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Finanztest: Investmentfonds:Fonds über Bord

Hunderte von Investmentfonds gehen jedes Jahr unter. Finanztest zeigt die Rettungsboote auf: Welche Umtausch- und Informationsmöglichkeiten die Anleger haben.

Hunderte von Investmentfonds verschwinden jedes Jahr vom Markt. Sie werden mit anderen Fonds verschmolzen oder aufgelöst. Gerade Kleinanleger erfahren häufig erst spät von den Plänen. Finanztest erklärt die Regeln und sagt Anlegern, welche Alternativen sie haben.

Anlegern bleibt nicht viel Zeit

Liegt das Schreiben im Briefkasten, bleibt meist nicht mehr viel Zeit: "Die Fondsgesellschaft hat beschlossen, den oben genannten Fonds, der Bestandteil ihres Depots ist, zum Stichtag aufzulösen." Oder: "Das Sondervermögen XY wird zum Stichtag auf den Fonds YZ übertragen", heißt es da. "Anleger rufen uns empört an und fragen: 'Geht das denn überhaupt?' ", berichtet Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Verbraucher wüssten oft zunächst nicht, was die Schreiben der Banken, die eine Auflösung ihres Fonds oder eine Fondsfusion ankündigen, für sie bedeuten.

Kleine und junge Fonds riskanter

Oft sind es kleine Fonds mit spezieller Ausrichtung und einem geringen Volumen, die entweder liquidiert oder fusioniert werden. Meist laufen sie nicht gut. So hatten die Aktienfonds Welt und die Rentenfonds Euro aus dem Dauertest von Finanztest, die im vergangenen Jahr bis Ende November 2010 geschlossen oder fusioniert wurden, zuletzt eine unterdurchschnittliche Bewertung.

Um von Finanztest eine Bewertung zu bekommen, muss ein Fonds mindestens fünf Jahre am Markt sein. Häufig sind aber gerade junge Fonds davon betroffen. Wenn ein Fonds nicht genug Kapital sammeln kann, wird er wieder vom Markt genommen. Manchmal sind Fondsfusionen aber auch eine Folge von Bankenfusionen, wie zum Beispiel der Fusion der Allianz-Tochter Dresdner Bank mit der Commerzbank.

Finanzkrise bringt Schließungswelle

Welches Ausmaß die Schließungswelle im Zuge der Finanzkrise hatte, zeigt ein Blick in die Statistik. Nach Zahlen des BVI wurden in 2009 deutlich mehr Fonds aufgelöst als neu aufgelegt: Fast 600 Fonds machten dicht. Auch in 2010 waren es bis Ende November bereits 319 Fonds. Für das Gesamtjahr könnten es noch deutlich mehr werden: So hat zum Beispiel die Gesellschaft Pioneer Investments zum 11. Dezember alleine 25 Fonds auf andere Fonds verschmolzen.

Nebenwertefonds schneller betroffen

Obwohl Aktien bestimmter Branchen den Dax häufig schlagen, gibt es auch Verlierer unter den Fonds, die in solche Nebenwerte investieren. Der Grund: Die Kurse schwanken oft stärker als bei breit aufgestellten Aktienfonds. Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger kritisiert die Tendenz, solche Fonds bei Verlusten schnell zu schließen. "Wenn der Fonds unterdurchschnittlich notiert, dann muss ich abwarten können. Diese Möglichkeit nimmt die Fondsgesellschaft den Anlegern, wenn sie den Fonds in einer Verlustphase auflöst."

Anleger können auf die Entscheidung der Kapitalanlagegesellschaft keinen Einfluss nehmen. Sie sollten deshalb nicht bis zur Schließung abwarten, sondern sich vorher nach günstigen Alternativen umsehen.

Wie müssen die Fondsgesellschaften informieren?

Die Auflösung oder Fusion eines Fonds müssen die Fondsgesellschaften nach dem Investmentgesetz im elektronischen Bundesanzeiger und im Jahres- oder Halbjahresbericht ankündigen. Wird ein Fonds liquidiert, gilt eine Frist von sechs Monaten, bei Fusionen beträgt die Frist drei Monate.

Im Ausland sind die Fristen oft kürzer. In Luxemburg, wo viele Fonds deutscher Gesellschaften aufgelegt werden, muss die Ankündigung einer Fondsschließung "vor in Kraft treten" erfolgen, nach Angaben der Fondsgesellschaft DWS bedeutet das mindestens vier Wochen vorher. Bei Fusionen gilt in Luxemburg eine Frist von einem Monat, bevor die Anteilsrücknahme eingestellt wird.

