Forscher Thorsten Bölting:Niedrige Zinsen als Hindernis

Lesezeit: 2 min

Viele Städte haben ihre kommunalen Baugesellschaften verkauft. Angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum ist da guter Rat teuer. Umso wichtiger, findet Torsten Bölting, ist für die Kommunen die Netzwerkarbeit. (Foto: IN-WIS)

Die Anzahl geförderter Wohnungen ist rückläufig. Das liegt auch daran, dass diese für Investoren nicht sehr attraktiv sind, denn sie erhalten auch ohne staatliche Zuschüsse günstige Kredite.

Interview von Rainer Müller

Die In-WIS-Forschung & Beratung GmbH an der Ruhr-Universität Bochum analysiert die Entwicklungsprozesse der Immobilien- und Wohnungswirtschaft und berät Politik, Verwaltung und Verbände. Thorsten Bölting, Geschäftsführer des Forschungsinstituts, vergleicht den sozialen Wohnbau in der Vergangenheit mit den jüngsten Entwicklungen und Herausforderungen auf diesem Gebiet.

Vor 40 Jahren gab es noch ungefähr vier Millionen Sozialwohnungen. 2012 waren es nur noch 1,5 Millionen . W as sind die Ursachen für diesen dramatischen Rückgang?

Die Blütezeit des sozialen Wohnungsbaus waren die Siebziger- und Achtzigerjahre. Viele der Wohnungen aus dieser Zeit sind aus der Sozialbindung gefallen und wurden nur zum Teil ersetzt. Einerseits, weil es die Wohnungsnot, über die heute alle reden, lange Zeit nicht zu geben schien. Andererseits wird sozialer Wohnungsbau heute oft mit den sogenannten Wohnmaschinen aus dieser Zeit gleichgesetzt. Das führte zu einem negativen Image und zu einer gewissen Zurückhaltung beim Neubau.

Alles ein Imageproblem?

Nein. Entscheidender sind heute die extrem niedrigen Zinsen. Für viele Investoren ist es schlichtweg nicht attraktiv, in den belegungsgebundenen Wohnungsbau zu investieren, da sie am Markt auch ohne öffentliche Zuschüsse günstige Kredite bekommen.

Warum bauen die Städte nicht einfach selbst Sozialwohnungen?

Zum Teil tun sie das noch. In Hamburg etwa hält die städtische SAGA GWG heute noch 130 000 Wohneinheiten. Einen Großteil der jährlich neu errichteten Sozialwohnungen in Hamburg baut dieses Unternehmen. Doch das ist nicht überall in diesem Ausmaß möglich. Einige Städte haben in der Vergangenheit ihre kommunalen Wohnungsbestände und Wohnungsbaugesellschaften verkauft. Viele hatten auch nie so große eigene Unternehmen. In Nordrhein-Westfalen verlief diese Privatisierungswelle für die meisten Städte zwar relativ glimpflich. Den landeseigenen Wohnraumversorger LEG aber verkaufte die damalige Landesregierung 2008 an Goldman Sachs. Auch wenn ein landeseigenes Unternehmen allein den gesamten Markt in Nordrhein-Westfalen kaum preisdämpfend beeinflussen könnte, wäre das heute ein gutes Instrument, um an geeigneten Standorten auch als Land selbst aktiv zu werden.

Freiwillige Bündnisse auf Länderebene und beim Bund, Zielvereinbarungen - ersetzt dies den direkten Eingriff in den Wohnungsbau?

Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Zuständigkeit für die Wohnraumförderung bei den Ländern. Aber viele direkte Eingriffsmöglichkeiten haben diese nicht und können praktisch nur finanzielle Mittel zur Verfügung stellen - was sie in Teilen ja auch wieder vermehrt tun. Auf die steigenden Baukosten und auf die Baulandknappheit in vielen Kommunen können sie aber letztlich kaum Einfluss nehmen. Was Bund und Länder tun können, ist zu informieren und zu moderieren - daher die Bündnisse. Die heutige Wohnungsnot kann man vor allem durch sogenannte weiche Instrumente bekämpfen.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: