Fortbildung:Malern bis nach Mitternacht

Womens night

Erst Prosecco trinken, dann Parkett verlegen: Die Stimmung im Markt ist gelöst.

(Foto: oh)

Die Wände streichen? Ein Loch bohren? Viele Frauen wollen selbst handwerken. Dafür gibt es spezielle Kurse: zu Besuch bei einer "Women's Night".

Von Simone Gröneweg

Gegen 22.30 Uhr hat auch das Laminatverlegen seinen Schrecken verloren. "Das ist ganz einfach: Anlegen und einklicken. Und vergessen Sie bitte nicht den 12-Millimeter-Abstand zur Wand!", erklärt der Leiter des Workshops Laminat. Um ihn herum sitzen etwa 30 aufmerksame Frauen, die ihr Staunen nicht verbergen können. "Das sieht aber simpel aus", bemerkt eine Teilnehmerin der Women's Night in einem Münchner Bauhaus-Markt. Etwa 80 Frauen haben sich dort an einem Freitagabend versammelt, wo sonst eher Männer mit leuchtenden Augen durch die Gänge streifen. Sie wollen lernen, wie man Fliesen und Laminat verlegt, Wände richtig streicht und mit schwerem Gartengerät arbeitet.

"Ich bin etwas aufgeregt, das ist meine erste Women's Night", begrüßt der Geschäftsleiter seine weiblichen Gäste zu Beginn. Das tut der Stimmung keinen Abbruch. Die Teilnehmerinnen lachen und stoßen an. Zum Aufwärmen lässt der Chef des Fachmarktes Prosecco, Saft, Wasser und Limonade ausschenken, gratis. Die Veranstaltung dient schließlich auch der Kundenbindung. Die meisten Frauen wirken leger, tragen Jeans und Turnschuhe. Eine elegante, ältere Dame mit Sonnenbrille im Haar und Schleife am Hals witzelt: "Ich suche eine passende Frau für meinen Sohn. Der hat in jedem Zimmer eine Baustelle." Heide ist 75 Jahre alt, hat früher als Geschäftsführerin einer Modeagentur gearbeitet, aber irgendwie war sie schon immer eine halbe Handwerkerin. Den Drang zu gestalten, hat sie nach der Arbeit ausgelebt. "Als mein Sohn klein war, wusste er, wenn die Bohrmaschine läuft, ist alles in Ordnung, Mama ist zu Hause", erzählt sie.

Von der Studentin bis zur Seniorin: Die Nachfrage nach den Kursen steigt ständig

Jährlich besuchen knapp 20 000 Frauen die kostenlosen Workshops der Bauhaus-Kette, die in verschiedenen Fachmärkten Deutschlands stattfinden. "Ende 2007 haben wir mit Events dieser Art begonnen", sagt Mercedes Smolka, Projektleiterin Women´s Night. "Anfangs gab es die Handwerkerkurse für Frauen tagsüber. Mit der Zeit verlagerte sich das Ganze aber in den Abend", ergänzt sie. Alle Altersklassen sind vertreten. "Von der Studentin, die ihr WG-Zimmer streichen möchte, bis zur Rentnerin. Auch Frauen, die gerade ein Eigenheim bauen, sind manchmal dabei", berichtet Smolka.

Bevor es losgeht, erhält jede Teilnehmerin einen weißen Overall in Größe XXL. Wer streicht und sägt, kann sich schließlich schmutzig machen. Das riesige Fachzentrum ist mittlerweile fast menschenleer. Mitarbeiter haben für die Besucherinnen einen roten Teppich ausgerollt. Die Damen verschwinden in den Gängen des Marktes im Neonlicht, vorbei an riesigen Regalen mit Kompressoren, Sanitärausstattungen und Farbeimern. Zur Auswahl stehen vier Stationen: Fliesen oder Laminat verlegen, Wände streichen sowie Gartenarbeit. Die 60-jährige Musiklehrerin Kirsten nimmt ihren Overall entgegen und macht sich auf den Weg. Sie trägt eine schlichte dunkle Hose und Bluse, bindet sich die Haare noch schnell zum Zopf und erzählt: "Ich handwerkle einfach gerne. Ich habe schon mal gefliest und auch schon Laminat verlegt." Am liebsten hätte sie ein altes Haus und würde alles komplett selbst renovieren, sagt sie. Aber so etwas bekomme man in München einfach nicht.

