Formel 1:"Hier ist Bernie. Sie kontrollieren nichts."

Eine neue Biographie enthüllt, wie Formel-1-Boss Ecclestone und BayernLB-Vorstand Gribkowsky mit allerlei Tricks und Drohungen um die Macht über die lukrative Rennserie kämpften.

K. Ott und N. Richter

Bernard Charles Ecclestone war 72 Jahre alt, als ihn ein junger Karrierist aus der deutschen Provinz herausforderte. Natürlich dachte Ecclestone, dass er mit den üblichen Sprüchen und Bluffs gewinnen würde.

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Bernie Ecclestone: "Wenn Sie reden wollen, kommen Sie nach London."

(Foto: dpa)

Ecclestone, der ewige Chefvermarkter der Formel 1, hatte es gerade mit neuen Eigentümern zu tun, aber aus seiner Sicht waren das Kleinigkeiten. Egal, wem die Formel 1 gehörte, der Boss war immer er. Dass seine Rennserie nun in den Händen der Bayerischen Landesbank lag, war ja scheinbar eher ein vorübergehender Zufall. Also schickte Ecclestone einen Emissär nach München, der sollte die Formel-1-Anteile von den Bayern zurückkaufen. Als sein Gesandter zurück in London war, beichtete der allerdings kleinlaut: "Die Münchner Mafia hat mich geschlagen".

"Nur der Manager"

In München nämlich saß ein junger Banker, 44 Jahre alt und Risikovorstand der BayernLB, der gerade seine Grenzen auslotete. Ecclestone rief ihn an: "Hier ist Bernie. Sie kontrollieren nichts. Wenn Sie reden wollen, kommen Sie nach London." Bald saß Gerhard Gribkowsky auf Ecclestones Sofa. Der Deutsche erklärte, er vertrete 75 Prozent der Eigentumsanteile am Unternehmen Formel 1. "Sie", sagte er zu Ecclestone, "sind nur der Manager, der für die Anteilseigner arbeitet". Ecclestone lächelte. Seinen Mitarbeitern erzählte er danach: "Ich habe ihm das Leben erklärt." In München berichtete Gribkowsky, der Streit mit Ecclestone werde brutal sein. "Wir müssen einen Krieg vermeiden."

Diese Szenen stammen aus der Ecclestone-Biographie "No Angel" des britischen Journalisten Tom Bower. Das Buch ist soeben in Großbritannien bei Faber & Faber erschienen und schildert unter anderem das Verhältnis Ecclestones zu Gribkowsky. Der Autor Tom Bower hatte während seiner Recherchen ungewöhnlich viel Zugang zu Ecclestone und dessen Umfeld, auch mit Gribkowsky sprach er. Bower hat sein Buch abgeschlossen, bevor die Schwarzgeld-Affäre um Gribkowsky bekannt wurde. Dieser hat vor wenigen Jahren heimlich knapp 50 Millionen Dollar erhalten und sie in Österreich versteckt. Mehrere Spuren deuten darauf hin, dass das Geld von Ecclestone stammt, was dieser bestreitet.

Die Biographie geht darauf nicht ein. Bower sagte der Süddeutschen Zeitung, er habe nie einen Hinweis auf kriminelle Machenschaften Ecclestones gefunden. Eine angebliche Millionenzahlung Ecclestones an Gribkowsky könne er sich nicht erklären, vor allem fehle dafür "ein plausibles Motiv". Der Milliardär Ecclestone verschenke kein Geld ohne Grund.

