Forderung nach Rente mit 69:Fluch der Babyboomer

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Rente mit 67? Reicht nicht, behauptet die Bertelsmann-Stiftung. Die Deutschen müssten bis 69 arbeiten, weil sie immer älter werden und die Rentenlast weiter steigt. Doch viele gesetzlich Versicherte steigen ohnehin früher aus dem Job aus. Realistisch ist also schon die aktuelle Grenze nicht.

Von Nakissa Salavati

Das Titelbild der aktuellen Studie zur Rente, die die Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben hat, zeigt zwei ältere Männer auf einer Bank. Sie sehen sich ähnlich wie Zwillinge. Der eine strahlt in persilweißem Hemd, entspannt genießt er seine Freizeit. Der andere trägt Anzug, arbeitet am Laptop und blickt traurig drein. Wahrscheinlich hat er die Studie gelesen, für die er posiert.

In dem Papier analysieren die Autoren das deutsche Rentensystem. Ihr Fazit: Die Deutschen müssten nicht wie aktuell bis zum Alter von 67, sondern künftig bis 69 arbeiten. Die Babyboomer der Jahre 1955 bis 1970 gehen bald in Rente, außerdem leben wir immer länger. 2030 wird dem Statistischen Bundesamt zufolge der Anteil der über 65-Jährigen 29 Prozent ausmachen, 2060 wird jeder Dritte mindestens 65 Jahre alt sein. Die Rentenausgaben steigen und steigen.

Langfristig hieße das laut Studie: 2060 müsste der gesetzlich Rentenversicherte 27,2 Prozent seines Bruttolohns einzahlen, um ein Rentenniveau, also den Anteil des Durchschnittsgehalts, von 41,2 Prozent zu erhalten.

Die Bertelsmann-Stiftung schlägt daher vor, Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen und die Erwerbstätigkeit der Frauen zu erhöhen. Noch einen Punkt stellen die Autoren heraus: Das Rentenalter müsste zwischen 2030 und 2060 auf 69 Jahre angehoben werden. Nur so könnte mit den anderen Maßnahmen 2060 ein Rentenniveau von 42,5 Prozent bei einem Beitragssatz von 25,5 Prozent gehalten werden. Dann, und hier kommt die Studie auf den Punkt, wäre gerade mal ein effektives Rentenalter von 67 Jahren erreicht.

Fast die Hälfte der Versicherten hört früher auf

Die Autoren schreiben: "Aktive Versicherte haben nämlich die Wahl, vorzeitig in Rente zu gehen, wenn sie dafür gewisse Abschläge bei den laufenden Leistungen in Kauf nehmen" - und diese Abschläge müssten sich erhöhen. Anders würde es Professor Ernst Kistler vom Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie ausdrücken: "Viele Beschäftigte können bereits jetzt nicht so lange arbeiten, weil die psychischen und körperlichen Belastungen zu hoch sind. Das trifft den Dachdecker, aber auch viele andere Berufsbereiche wie Erzieherinnen, Pfleger, Logistik-Dienstleister oder Omnibusfahrer".

Ob Arbeitnehmer nun die Wahl haben, früher aus ihrem Beruf auszusteigen oder schlichtweg ausgebrannt sind - aktuelle Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen: 2011 hat von 700.000 Menschen, die vor 1947 geboren wurden und zum ersten Mal Altersrente erhielten, fast die Hälfte nicht bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren gearbeitet. Daher bekamen sie auch nicht die volle Rente ausgezahlt. Die Einbußen sind damit so hoch wie nie. Mit der Rente von 69 Jahren würden sie noch steigen. Das Problem trifft tatsächlich nicht nur eine Branche: In 23 von 39 ausgewählten Berufsgruppen liegt der Anteil der Frührentner bei mehr als 60 Prozent. Aus den Zahlen geht nicht hervor, warum die Beschäftigten früher aus dem Beruf ausgestiegen sind.

Die Rente mit 65, geschweige denn mit 67 oder 69, ist also zumindest für einen Großteil der Versicherten unrealistisch. Sollte dies so bleiben, warnen Gewerkschaften und Sozialverbände, seien immer mehr alte Menschen von Armut betroffen. Denn abgesehen davon, ob sie überhaupt noch arbeiten können, fehlen auch die Stellen. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge hatten von den 64-Jährigen im Juni 2012 nur 14,2 Prozent einen Job.

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