Fonds:"Nackter Betrug"

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Seit Jahren kassieren die Banken für Anlageprodukte Provisionen, die eigentlich ihren Kunden zustehen würden.

Markus Zydra

"Ich halte das Verhalten der Bank für anrüchig", sagt Peter Lahm (Name von der Redaktion geändert). Die Enttäuschung in seiner Stimme klingt echt, gleichzeitig hat sie diesen ungläubigen Unterton, der mitschwingt, wenn man gerade etwas erlebt, das selbst in der kühnsten Phantasie nicht vorstellbar war.

Im letzten Jahr erst begriff Lahm, was zwischen ihm und seiner Hausbank abgelaufen ist. Die Umstände sind auf den ersten Blick komplex, der Kern des Ärgers ist klar: Die Bank kassiert, ohne dass er davon wusste.

Lahm besitzt bei der Dresdner Bank Aktienfonds im Wert von 100.000 Euro, er will privat für seine Rente sparen, so wie es die Politiker jedem Bürger empfehlen. Millionen Menschen in Deutschland haben Fonds gekauft. Es ist ein Riesengeschäft.

Kickback-Zahlungen zurückfordern

Fondsgesellschaften bezahlen deshalb Geld an denjenigen, der ihre Fonds vertreibt. Das sind im Durchschnitt 0,6 Prozent jährlich auf die eingezahlte Summe.

Solche Provisionen werden auch als "Rückvergütung" oder "Kickback" bezeichnet. Im Fall von Lahm sind da seit 2002 rund 3000 Euro aufgelaufen, doch er weiß es nicht genau. Die Dresdner Bank kann oder will die Höhe der je nach Institut variierenden Provisionen nicht beziffern.

"Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt, dass solche Provisionen dem Kunden zustehen. Da die Banken das Geld über Jahrzehnte nicht weitergegeben haben, könnte man auch von nacktem Betrug sprechen", sagt Jens Graf, Rechtsanwalt aus Düsseldorf.

Kunden dürfen Kickbacks der letzten 30 Jahre zurückfordern, die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Kenntnisnahme der Provisionszahlungen. Doch die Banken haben selten darüber informiert. "Die Kickbacks gehören dem Kunden, doch die wenigsten Anleger wissen es", sagt Andreas Tilp, Tübinger Rechtsanwalt, der 2006 ein für Bankkunden bahnbrechendes Urteil zu Kickbacks vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erstritten hat.

Danach hat jeder Kunde, der nicht über diese versteckten Gebühren aufgeklärt wurde, einen Anspruch auf Rückabwicklung des Geschäfts und Schadensersatz. Die Kickback-Provisionen gehören dem Kunden sowieso, so beide Anwälte.

Insgesamt geht es um viele Milliarden Euro. Während einige Banken nach freundlicher Anmahnung die Provisionen zurückgeben, sind andere weniger kooperativ.

"Erst sagte der Geschäftsstellenleiter, er könne die Höhe des Kickbacks nicht berechnen, dann sagte er, man werde es nicht erstatten", sagt Peter Lahm. Die Dresdner Bank begründet ihre Haltung damit, dass Lahm von einem anderen Institut beraten worden ist.

Lahm hatte sein Depot von der Hypo-Vereinsbank übertragen. "Deshalb ist das Urteil nicht anwendbar", so die Dresdner Bank in einer Erklärung. Diese Fragen könnten nicht einheitlich beantwortet werden. "Je vornehmer die Bank und je wichtiger der Kunde, desto eher kriegt er sein Geld wieder", sagt Anwalt Graf, der die Widerstände kennt.

Banken laden gerne ein zum Beratungsgespräch, das, so der Eindruck, nichts koste. Oft werden Fonds aus dem eigenen Haus empfohlen. Das Kickback verbirgt sich in der Managementgebühr, die bei Aktienfonds rund 1,5 Prozent jährlich beträgt und vom Kunden bezahlt wird. Rund die Hälfte davon fließt zurück an die beratende Bank. Über Jahre hinweg kommen durch den Zinseszinseffekt enorme Summen zusammen.

Seit Einführung des neuen EU-Finanzmarktrechts (Mifid) am 1. November 2007 müssen Berater diese Provisionen offenlegen. Meist reichen sie dem Kunden einen Prospekt, in dem die Provisionen aufgeführt sind. Einige Banken verschicken derzeit auch ein Formblatt, in dem der Kunde pauschal per Unterschrift erlaubt, dass die Bank das Kickback behalten darf.

Gleichzeitig haben Banken den Vertriebsdruck erhöht. "Es gibt klare Absatzziele pro Filiale je Berater, da werden die Kundenlisten abtelefoniert und je nach Börsenlage ständig neue Hausprodukte verkauft, was der Bank weitere Provisionen bringt. Als bester Berater intern gilt der, der am meisten umsetzt", sagt der ehemalige Kundenberater einer deutschen Großbank. "Aus dem Bankberater wurde ein Verkäufer.

Das Fachwissen wurde durch das Vertriebswissen ersetzt", so der 50-Jährige, der das Spiel nicht mehr mitmachen wollte. Gleichzeitig hat sich die Nachwuchsarbeit verschlechtert. "Der Vertriebsdruck wird immer größer, die Azubis können gar nicht mehr so betreut werden wie früher. Das Backoffice mit Kreditbearbeitung oder Kontoeröffnung ist oft ausgelagert. Lehrlinge lernen das Bankgeschäft nicht mehr von Grund auf", sagt Mark Roach, Verdi-Referent für Bankenausbildung.

Peter Lahm hat die Dresdner Bank verlassen und sein Vermögen bei zwei kleinen Vermögensverwaltern untergebracht. Von ihnen erhält er die Kickbacks direkt überwiesen. Auch der Ausgabeaufschlag, der von Großbanken erhoben wird, fällt dort weg. Lahm bezahlt im Gegenzug ein Honorar für die Finanzberatung - in der Regel ein Prozent des Vermögens, was ihn per Saldo günstiger kommt als vorher.

Die Honorarberatung wächst in Deutschland. Feine Privatbanken bieten sie schon lange an, oft ab einer Mindestanlagesumme, die zwischen 50.000 und 150.000 Euro liegen kann. Aber auch der Markt für freie Honorarberater wächst, die bereits bei kleineren Sparplänen gegen ein dreistelliges Euro-Honorar aktiv werden. Ein Pool ist beispielsweise der Verbund Deutscher Honorarberater. Prominentester Verfechter der Honorarberatung ist Karl Matthäus Schmidt, der Chef der Quirin Bank.

© SZ vom 12.02.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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