Gleichwohl gewährt Bowers Buch einmalige Einblicke in den erbitterten Machtkampf der beiden Männer. Der Brite hat seinen deutschen Widersacher demnach unterschätzt und wäre von diesem am Ende beinahe gefeuert worden. Gribkowsky verstand Ecclestones Tricks und setzte sie erfolgreich gegen deren Erfinder ein. Der vermeintliche Provinzbanker erwies sich als lernfähiger, zäher Gegner, der Ecclestone in die Enge trieb. Diese Zwangslage immerhin könnte ein Motiv dafür liefern, dass Ecclestone 50 Millionen Dollar an den Deutschen gezahlt hätte: womöglich um Chef der Rennserie bleiben zu können, die er ein Leben lang aufgebaut hatte. Ecclestone bestreitet das. Sein Biograph Tom Bower hält es für unwahrscheinlich. Gribkowsky, der wegen Verdachts der Steuerhinterziehung, der Untreue und der Bestechlichkeit in Untersuchungshaft sitzt, weigert sich bislang, mit den Ermittlern zu sprechen, sein Anwalt äußert sich während des laufenden Verfahrens nicht. Die Staatsanwaltschaft München dürfte sich umso mehr für Bowers Buch interessieren.

"Zeichen der Schwäche"

Ecclestone konnte sich seine Überheblichkeit gegenüber den Eigentümern zunächst leisten: Die BayernLB und die US-Institute JPMorgan und Lehman Brothers hielten zwar 75 Prozent an der Formel-1-Holding Slec, die Anteile waren ihnen nach der Pleite des Alt-Eigentümers Leo Kirch zugefallen. Doch Ecclestone hatte sein Firmengeflecht rechtzeitig so strukturiert, dass die Haupteigner in den operativ wichtigen Gremien nichts zu sagen hatten. Sie waren dort in der Minderheit. Und gegen alles und jedes konnte der Minderheitsgesellschafter Bambino sein Veto einlegen. Bambino war die Holding der Familie Ecclestone, auf die Bernie, wie er beharrlich erklärte, leider nicht den geringsten Einfluss hatte.

Ecclestone hoffte, die Banken würden ihre Anteile schon bald entnervt verkaufen. Einstweilen würde er Gribkowsky umarmen, um ihn zu entwaffnen. Also lud er den Banker zu Autorennen ein, lästerte über die Teamchefs und behandelte ihn wie einen Vertrauten. Gribkowsky, so schien es zunächst, ließ sich einlullen. Bower schreibt, der Deutsche habe allmählich über Verständigung und Kooperation gesprochen, und Ecclestone habe ihn darin bestärkt. "Aus Ecclestones Sicht war das Streben nach Frieden ein Zeichen der Schwäche", schreibt Bower.

Das sollte sich ändern. Denn bei nüchterner Betrachtung hatte Ecclestone den Eigentümern elementare Rechte entzogen. Trotz etlicher Telefonate war es Gribkowsky nie gelungen, eine Bilanz der Formel-1-Holding Slec zu sehen, weshalb er den Wert seiner Beteiligung nicht schätzen lassen konnte. Gribkowsky soll sich also auf die Slec-Justitiarin Sacha Woodward-Hill, eine Vertraute Ecclestones, eingeschossen haben. Laut Bowers Buch sagte er zu ihr: "Gehen Sie mir aus dem Weg, oder Sie werden verletzt."

Gribkowsky und seine Justitiarin sollen die Gegenseite, Woodward-Hill und Ecclestone persönlich, daraufhin mit Anfragen per Fax überflutet haben. Das Ausbleiben von Antworten lieferte den Beweis dafür, dass Ecclestone die Rechte der wahren Eigentümer missachtete. Gribkowsky setzte seinen Widersachern offenbar zu. Ecclestone beruhigte seine genervte Justitiarin Woodward-Hill mit den Worten: "Vergiss die Briefe. Die Banken machen ihre Pläne und ich mache meine." Doch Gribkowsky zog ihm die Daumenschrauben an. Er bat Headhunter, Nachfolger für Ecclestone zu finden, es gab schon einen Kandidaten. Ecclestone, so schildert es Bower, rief Gribkowsky an und sagte: "Du wirst sehen was passiert, wenn du so weitermachst." Der Deutsche fühlte sich bedroht. "Falls mir etwas zustößt, gibt es einen anderen Gerhard", warnte er.