Am Fliesen-Stand sind die Bänke komplett belegt. Zwei Fachleute erläutern die Produkte und zeigen, wie man Fliesen verlegt. "Mit einer Stachelwalze lassen sich störende Reste von der Wand entfernen", erklärt der Baumarktmitarbeiter. Er blickt in ratlose Gesichter. "Was ist eine Stachelwalze?", fragen einige. Ein paar Sekunden später schwenkt er die besagte Walze in die Höhe, ein Raunen geht durch diesen Teil des Marktes. Dann zeigt der Fachmann, wie man den Mörtel aufträgt und wie man die Fliese anbringen muss, damit sie nicht verrutscht. "Ansetzen, kurz ruckeln, leicht runterziehen", erklärt er. "Und das hält?", fragt eine Teilnehmerin ungläubig. Natürlich hält das, lautet die Antwort.

Die meisten Frauen werden in den nächsten Minuten zum ersten Mal eine Fliese an eine Wand anbringen. In den überdimensionierten Overalls greifen sie zu den Kellen, klatschen den Mörtel an die Wand und verteilen ihn. Mit einem sogenannten Zahnspachtel zieht man noch einmal über den glatten Mörtel, damit schöne gleichmäßige Rillen entstehen. Klingt einfach, ist aber schwerer als gedacht. Das klebrige Etwas lässt sich gar nicht so ohne weiteres verteilen. "Wie kriegt man bloß diese Rillen hin", fragt Karina. "Den Spachtel immer in 45 Grad halten", ermahnt der Fliesenexperte. Eine Gruppe junger Frauen ist voller Eifer dabei. "Deine Fliese ist schief", kommentiert eine Teilnehmerin eine andere. "Macht nix, die Wand wird morgen doch eh weggeschmissen", antwortet die Freundin. Sie tritt einen Schritt zurück, wiegt den Kopf und blickt unzufrieden auf ihr Werk. Die Nachbarin dagegen ist ein Naturtalent. Ihre Fliese sitzt perfekt. Lediglich beim Fachvokabular hapert es noch. "Ich brauche dieses Ding." - "Welches Ding? Ach, Sie meinen die Kelle", fragt der Fliesenexperte. "Wie teilt man eigentlich eine Fliese am besten?", fragt eine Teilnehmerin. Eine andere erkundigt sich danach, womit später die Fugen gefüllt werden.

"Die Teilnehmerinnen schätzen die Exklusivität", sagt Smolka. Sie können Fragen stellen, ausprobieren und erhalten keine abschätzigen Seitenblicke von Männern. "Wir machen auch Kurse für Männer. Ganz ehrlich, das läuft etwas anders ab", sagt Smolka und lacht.

Am späten Abend macht sich an der Streich-Station langsam Müdigkeit breit

Zwischendurch treffen sich die Frauen zu einer kleinen Pause am Eingang. Mittlerweile kennt man sich schon ein wenig besser und tauscht sich über Heimwerker-Erfahrungen aus. Sabrina, eine 32-jährige Grafik-Designerin, empfiehlt die Station Laminat verlegen. "Ich dachte, das sei schwieriger", meint sie. Sie kann sich jetzt durchaus vorstellen, das einmal selbst zu machen. Heide erzählt, welch ein prima Ausgleich eine solche Arbeit sei. Vor allem könne man auch viel Geld sparen. Handwerker seien schließlich nicht billig. Und nicht nur das: "Wissen Sie, wenn man so eine Wand gefliest hat, sieht man doch, was man geschafft hat. Oder?"

An der Streich-Station sind in der Zwischenzeit Wände gemalert und Flaschen besprüht worden. Der Gartenexperte erklärt noch einigen Interessierten spezielle Bewässerungsanlagen. Mittlerweile ist es kurz vor 24 Uhr. Die eine oder andere Teilnehmerin versucht ein Gähnen zu unterdrücken. Es wird Zeit für den Feierabend. Sabrina, Heide und Kirsten verabschieden sich. "Wäre schön, wenn es das noch mal gäbe", sagt Sabrina. Was das Programm fürs nächste Mal angeht, haben die Damen auch konkrete Vorstellungen: Bohren und Dübeln.

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