Anleger oft spät informiert

Trotz der gesetzlichen Informationspflichten erfahren Kleinanleger oft erst wenige Wochen vorher von einer Schließung oder Fusion ihres Fonds. Denn die Fondsgesellschaft muss die Anleger nicht direkt informieren. Anleger erfahren in der Regel durch ihre Depot-Bank von den Plänen erst dann, wenn die Fondsgesellschaft die Mitteilung direkt oder über den zentralen Datenservice "Wertpapier-Mitteilungen" an die Banken verschickt.

Pflichten der Banken aus dem Depotvertrag

In ihren Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte verpflichten sich die depotführenden Banken ausdrücklich, Informationen zu Wertpapieren aus den "Wertpapier-Mitteilungen", die für den Kunden "zur Wahrung seiner Interessen erforderlich" sind, weiterzuleiten. "Wird keine Frist genannt, bedeutet das unverzüglich: Die Information muss ohne schuldhaftes Zögern erfolgen", sagt Carsten Heise, Anwalt für Kapitalmarktrecht und Rechtsexperte der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz.

Informationspflicht mit Lücken in der Praxis

Doch die Institute und Fondsgesellschaften haben hier viel Spielraum. Denn die Regelung in den Sonderbedingungen bezieht sich auf die Veröffentlichung der Informationen in den "Wertpapier-Mitteilungen" (WM), einem zentralen Datenservice der Finanzbranche. "Ab dem Zeitpunkt, in dem die Fondsgesellschaft hier über Schließung und Fusionen informiert, gelten die Informationen der Bank als bekannt und diese muss sie weiterleiten", sagt Heise.

Doch der WM-Datenservice wiederum erhält seine Informationen in erster Linie von den Fondsgesellschaften, erklärte Verlagsleiter Markus Heer gegenüber Finanztest. Vertragliche Pflichten, wann die Fondsgesellschaften diese Informationen verschicken müssen, gibt es nach Angaben von Banken nicht.

Für Anleger dürfte es also schwierig werden, bei Verlusten gegen eine späte Benachrichtigung vorzugehen. "Die Informationspflichten der Banken und Fondsgesellschaften gehen an der Realität vorbei, hier gibt es eine Schutzlücke", beklagt Rechtsanwalt Heise.

Finanztest hat bei verschiedenen Banken und Fondsgesellschaften nachgefragt, wann sie Anleger informieren. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, Haupteigner der Deka-Bank, teilte mit, man informiere die Kunden "so früh wie möglich, in der Regel zwei bis drei Monate vorher". Die Direktbank ING-Diba erklärte, die Nachricht werde "innerhalb weniger Tage" weitergeleitet, nachdem die Bank von den Plänen erfährt.

Offenbar besonders kurzfristig handeln müssen Anleger der Union Investment. Nach Angaben der Fondsgesellschaft führen rund die Hälfte der Kunden dort direkt ein Depot. Anleger würden "rund sechs Wochen vor einer geplanten Fondsschließung beziehungsweise -verschmelzung angeschrieben", teilte die Fondsgesellschaft Finanztest mit.

Bei Fusionen gibt es oft ein Umtauschrecht

Chancen auf Schadenersatz haben Anleger, wenn in der Mitteilung der Bank wichtige Informationen fehlen. Das ist zum Beispiel bei Fondsfusionen der Fall, die mit gesetzlichen Umtauschangeboten verbunden sind. Fondsfusionen sind in Deutschland erst seit Anfang 2004 erlaubt und müssen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) genehmigt werden.

Sind fusionierende Fonds von ihrer Anlagestrategie sehr unterschiedlich, kann die Fondsgesellschaft verpflichtet werden, dem Anleger zum Beispiel das Recht einzuräumen, seine Anteile kostenlos in einen vergleichbaren Fonds umtauschen zu können. Oft machen die Fondsgesellschaften auch freiwillig solche Angebote, die die Banken an die Kunden weiterleiten müssen.

Als Zeitrahmen genügt aus aufsichtsrechtlicher Sicht eine "rechtzeitige" Benachrichtigung der Kunden, so dass die Anleger die Möglichkeit haben, in angemessener Zeit zu entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. Erfolgt die nicht, kann die Behörde auch eingreifen. Wie eine Bafin-Sprecherin gegenüber Finanztest mitteilte, überprüfe die Aufsicht gerade, ob die Institute dieser Pflicht nachkommen.

