Formel 1: Bernie Ecclestone:Napoleon in Gefahr

Der Brite Bernie Ecclestone ist der uneingeschränkte Herrscher über das Milliardengeschäft Formel 1 - und hat bislang so gut wie jeden Machtkampf gewonnen. Doch das könnte sich nun ändern. Wegen der Ermittlungen in der BayernLB-Affäre muss Ecclestone um seine Macht fürchten.

Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter

Ein gutes Dutzend Skandale hat Bernie Ecclestone heil überstanden. Er hat die vielen Rivalen, die es zu allen Zeiten gab, einfach ins Leere laufen und sich von Drohungen nie einschüchtern lassen. Seit 40 Jahren ist der inzwischen 80-Jährige der Impressario der Formel eins. Am Wochenende fährt die Meute in Monaco wieder im Kreis. Es ist ein Milliardengeschäft.

F1 Grand Prix of Turkey - Race

Bernie Ecclestone (links) am Rande des Grand Prix von Monaco mit Sebastian Vettel.

(Foto: Getty Images)

Wer sich wie der knapp 1,60 Meter große Brite, den Zeitungen wahlweise "Napoleon" oder "Gottvater der Formel 1" nennen, jahrzehntelang gegen alle Widerstände durchsetzt, gilt als unverletzlich. Hat so jemand noch die Witterung für Gefahren? Alte Gegner, der gescheiterte Landesbanker Gerhard Gribkowsky, der in Untersuchungshaft sitzt, sowie die Münchner Staatsanwaltschaft könnten Ecclestone diesmal wirklich in die Bredouille bringen.

Für viel Aufregung sorgt in der Szene der Umstand, dass große Rennteams wieder einmal mit der Gründung einer eigenen Rennserie drohen. Es ist der beste Zeitpunkt für solche Attacken. Die Mehrheit der Vermarktungsrechte an der Rennserie hält der Finanzinvestor CVC Capital Partners. Und der Vertrag, der die Teams an CVC & Co. bindet, läuft 2012 aus. Über eine Verlängerung des Concorde Agreements, in dem unter anderem die Gewinnausschüttung an die Teams geregelt ist, wird gefeilscht.

Ferrari-Präsident Luca die Montezemelo hat schon öffentlich erklärt, die Teams könnten eine eigene Firma gründen, eigene Rennen veranstalten und die TV-Rechte selbst verkaufen. Montezemolo gehört zu den traditionellen Kritikern Ecclestones. Muss der Brite den Ferrari-Mann ernst nehmen? Ähnliche Drohungen mit einer eigenen Serie der Hersteller hat es immer schon mal gegeben, und nie ist was daraus geworden.

Anfang des Monats gaben die News Corporation des Medienunternehmers Rupert Murdoch und die italienische Investmentgruppe Exor bekannt, sich für den Kauf der Formel 1 zu interessieren. CVC Capital Partners erklärte nur, die Rennserie stehe derzeit nicht zum Verkauf. Geplänkel also. Bei CVC gibt es leidenschaftliche Anhänger Ecclestones, aber auch entschlossene Gegner. Die Anhänger sind noch deutlich in der Mehrheit, aber Finanzinvestoren mögen keine unangenehmen Kriminalgeschichten aus der Welt der Strafverfolger.

Die Versionen widersprechen sich sehr

Wie ein Schatten liegt über all den Manövern das Verfahren der Münchner Staatsanwaltschaft, das zunächst nur gegen Gribkowsky lief und dann auf Ecclestone ausgedehnt wurde. Der Fall wird von der Sonderkommission "Sonne" betrieben. Emissäre aus der Welt der Formel 1 haben mit wenig Erfolg versucht, sich in München einen Überblick zu verschaffen. Kürzlich soll Ecclestone bei einer Formel-1-Sitzung seine Sicht des Falles dargestellt haben. Wichtige Fragen sollen offen geblieben sein.

Die Ermittlungsakten enthalten dazu viel spannenden Stoff. Die Version des Beschuldigten Gribkowsky und die Version des Beschuldigten Ecclestone über ein fragwürdiges Millionengeschäft widersprechen einander sehr. Das bringt beide in Bedrängnis.

