Süddeutsche Zeitung

Formel 1: Rätsel um Ecclestone und Gribkowsky:Spuren im Sand

Intensiv fahnden Ermittler nach Belegen für die vermeintlich größte Schmiergeldzahlung, die je ein deutscher Manager erhalten haben soll. Aber vieles bleibt mysteriös. Im für Gribkowsky günstigsten Fall käme er bald frei und könnte sein Vermögen behalten.

Klaus Ott und Nicolas Richter

Vor einer Woche hofften die Fahnder von Münchner Staatsanwaltschaft und Bayerischem Landeskriminalamt, das Rätsel um Formel-1-Chef Bernie Ecclestone endlich lösen zu können. Mit einem Durchsuchungsbeschluss reisten sie quer durch Deutschland, um einen halben Tag lang Büro und Wohnung eines Geschäftsmannes aus der Motorsportszene zu filzen.

Die Fahnder hofften auf Beweismaterial, das erklären könnte, ob und, wenn ja, warum Ecclestone, der Gründer und Lenker der Formel 1, vor einigen Jahren dem damaligen BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky heimlich fast 50 Millionen Dollar gezahlt hat. Bayerns Landesbank war in den Jahren zuvor Haupteigentümerin der Rennsportserie gewesen, hatte sich aber 2006 davon getrennt.

Gribkowsky sei bestochen worden, offenbar von Ecclestone, vermutet die Staatsanwaltschaft. Der frühere Bankvorstand sitzt seit Jahresbeginn im Münchner Gefängnis Stadelheim in Untersuchungshaft; seither fahnden die Ermittler intensiv nach Motiven und Belegen für die vermeintlich größte Schmiergeldzahlung, die je ein deutscher Manager erhalten haben soll.

Illegale Geschäfte? Nicht nachweisbar!

Aber auch nach vier Monaten bleibt vieles mysteriös. Die Durchsuchung vor einer Woche sollte weiterhelfen: Der betroffene Geschäftsmann aus der Motorsportszene, ein ehemaliger Widersacher Ecclestones, hatte Gribkowsky vor Jahren Material über den britischen Formel-1-Chef zukommen lassen.

Waren das vielleicht Unterlagen, mit denen Gribkowsky Ecclestone hätte erpressen können? Könnten sie die dubiosen Zahlungen für Gribkowsky erklären? Offenbar nicht. Die Ermittler kommen nicht weiter. Wo immer sie auch ansetzen - die Spuren führen in Ecclestones Richtung, aber nicht zu ihm.

Es könnte den Münchner Ermittlern gehen wie vielen anderen vor ihnen: Wer versuchte, Bernie Ecclestone illegale Geschäfte nachzuweisen, der scheiterte.

Im Durchsuchungsbeschluss der vergangenen Woche sind zahlreiche Firmen und Personen aus Ecclestones Umfeld aufgelistet - sie alle sollen in den Fall verwickelt sein. Anwälte aus Genf etwa, die womöglich geholfen haben, die Millionen an Gribkowsky zu überweisen. Auch Bambino Ltd., die Familienholding der Familie Ecclestone, wird in dem Gerichtsbeschluss erwähnt. Bambino spielt nicht nur in der Formel 1 eine zentrale Rolle, sondern auch in den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft.

Bei ihrer Suche nach Verbindungen zwischen Gribkowsky und Ecclestone sind die Fahnder etwa auf den aufschlussreichen Entwurf für einen Beratervertrag gestoßen. Das Papier stammte offenbar von Ecclestones Vertrauensanwalt Stephen J. Mullens und datierte vom November 2005, kurz bevor die Landesbank ihre Formel-1-Anteile verkaufte.

Vertragspartner 1 war demnach die Bambino Holding. Bambino galt lange Zeit als juristische Marionette, die formal unabhängig war von Bernie Ecclestone, in Wahrheit aber von ihm bewegt wurde. Vertragspartner 2 war eine Firma aus Österreich, die damals gegründet wurde. In Österreich hat eine Firma Gribkowskys wenig später tatsächlich ein Millionenvermögen in Dollar erhalten. An dem Vertragsentwurf ist alles verdächtig, der Zeitpunkt ebenso wie die Umstände. In jener Zeit nämlich verkaufte die BayerbLB nicht nur ihre Formel-1-Anteile, sie tat es auch im größten Einvernehmen mit Ecclestone, obwohl der Brite und der deutsche Bankmanager Gribkowsky kurz zuvor noch erbittert um die Macht gerungen hatten. Durch den Verkauf aber sicherte sich Ecclestone seinen Einfluss und viel Geld. Hatte er Gribkowsky geschmiert, damit die Dinge in seinem Sinne geregelt würden?