BGH: Keine Beratungs-, aber Informationspflicht

Bei Fondsfusionen und ihrer Schließung muss die Bank nicht laufend beraten. "Der Beratungsvertrag ist in dem Moment beendet, in dem der Anleger gekauft hat", erklärt Anja Uelhoff, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof sind die Banken aber zur vollständigen und unmissverständlichen Weiterleitung der für den Depotinhaber zur Wahrung seiner Interessen wichtigen Informationen verpflichtet.

So gaben die Bundesrichter einer Aktionärin Recht, die ihre Bank auf Schadenersatz verklagt hatte, weil diese sie über ein freiwilliges Übernahmeangebot nicht informiert hatte, obwohl das Angebot zuvor in den "Wertpapier-Mitteilungen" veröffentlicht worden war. Nachdem die Umtauschfrist abgelaufen war, konnte die Frau die Papiere nicht mehr veräußern. Zur Wahrung der Interessen der Anlegerin habe die Information durch die Bank erfolgen müssen, urteilte die Bundesrichter.

Manchmal auch Infos des aufnehmenden Fonds

Bei Fusionen werden bisher nur die Anteilseigner des Fonds informiert, der vom Markt verschwindet. Die Anleger des aufnehmenden Fonds bekommen in der Regel von der Fusion nichts mit. Manchmal kann eine Verschmelzung aber auch Auswirkungen auf die Anlagestrategie des aufnehmenden Fonds haben. Das war zum Beispiel bei der Fusion des Aktienfonds DWS Japan mit dem DWS Japan Opportunities im vergangenen Jahr der Fall.

Nach der Fusion tauchten in dem Nebenwertefonds die großen Firmen aus dem Leitindex wie Toyota und Mitsubishi auf. "Ändern sich durch die Fusion die Vertragsbedingungen derart, dass sich die Anlagegrundsätze des Fonds dadurch wesentlich ändern, haben Anleger das Recht, ihre Anteile kostenlos umzutauschen", sagt Rechtsanwalt Heise. Sie können dann ohne Ausgabeaufschlag in einen vergleichbaren Fonds der Fondsgesellschaft wechseln.

Fusion steuerlich günstiger

Steuerlich gesehen ist eine Fusion kein Neukauf. Sie ist deshalb steuerlich immer günstiger als eine Schließung. Bei Fonds, die Anleger vor 2009 gekauft haben, sind die Kursgewinne steuerfrei. Sie bleiben es auch in Zukunft, wenn der Fonds in einen anderen überführt wird. Für Anleger, die ab 2009 investiert haben, ist eine Schließung besonders ärgerlich. Denn sie wird wie ein Verkauf behandelt und Abgeltungssteuer wird fällig.

Änderungen am Investmentgesetz geplant

Bald soll sich einiges ändern. Durch die EU-Richtlinie OGAW IV sollen Fondsfusionen künftig grenzüberschreitend reguliert werden. Sie soll zum 1. Juli 2011 in deutsches Recht umgesetzt werden. Anleger sollen demnach bei Fondsfusionen künftig durch die Fondsgesellschaft informiert werden. Auch Anleger des aufnehmenden Fonds sollen direkt angeschrieben werden. Die Bundesregierung hat im Dezember 2010 einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Investmentgesetzes beschlossen.

Rücknahme ausgesetzt: Was nun?

Um starke Geldabflüsse zu verhindern, können Fondsgesellschaften die Rücknahme von Fondsanteilen aber auch zwischenzeitlich einstellen. In so einem Fall können Anleger ihre Fondsanteile nur noch über die Börse verkaufen. Oftmals drückt das den Preis, teilweise um 80 Prozent oder mehr. Dass Fondsgesellschaften die Rücknahme aussetzen, ist aber nur in extremen Marktsituationen zu erwarten.

So waren zum Beispiel nach den Anschlägen vom 11. September Anleger fast aller großen Investmentfonds davon betroffen. Auch im Zuge der Finanzkrise kam es zur Aussetzung des Handels bei einzelnen Fonds. Anders als bei Immobilienfonds gibt es aber keine gesetzlichen Höchstgrenzen für die Dauer einer Schließung. Die Gesellschaften regeln diese in ihren Vertragsbedingungen im Prospekt. Üblich sind Schließungszeiträume von maximal drei und sechs Monaten.

Die Finanztest-Tipps erklären, was bei einer Fondsschließung zu tun ist.

Die Finanztest-Tabelle zeigt, welche Fonds es seit kurzem nicht mehr gibt.

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