Gribkowsky war einst Vorstandsmitglied der Bayern LB und verantwortlich für die Rennserie, die der Staatsbank bis 2006 gehörte. Nachdem Bayern die Formel 1 an den Investor CVC verkauft hatte, erhielt Ecclestone 41,6 Millionen Dollar von der Münchner Bank, als eine Art Provision oder Prämie. Gribkowsky kassierte in den zwei Jahren danach von zwei Firmen aus Ecclestones Umfeld etwa 44 Millionen Dollar. Die Summen liegen auffällig dicht beieinander und unklar ist, warum gezahlt wurde.

Womit hätte Gribkowsky Druck ausüben können?

Gribkowsky sitzt seit Anfang 2011 wegen Verdachts auf Bestechlichkeit, Veruntreuung von Geld der Landesbank und Steuerhinterziehung in Höhe von 6,6 Millionen Euro in Untersuchungshaft. Er hatte das Geld auf die Konten österreichischer Gesellschaften lenken lassen und dafür dem dortigen Fiskus 8,2 Millionen Euro gezahlt. In Deutschland wären, so steht es im ersten von zwei Haftbefehlen, 14,8 Millionen Euro fällig gewesen. Gribkowsky hat sich dazu von der Staatsanwaltschaft noch nicht ausführlich vernehmen lassen. Das kann sich ändern.

Kurioserweise hatte sich der Ex-Landesbanker Ende 2010 bei den Ermittlern selbst gemeldet, als seine heimlich kassierten Dollar-Millionen öffentlich ruchbar wurden. Die Strafverfolger fertigten einen zwölfseitigen Vermerk, in dem sie die wichtigsten Ergebnisse des vierstündigen Gesprächs zusammenfassten, und nahmen Gribkowsky kurz darauf fest.

Der Ex-Manager hatte den Ermittlern erzählt, er habe von Ecclestone das Geld bekommen, weil er bei seiner Arbeit in der Formel 1 "viel Wissen" über deren Firmenstrukturen gesammelt habe. In den Jahren 2003 bis 2006 habe er in großem Umfang Einblick in "Art und Weise" der Formel-1-Geschäfte und der dortigen Strukturen bekommen. Ecclestone habe ihn deshalb als Berater angeheuert.

Was meint das? Braucht ein Ecclestone, der 1971 die Formel 1 gegründet hat, die Beratung eines Herrn Gribkowsky und warum soll er zu diesem Zweck 44 Millionen Dollar gezahlt haben. Gribkowsky erzählte den Ermittlern auch, Ecclestone habe ihm anfangs sogar 80 Millionen Dollar angeboten. Er, Ecclestone, wolle dieses Geld auf einem Konto in Singapur bereitstellen, wo Gribkowsky sich bedienen könne.

Anfang April, die Münchner hatten inzwischen auch ein Verfahren gegen Ecclestone eingeleitet, wurde der Herrscher der Formel 1 als Beschuldigter in München vernommen. Die Vernehmung ist mehr als ein Dutzend Seiten lang, und Ecclestone schildert ausführlich seine Beziehungen zu Gribkowsky. Dessen Beratung habe er nun wirklich nicht benötigt, behauptete er, aber der Münchner habe damals angeblich Druck auf ihn ausgeübt. Nur deshalb habe er das viele Geld dem Deutschen gezahlt. Doch womit hätte Gribkowsky Druck ausüben können?

Bernies Gegner können hoffen

Die Ermittler erkundigten sich bei Ecclestone, ob dieser mal Gribkowsky bedroht habe: "Nie". Sie präsentierten ihm ein Polizeiprotokoll, wonach Gribkowsky vor Jahren beim Joggen im Perlacher Forst bei München angeblich von zwei "Typen" zusammengeschlagen worden sei. Möglicherweise stecke Ecclestone dahinter, soll er damals gesagt haben. Ecclestone soll verblüfft dreingeschaut haben. Gribkowsky sei noch größer als Ecclestones Anwalt Sven Thomas aus Düsseldorf. Der misst 1,89 Meter.

Vor ein paar Tagen schaute der Düsseldorfer Anwalt in München vorbei, um mit den Ermittlern über den Fortgang des Verfahrens zu reden. Die in London daraufhin umlaufenden Gerüchte, Anwalt und Ermittler hätten sich für den Fall einer Kooperation auf einen Strafbefehl verständigt, sind wohl falsch. Ein mit der Causa vertrauter Experte sagt, eine weitere Vernehmung Ecclestones sei wahrscheinlich, und auch bei dem sei noch alles drin. Auch eine Anklage. 44 Millionen Dollar seien kein Pappenstiel. Bernies Gegner können diesmal hoffen.

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