlich ist er selber einer. Er glüht fast vor Stolz, als er erzählt, dass ein Tier aus dem Solnhofener Plattenkalk in Franken nach ihm benannt ist, das mit dem großen bösen T-Rex nicht viel gemeinsam hat: der sechs Zentimeter große Krebs Bylgia ruedeli.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Peter Rüdel Fossilien aus dem Steinbruch weiterverkauft, in dem seine Firma abbaut. Das ist nicht korrekt. Der Text wurde entsprechend geändert..

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