Ecclestone blieb hart: "Dieser Kerl", den Gribkowsky als seinen Nachfolger ausersehen habe, "der taugt nichts. Ich lasse ihn nicht ins Haus." Ecclestone arrangierte stattdessen ein Abendessen für Gribkowsky bei Max Mosley, dem Chef des Rennsportverbands FIA. Dort soll Gribkowsky gesagt haben: "Die Eigentümer lassen sich von Bernie nichts mehr gefallen". "Natürlich", sagte Mosley, ein alter Freund Ecclestones. "Aber als Präsident der FIA habe ich das letzte Wort, wenn Ecclestone ersetzt werden sollte."

Umkehrung der Kräfteverhältnisse

Immerhin siegte Gribkowsky vor Gericht. Seine Klage vor dem Londoner High Court war Ende 2004 erfolgreich, der Richter fand, Ecclestone habe zu Unrecht die Kontrolle an sich gerissen. Ecclestone tat so, als sei das irrelevant. Alle Macht liege beim Formel-1-Miteigentümers Bambino, seiner Familienholding, auf die er aber keinen Einfluss habe.

Anfang 2005 erschien Gribkowsky in Ecclestones Büro, machte ein paar Scherze und verschwand wieder. Ohne dass Ecclestone es merkte, hinterließ er ihm ein Papier auf dem Schreibtisch. Gribkowsky hatte es einem Feind Ecclestones abgekauft. Das Papier belegte, was der Formel-1-Chef immer bestritten hatte: dass er die Bambino-Holding steuerte.

Gribkowsky bewies nicht nur, dass er das Firmennetz durchschaut hatte und einen neuen Trumpf im Gerichtsprozess hatte, er spielte jetzt auch so ausgebufft wie Bernie selbst. Als Ecclestone das Papier gelesen hatte und Gribkowsky anrief, fragte er, was das bedeute. "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagte Gribkowsky scheinheilig. "Goodbye."

Im März 2005 lenkte Ecclestone ein, in die Aufsichtsräte der Formel-1-Gesellschaften zogen nun mehrheitlich Vertreter der Banken ein. Gribkowsky soll gedroht haben: "Wir haben jetzt die Möglichkeit, Ecclestone zu feuern."

Diese Umkehrung der Kräfteverhältnisse könnte ein Motiv liefern: Ecclestone bezahlt Gribkowsky dafür, so der Verdacht, dass er Formel-1-Chef bleiben darf. Dagegen spricht, dass sich Gribkowsky womöglich gar nicht getraut hätte, Ecclestone wirklich zu feuern. Die Autokonzerne drohten in jener Zeit, die Formel 1 zu verlassen, wenn sie nicht mehr Geld bekämen. Damit wären die Anteile der BayernLB an der Formel 1 wertlos geworden. Und niemand verstand es in dieser Lage so gut wie Ecclestone, all die großen Egos der Autobranche in Schach zu halten und gegeneinander auszuspielen.

Am Ende kamen alle auf ihre Kosten. Im September 2005 meldete sich Donald Mackenzie, Chef der Investmentfirma CVC, bei Ecclestone. Er wolle die Formel 1 kaufen. Ecclestone traf sich mit ihm und ließ Gribkowsky mit seiner Privatmaschine einfliegen. Der Deutsche soll mit Sonnenbrille und dicker Zigarre erschienen sein. Er forderte gut zwei Milliarden Dollar für alle Banken, damit hätte die BayernLB beim Formel-1-Abenteuer zumindest nicht draufgezahlt. Sie hätte sogar mehr eingenommen, als sie ursprünglich geplant hatte. Mackenzie soll den Preis rasch akzeptiert haben. Auch Ecclestone verkaufte ihm seine Anteile. Manager der Formel 1 blieb er auch. Trotz aller Drohungen Gribkowskys hatte Ecclestone die Krise ausgesessen.

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