Finanztest:Geldhäuser mogeln bei Beratung

Ein Gesetz schreibt den Banken detaillierte Protokolle vor. Doch die Institute tricksen, um keinen Schadenersatz leisten zu müssen.

A. Hagelüken und S. Boehringer

Der Kundenberater einer deutschen Großbank begrüßt seine Kunden immer noch herzlich. Nur selbständig sagen kann ihnen der Mann, der hier Gerd Hehner heißen soll, inzwischen nichts mehr. "Die genauen Auskünfte gibt ihnen mein eckiger Freund hier, ich darf so gut wie nichts mehr selbst entscheiden", sagt der Mitarbeiter einer Münchner Filiale und streichelt mit der Hand über den Flachbildschirm seines PCs.

Zwanzig Jahre ist Hehner bei der Bank beschäftigt. Früher war es nie ein Problem, den Kunden mal kurz einen Darlehenszins zuzurufen oder auch ein paar Ideen für die Geldanlage, "zum Nachdenken für zuhause". Inzwischen ist vieles anders.

Jeder Satz wird schriftlich festgehalten

Seine Gespräche beginnt Berater Hehner stets mit einem Formular, fast jeden Satz des Gesprächs hält er schriftlich fest. "Den Rest erledigt dann der Computer", sagt er. Kein Zweifel: Der politischen Bemühungen nach den Pleiten mit Lehman-Zertifikaten und anderen Verlusten in der Finanzkrise ändern langsam den Alltag der Geldhäuser.

Die alte und die neue Bundesregierung wollten die Anleger besser schützen. Kundenberater wie Hehner finden, dass die Pflicht zum Formular ihre Arbeit verschlechtert, unpersönlicher sei alles geworden, seine Einschätzung spiele keine Rolle mehr. Aber ist das die ganze Geschichte? Verbraucherschützer kritisieren, die neuen Gesetze würden den Kunden wenig bringen.

Sie haben sich dafür stark gemacht, dass die Geldhäuser etwa ihre Beratung schriftlich in einem Protokoll dokumentieren müssen. Doch diese Pflicht seit dem 1.Januar wirkt sich für die Kunden selten positiv aus, urteilt die Stiftung Warentest. Die Zeitschrift Finanztest hat Kunden losgeschickt und acht Geldhäuser getestet. Ergebnis: Mängel beim Protokoll, das den Kunden den Nachweis einer falschen Beratung ermöglichen soll - und so am Ende Schadenersatz, wenn die Geldanlage schiefläuft.

Erst das Protokoll, dann der Vertragsabschluss

Erstes Problem: In sechs von sechzehn Fällen bekamen die Kunden gar kein Protokoll. Oft mit fadenscheinigen Ausreden, etwa dass es einen Bericht der Beratung erst gibt, wenn der Kunden die Anlage gekauft hat. Das aber widerspricht dem Gesetz. Verbraucherschützer warnen: Erst das Protokoll fordern, auf mögliche Fehler durchlesen und dann erst das Geschäft abschließen - sonst hat der Anleger nichts in der Hand.

Finanztest führt außerdem an, dass die Berater die Kunden mit Phrasen abspeisen, wenn es etwa um mögliche Risiken der Wertpapiere geht. In den Protokollen stünden nur Worthülsen wie "über die Risiken wurde aufgeklärt". Damit könnte der Kunde nicht mehr nachweisen, dass er über ein Risiko nicht informiert wurde.

Wenn erneut eine Bank wie Lehman Brothers pleite geht und die Zertifikate auf einen Schlag wertlos werden, ohne dass der Berater über dieses Emittentenrisiko aufgeklärt hat, könnte der Kunde trotzdem keinen Schadenersatz fordern. Das Protokoll hat die Bank ja reingewaschen. Deshalb sollten die Banken darauf bestehen, dass mögliche Risiken aufgeführt werden.

Bankerdeutsch streichen lassen

Überhaupt Phrasen: Kunden sollten kein Bankerdeutsch akzeptieren, dass sie nicht verstehen, raten Verbraucherschützer. Sie sollten also Formulierungen wie "Tilgungsmittel", "Liquiditätsüberschüsse" oder "Termsheets" streichen lassen. Und: Das Protokoll nicht unterschreiben, weil das Gesetz das gar nicht verlangt und eine Unterschrift vor Gericht gegen den Kunden verwendet werden kann. Außerdem bemängeln die Tester, dass konkrete Angaben über Kosten der Wertpapiere meist fehlen.

Der Bundesverband deutscher Banken weist die Rügen von Finanztest zurück. "Wir bekommen von unseren Banken die positive Rückmeldung, dass sich das Beratungsprotokoll eingespielt hat", sagt ein Sprecher. "Wir können die Kritik daher nicht nachvollziehen." Die Banken appellieren an die Verantwortung der Kunden.

Wenn im Protokoll eine zu hohe Risikobereitschaft angegeben sei oder etwas Anderes, mit dem der Anleger nicht einverstanden sei, könne er ja widersprechen. "Der Kunde sieht ja das Protokoll." Empirisch nachweisen kann der Verband aber nicht, wie das Beratungsprotokoll bisher in der Praxis ankommt. Eine Befragung der Banken und Kunden dazu gibt es nicht. Und sie ist auch nicht geplant.

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