Finanzszene im Umbruch:Die drei Fragezeichen

Commerzbank? China Development Bank? Oder keiner von beiden? Die Allianz entscheidet demnächst über die Zukunft der Dresdner Bank.

Martin Hesse

Wenn Martin Blessing aus dem Fenster schaut, kann er Herbert Walter fast zuwinken. Nur ein paar Hundert Meter voneinander entfernt stehen die Türme, in denen die Chefs der Commerzbank und der Dresdner Bank ihre Büros haben. Doch was passiert mit diesen Türmen, wenn die beiden Banken fusionieren? Man könne den einen gleich abreißen, formuliert es ein Beobachter drastisch. Schließlich brauche man Vorstände, Pressestellen, Stabstellen, IT-Zentralen und vieles andere nicht doppelt.

Finanzszene im Umbruch: Bankenszene im Umbruch: Die Commerzbank (Hintergrund) interessiert sich für die Dresdner Bank - aber bekommt Commerzbank-Chef Blessing auch den Zuschlag?

Bankenszene im Umbruch: Die Commerzbank (Hintergrund) interessiert sich für die Dresdner Bank - aber bekommt Commerzbank-Chef Blessing auch den Zuschlag?

(Foto: Foto: dpa)

Abreißen wird man vermutlich keinen der Frankfurter Türme. Aber wie viele Arbeitsplätze bei einer Fusion wegfallen, ist eine der Kernfragen, wenn die Allianz als Eigentümerin der Dresdner Bank am Wochenende über die Zukunft ihrer Tochter entscheidet. Es geht außerdem darum, welchen Preis der Versicherungskonzern erzielen kann und welche Lösung für die Bank und ihre Kunden die beste Perspektive bietet. Die Allianz prüft drei Szenarien. Eine Fusion mit der Commerzbank gilt als die wahrscheinlichste Lösung. In Frage kommt aber auch ein Verkauf an die China Development Bank oder ein Verbleib der Dresdner im Konzern.

Szenario 1: Commerzbank erhält den Zuschlag

Die Commerzbank ist dem Vernehmen nach bereit, für die Dresdner Bank etwa neun Milliarden Euro zu zahlen. Bei der Allianz steht die Tochter noch mit 10,4 Milliarden Euro in den Büchern, sie müsste also einen Abschlag in Kauf nehmen. Der Preis ist jedoch nur eine ungefähre Hausnummer. Schließlich geht es auch darum, inwieweit beide Seiten sich gegen Verluste aus der Kreditkrise absichern. In Finanzkreisen heißt es beispielsweise, die Allianz könnte für mögliche Verluste bei der Investmentbank Dresdner Kleinwort Garantien in Höhe von 800 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro geben. Umgekehrt dürfte der Versicherer, der an der fusionierten Bank mit 25 bis 30 Prozent beteiligt bleiben dürfte, auf Sicherheiten für Risiken bei der Commerzbank-Tochter Eurohypo drängen.

Umstritten ist in Finanzkreisen, wie leicht sich die Commerzbank mit der Finanzierung tut. Es heißt, die Bank könnte der Allianz die Fondstochter Cominvest andienen, die 1,5 bis zwei Milliarden Euro wert sein soll. Außerdem könnte die Commerzbank ihre Beteiligungen an Linde im Wert von 1,5 Milliarden Euro und Thyssen-Krupp im Wert von 240 Millionen Euro versilbern. Ohne sich die Maßnahme genehmigen lassen zu müssen, könnte das Institut über eine Kapitalerhöhung 3,3 Milliarden Euro hereinholen. Den Rest müsste die Bank über Schulden finanzieren, allerdings könnte dies Analysten und Ratingagenturen missfallen. Offenbar wird mit der Allianz auch über eine Lösung verhandelt, nach der die Commerzbank zunächst nur 51 Prozent an der Dresdner Bank erwirbt und den Rest erst nach einer weiteren Kapitalerhöhung im kommenden Jahr.

Mitarbeiter nicht grundsätzlich gegen Zusammenschluss

Der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende der Commerzbank, Uwe Tschäge, erwartet, dass bei einer Fusion mit der Dresdner Bank vor allem in den Konzernzentralen und im Investmentbanking Stellen wegfallen würden, weniger in den Filialen. "Einen Kahlschlag in den Filialen sollte sich die Bank nicht leisten", sagte er. Sie werde weiterhin für alle Kunden Berater brauchen, auch wenn ein Teil der Filialen - bei beiden Banken insgesamt mehr als 1800 - wegfallen sollte. Schätzungen, wie viele Jobs wegfallen, möchte Tschäge nicht abgeben.

"Wir wollen bei einer Fusion Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen." Außerdem müsste der Abbau der Jobs über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Wenn eine Fusion die Bank zukunftsfähiger mache, seien die Arbeitnehmer aber nicht grundsätzlich gegen einen Zusammenschluss mit der Dresdner Bank. Die Gewerkschaft Verdi spricht von bis zu 15.000 bedrohten Jobs, Analysten erwarten, dass höchstens 10.000 Stellen gestrichen werden.

Die drei Fragezeichen

Szenario 2: Chinesen schlucken das Institut

Als zweiter ernsthafter Interessent für die Dresdner Bank gilt die China Development Bank (CDB) aus Shanghai. Zwar heißt es in Finanzkreisen, die staatliche chinesische Bank sei bereit, mehr zu bezahlen als die Commerzbank, sicher ist dies jedoch nicht. Ein wichtigerer Vorteil könnte sein, dass bei einem Verkauf an die CDB, die bisher in Deutschland nicht präsent ist, weniger Arbeitsplätze zur Disposition stünden. Auch könnte sich die Allianz damit einen Vertriebskanal nach China öffnen.

Zwei große Fragezeichen stehen jedoch hinter der CDB: Bewilligt die chinesische Regierung einen riskanten Zukauf in Deutschland? Bislang fungierte die CDB eher als eine Art Förderbank für die chinesische Wirtschaft. Und wie steht die Bundesregierung dazu? Bislang hat der Bund durchblicken lassen, er bevorzuge bei der Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft nationale Lösungen. Offen für einen Einstieg der Chinesen sind die Arbeitnehmer: "Wir haben immer gesagt, dass wir nichts gegen einen ausländischen Käufer haben. Es kommt aber immer darauf an, welches Geschäftsmodell dahinter steht", sagte ein Verdi-Sprecher am Mittwoch.

Szenario 3: Die Allianz verstößt die Tochter nicht

Noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass die Allianz sich entscheidet, die Dresdner Bank zu behalten. Sie soll Pläne in der Schublade haben, das Privatkundengeschäft unter der Marke Allianz Bank stärker in den Konzern zu integrieren und die Investmentbank Dresdner Kleinwort später zu verkaufen. Es heißt jedoch auch, der Münchner Versicherer werde die Dresdner Bank möglicherweise als eigenständige Marke wie bisher weiterführen. An der Börse würde allerdings ein Verkauf lieber gesehen.

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