Förderung:Verschobene Zauberformeln

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Politiker fordern ein Baukindergeld und eine niedrigere Grunderwerbsteuer. Dass davon etwas bald verwirklicht wird, glauben nicht mal die Erfinder selbst.

Von Peter Blechschmidt

Wenn die Steuergelder üppig sprudeln und obendrein noch ein Wahltag ansteht, dann denken Politiker gern über neue Wohltaten fürs Volk nach. SPD und CDU haben soeben mal wieder ihr Herz für die Familie entdeckt. Diesmal geht es beiden Parteien darum, Familien mit Kindern und geringem Einkommen den Erwerb eines Eigenheims zu erleichtern. Baukindergeld heißt das neue Zauberwort.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat Anfang November mit einer entsprechenden Ankündigung Aufmerksamkeit erregt. Zwischen 8000 und 20 000 Euro will Hendricks bedürftigen Familien in "besonders nachgefragten Regionen" zukommen lassen, damit sie sich leichter die eigenen vier Wände anschaffen können. Weniger Beachtung hatte zuvor die nordrheinisch-westfälische CDU mit einer ähnlichen Idee gefunden, die sie in einem Antrag an den CDU-Bundesparteitag formuliert hat, der am 6./7. Dezember in Essen stattfinden soll. Etwas pikiert spricht man deshalb in der CDU davon, die SPD-Politikerin habe nur aus Wahlkampftaktik versucht, sich auf dieses Thema "draufzusetzen". Das sehe man ja schon daran, dass der Hendricks-Vorschlag im Detail noch gar nicht ausgearbeitet sei.

Das gilt allerdings erst recht für den CDU-Vorstoß. "In Form einer ergänzenden kinderbezogenen Zahlung (als Jahresbetrag) soll jungen Familien, die Wohneigentum erwerben, die Bildung von selbst genutztem Wohneigentum finanziell erleichtert werden", heißt es etwas holprig in dem Antrag der NRW-CDU. Konkreter werden die Christdemokraten von Rhein und Ruhr nicht. Man wolle zunächst mal einen Anstoß geben, heißt es in der CDU: "Mal sehen, was geht." Man rede ja auch nicht nur vom Baukindergeld, erläutert Ralph Brinkhaus, stellvertretender Landesvorsitzender, Vizechef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und einer der Initiatoren des Antrags. "Die CDU NRW hat ein Gesamtpaket vorgelegt: Wir wollen auch einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für das erste Familienheim. Wir wollen gegen Kostensteigerungen durch überzogene Baustandards vorgehen. Und wir wollen den ländlichen Raum stärken, um den preissteigernden Flächendruck aus den Ballungsräumen herauszunehmen". sagte Brinkhaus der Süddeutschen Zeitung.

Die Eigenheimzulage wurde 2005 abgeschafft. Ob die Förderung sinnvoll war, ist bis heute unklar

Gegenüber den wolkigen Ansätzen der CDU ist SPD-Ministerin Hendricks gerade-zu konkret, wenn auch hinter ihrem Vorstoß noch viele Fragezeichen stehen. So bleibt offen, was Hendricks unter "besonders nachgefragten Regionen" versteht. Es darf vermutet werden, dass es sich dabei um Ballungsräume wie Berlin, München oder Hamburg und um attraktive Universitätsstädte handelt. Unbeantwortet ist auch die Frage nach der Abstufung der Förderbe-träge. "Je nach Kinderzahl", sagte die Ministerin im Interview mit den Funke-Medien, in dem sie ihren Plan präsentierte. Unklar ist ferner, wie viel Geld Hendricks insgesamt und über welchen Zeitraum ausgeben will - oder darf. Denn noch fehlt die Zustimmung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Entgegen der Ankündigung der Ministerin, dass über das Programm noch in diesem Jahr entschieden werden solle, sind im gerade verabschiedeten Bundeshaushalt für 2017 allerdings keine Mittel dafür eingeplant.

Die Idee des Baukindergeldes ist nicht neu. Es war schon Bestandteil der Eigenheimzulage, die von der damaligen großen Koalition aus CDU und SPD im Jahr 2005 abgeschafft wurde. Laufende Zusagen wurden noch bis 2013 erfüllt. Insgesamt gilt die Eigenheimzulage mit einem Gesamtvolumen von etwa 107 Milliarden Euro als die größte Einzelsubventionierung in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Ob sie jedoch ihren Hauptzweck erfüllt hat, nämlich einkommensschwächeren Haushalten zu eigenen vier Wänden zu verhelfen, ist unter Fachleuten zumindest umstritten. Viele Ökonomen sind der Meinung, dass Eingriffe in den Wohnimmobilienmarkt keinen Wohlfahrtsgewinn mit sich bringen, sondern lediglich ein Ungleichgewicht im Markt herstellen und damit marktverzerrend wirken. Deshalb plädieren in der jetzt wieder angestoßenen Debatte um eine Wohnraumförderung viele Experten für einen Mix aus diversen Maßnahmen wie Senkung der Anschaffungs-Nebenkosten, Reduzierung der Grunderwerbsteuer oder Zinsgarantien.

Zustimmung zum Vorstoß der Bauministerin kommt - nicht überraschend - vom "Zentralen Immobilien Ausschuss" (ZIA), einem der größten Verbände der Immobilienwirtschaft. Die Eigenheimförderung könne "insbesondere jüngere Käufer darin unterstützen, für die private Altersvorsorge Eigentum zu bilden", erklärt ZIA-Präsident Andreas Mattner. Gleichwohl müsse die Politik andere Kostentreiber im Blick behalten. Man könne nicht einerseits Anreize wie die Eigenheimförderung setzen und auf der anderen Seite diese durch Erhöhung der Erwerbsnebenkosten, etwa die konstante Heraufsetzung der Grunderwerbsteuer, zunichte machen.

Ähnlich argumentiert Professor Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Auch er hält die Förderung einkommensschwacher Familien für richtig. "Gerade in Zeiten niedriger Zinsen ist das Eigenheim eine gute Absicherung fürs Rentenalter", sagt Voigtländer. Insgesamt müssten jedoch die Einstiegshürden für den Grunderwerb verringert und durch flexible Maßnahmen wie Zinsgarantien oder Tilgungszuschüsse ergänzt werden.

Je nach Ausgestaltung der Details wertet auch die Siegener Bauprofessorin Lamia Messari-Becker, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen, ein Baukindergeld als eine sinnvolle Maßnahme. Die Gefahr, dass die zusätzliche Förderung zur Bildung einer Preisblase auf dem Immobilienmarkt beitragen könnte, sieht Messari-Becker nicht, "wenn grundsätzlich sichergestellt werden kann, dass die Nutznießer die Zinsen und die Tilgungen auch bezahlen können".

Zeit, dies alles zu regeln, bleibt genug. Nach Lage der Dinge, das sehen die Vorkämpfer selbst so, wird es mit dem Baukindergeld frühestens in der nächsten Legislaturperiode etwas werden.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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