Als Gribkowsky später tatsächlich zwei Beraterverträge unterschrieb und fast 50 Millionen Dollar erhielt, war auf dem Papier keine Rede mehr von Bambino. Als Vertragspartner firmierten stattdessen Briefkastenfirmen aus Mauritius und den Britischen Jungferninseln. Und im dortigen Sand verlieren sich auch die Spuren, denen die Münchner Ermittler folgen. Es ist nahezu unmöglich, den Geldfluss weiter zurückzuverfolgen und die Quelle zu finden. Auf internationale Rechtshilfe könne man in diesen Staaten nicht hoffen, heißt es in Justizkreisen. Solche Steuerparadiese hätten immer noch ihre eigenen Regeln.

Lieber nichts wissen

Seltsam verhält sich die Staatsgewalt aber auch mitten in der Europäischen Union. In Österreich, wo Gribkowsky sein geheimes Vermögen zunächst in einer Stiftung versteckte, wollten die Behörden lieber nichts wissen. Die örtliche Raiffeisenbank meldete zwar verdächtig hohe Summen, aber die zuständige Salzburger Staatsanwaltschaft ermittelte nicht wirklich. Als ein von Gribkowsky beauftragter Anwalt den Salzburger Strafverfolgern einen zweiseitigen, nichtssagenden Beratervertrag mit einer unbekannten Firma aus den Tropen vorlegte, um die Millionenzahlung zu erklären, wunderte sich der Beamte zwar. Wie man mit einem solch windigen Vertrag so viel Geld verdienen könne, fragte der Salzburger Staatsanwalt und fügte hinzu, sein eigener Mietvertrag sei ja schon deutlich länger. Aber das war es dann auch. Das Geldwäsche-Verfahren wurde eingestellt.

Zum Kriminalfall wurde das Vermögen erst, als die Süddeutsche Zeitung Anfang des Jahres darüber berichtete und die Münchner Staatsanwaltschaft sich der Sache annahm. Nur wenige Tage später war Gribkowsky bereits im Gefängnis, wo er die Sache nun offenbar aussitzen will. Es seien legale und in Österreich korrekt versteuerte Beraterhonorare gewesen, verteidigt er sich. Vertraute Gribkowskys berichten, er habe immer erzählt, das Geld stamme von Ecclestone. Der habe ihn, Gribkowsky, nach den früheren Fehden eines Tages um Rat gebeten. Ecclestone sei "stinkreich", und wer zu seinem engsten Umfeld gehöre, könne an diesem Reichtum teilhaben, soll Gribkowsky erzählt haben. Dieser Version widerspricht, dass Ecclestone von Millionenzahlungen an Gribkowsky nichts wissen will. Oder stammt das Geld von Bambino Holdings, auf die Ecclestone ja angeblich keinen Einfluss hat?

All diese Theorien helfen der Staatsanwaltschaft München zurzeit nicht weiter. Wenn sie Gribkowsky wegen Bestechlichkeit verurteilen lassen will, dann muss sie nachweisen, dass er Schmiergeld erhalten hat. Alle Spuren, die womöglich zu Ecclestone führen könnten, enden im Ausland. Nur dort will Gribkowsky den Briten beraten haben. Das könnte bedeuten, dass es keinen deutschen Tatort gibt. Und ohne deutschen Tatort tun sich die Ermittler schwer, gegen Ecclestone vorzugehen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich am Ende nur eine Steuerhinterziehung nachweisen lässt. Gribkowskys Anwälte hoffen, sogar diesen Vorwurf zu widerlegen; sie haben Haftbeschwerde eingelegt. Im für Gribkowsky günstigsten Fall käme er bald frei und könnte sein Vermögen behalten. Plus Haftentschädigung.

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Quelle:
SZ vom 13.04.2011/hgn
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