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Finanztransaktionssteuer:Mit Robin Hood gegen die Spekulanten

Im Kampf gegen die Schuldenkrise ist sie plötzlich wieder in aller Munde - die Finanztransaktionssteuer. Nun hat die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt. Aber ist eine solche Steuer wirklich sinnvoll? Wo liegen die Gefahren?

Mario Lochner

Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Schuldenkrise: Ratlos stehen Europas Politiker vor einem Scherbenhaufen. Ein Mittel gegen die Krise könnte die sogenannte Finanztransaktionssteuer sein. Und in der Tat: Die EU-Kommission hat nun Vorschläge für eine derartige Abgabe in der Europäischen Union beschlossen. Es sei Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag im Kampf gegen die Finanzkrise leiste, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor dem Europaparlament. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie funktioniert eine Finanztransaktionssteuer?

Die Steuer zählt zu den sogenannten Kapitalverkehrssteuern, sie belastet Finanztransaktionen mit einem bestimmten Satz. Wer beispielsweise Aktien für 1000 Euro kauft, muss das Handelsvolumen versteuern. Angenommen der Satz liegt bei 0,5 Prozent, dann belaufen sich die Kosten auf fünf Euro.

Der Zweck einer solchen Steuer besteht darin, die Finanzmärkte stärker zu regulieren und Spekulation einzuschränken. Zugleich wäre die Steuer ein Mittel, Anleger und die Finanzbranche an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Welche Varianten gibt es?

Die Varianten unterscheiden sich bei der Art der Besteuerung - und vor allem bei den Motiven ihrer Befürworter. Einige sind längst Realität, bislang hat jedoch kein Land eine Steuer eingeführt, die alle Finanztransaktionen umfasst.

[] Tobin-Steuer

Die bekannteste Variante stammt vom US-Wirtschaftswissenschaftler James Tobin. Er schlug 1972 vor, Devisengeschäfte weltweit mit einem Satz zwischen 0,05 Prozent und 1,0 Prozent zu besteuern. Ihm ging es jedoch nicht darum, das Steueraufkommen zu erhöhen. Die nach ihm benannte Tobin-Steuer (Tobin tax) sollte Währungsspekulationen reduzieren und schließlich die Finanzmärkte stabilisieren.

Globalisierungsgegner fordern schon seit geraumer Zeit, eine solche Steuer einzuführen und verweisen dabei immer wieder auf Tobin. Doch bereits vor zehn Jahren hatte er sich in einem Spiegel-Interview von politischen Motiven distanziert. Er erklärte, dass er ein Anhänger des Freihandels sei und es ihm vor allem darum gehe, die Spekulation einzudämmen.

[] Robin-Hood-Steuer

Den gleichen Ansatz wie die Tobin-Steuer, aber ein anderes Motiv haben die Befürworter der Robin-Hood-Steuer. Mehr als 50 Organisationen wie Unicef oder Greenpeace haben vor anderthalb Jahren eine Kampagne gestartet. Sie fordern, Finanztransaktionen mit rund 0,05 Prozent zu besteuern. In erster Linie geht es aber nicht um die Spekulanten. Die Aktivisten wollen die Finanzkrise als Chance nutzen, um die Welt zu verbessern. Mit zusätzlichen Steuererlösen sollen Armut und Klimawandel bekämpft werden.

[] Börsenumsatzsteuer

Kapitalverkehrssteuern sind keine Neuheit an den Finanzmärkten. So gibt es vielerorts die Börsenumsatzsteuer, die bei Geschäften mit Wertpapieren (Aktien, Anleihen) anfällt. In Deutschland wurde eine solche Steuer bereits 1881 eingeführt und mit Unterbrechungen bis 1991 erhoben. Sie wurde abgeschafft, um die Ausbreitung der Aktienkultur zu fördern.

Großbritannien besteuert inländische Börsengeschäfte schon seit 1694 - die sogenannte stamp duty reserve tax besteht bis heute. Und auch die USA haben Erfahrung damit: Bis 1966 galt eine Börsenumsatzsteuer von zuletzt 0,4 Prozent - mittlerweile gibt es nur noch Vermögensverkehrssteuern in manchen Bundesstaaten. Schweden führte 1985 eine Börsenumsatzsteuer ein und scheiterte. Die Handelsumsätze brachen teilweise um 85 Prozent ein, sieben Jahre später wurde die Steuer wieder abgeschafft.

Wäre eine Finanztransaktionssteuer effektiv?

"Eine Transaktionssteuer würde Sand ins Getriebe der Spekulanten streuen", sagt Professor Dr. Rudolf Hickel von der Universität Bremen. Der Wirtschaftswissenschaftler geht davon aus, dass die steuerliche Belastung der Spekulation eine wichtige Lenkungsfunktion hätte. "Hedgefonds müssten ihre Geschäftsmodelle überdenken", sagt Hickel, "entweder würden sie bezahlen oder weniger spekulieren." Er bewertet die Steuer als Win-win-Situation: Sollten sich die Spekulanten durch eine Steuer doch nicht bremsen lassen wie gewünscht, dann profitiere der Staat trotzdem - von höheren Steuereinnahmen.

Andere bezweifeln die Wirksamkeit einer solchen Steuer. Es bestünde die Gefahr, dass die Finanzmärkte auf Länder auswichen, die diese Steuer nicht hätten, heißt es etwa bei den Wirtschaftsforschern des DIW Berlin. Auch sei es zweifelhaft, ob die Steuer die Finanzmärkte tatsächlich stabiler machen würde. Denn Spekulanten könnten mit ihren Geschäften auch Fehlbewertungen ausgleichen und damit stabilisierend wirken.

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wetterte kürzlich gegen die Transaktionssteuer, weil sie die Finanzplätze im Euro-Raum gefährde. Im Gespräch mit dem US-Fernsehsender CNBC sagte der Schweizer zudem: "Das Wiederaufleben der Idee ist problematisch, ich dachte eigentlich, sie sei für immer tot."

Müssen Privatanleger die Steuer fürchten?

Eine Finanzmarkttransaktionssteuer würde nicht nur Hedgefonds und professionelle Anleger treffen, sondern auch private Kunden. Selbst wenn diese nicht direkt handelten, würden Finanzinstitute wie Banken und Versicherer versuchen, die Steuer an sie weiterzugeben.

Wie viel Geld könnte die Steuer bringen?

Nach Schätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) aus dem Jahr 2010 könnte ein Steuersatz von 0,05 Prozent auf alle Finanztransaktionen in Deutschland rund 17 bis 36 Milliarden Euro einbringen.

Für die gesamte EU rechnet das WIFO mit Einnahmen von etwa 110 bis 250 Milliarden Euro. EU-Kommissionspräsident Barroso selbst geht von etwa 50 Milliarden Euro aus.

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