Süddeutsche Zeitung

Griechenland: Finanznot:"Nichts kann das Ruder herumreißen"

Bekommt Griechenland weitere Finanzhilfen? Alles hängt jetzt am Bericht der Troika aus EZB, EU-Kommission und Währungsfonds. Politiker verbreiten Zweckoptimismus, dabei gilt es an Finanzmärkten als sicher, dass das Land umschulden muss.

Wenige Tage vor der erwarteten Entscheidung über weitere Hilfen für Griechenland steigt der Druck auf die Regierung in Athen, den Sparkurs zu verstärken und dabei das Volk sowie die Politik mit ins Boot zu holen.

Nach neuerlichen Protesten im Zentrum Athens warnten Vertreter von EZB und EU eindringlich vor einer Umschuldung des Landes und mahnten Reformen wie Privatisierungen an. Am Sonntag hatten sich dessen ungeachtet nach Polizeiangaben etwa 30.000 Menschen auf dem Syntagma-Platz in der griechischen Hauptstadt versammelt und den Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgefordert, "sich zu verziehen".

Die Regierungspartei Pasok sagte ein geplantes Treffen für Montag zum Thema internationale Hilfen kurzfristig ohne Angabe von Gründen ab. Ministerpräsident Georgios Papandreou wollte die Partei bei dem Treffen auf einen noch strikteren Sparkurs einschwören.

Griechenland hatte vergangenes Jahr ein Hilfspaket von IWF und EU im Volumen von 110 Milliarden Euro erhalten. Die Auflagen für das Paket hat Hellas aber bislang offenbar kaum umsetzen können.

Zuletzt wurde viel über eine Umschuldung spekuliert. Die Europäische Zentralbank (EZB), die mit dem IWF und der EU an den Verhandlungen vor Ort beteiligt ist, ist strikt dagegen. EU, EZB und IWF - die sogenannte Troika - überprüfen derzeit, ob Griechenland die Bedingungen für die Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem im vergangenen Jahr beschlossenen Rettungspaket erfüllt.

Berlin rechnet mit Bericht bis Ende der Woche

Die Bundesregierung erwartet den Abschlussbericht der Troika zum Ende der Woche. Das sei der vermutliche Zeitpunkt, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Berlin. Die griechischen Medien gehen davon aus, dass die Prüfung am Donnerstag abgeschlossen wird.

Von dem Bericht hängt ab, ob das hoch verschuldete Land die nächste Tranche aus dem 110-Milliarden Euro-Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) und seiner Euro-Partner erhält. Ohne die Hilfe droht binnen Wochen eine Staatspleite.

Der Ministeriumssprecher sagte, die Kommission prüfe, welche Fortschritte Griechenland bei der Umsetzung des Programms zu seiner Haushaltssanierung mache. Außerdem werde seine Schuldentragfähigkeit untersucht.

Damit die IWF-Gelder fließen können, muss das Hilfsprogramm mindestens für zwölf Monate durchfinanziert sein. Daran gibt es Zweifel, denn bisher ist geplant, dass das Land sich ab dem Frühjahr 2012 teilweise wieder am Kapitalmarkt refinanziert. Angesichts der noch immer hohen Zinsen für griechische Anleihen erscheint das allerdings derzeit aussichtslos.

Die griechische Regierung zeigte sich hingegen zuversichtlich, die dringend benötigte Finanzhilfe-Tranche von 12 Milliarden Euro in Kürze zu erhalten. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sagte dem griechischen Fernsehsender Ant 1: "Wir werden die fünfte Rate bekommen."

Den immer wieder erhobenen Forderungen, Griechenland müsse umschulden, erteilte EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini-Smaghi unterdessen eine klare Absage. Die Vorstellung, dass eine Umschuldung geordnet vonstatten ginge, sei ein Märchen. "Jedes Mal wenn nur Restrukturierung oder sanfte Restrukturierung erwähnt werden, spielen die Märkte verrückt. Das beweist, dass dies nicht geordnet ablaufen würde - zumindest nicht in diesem Umfeld", sagte der Notenbanker im Interview mit der Financial Times.

Bini-Smaghi fügte hinzu, dass eine Umschuldung Griechenlands oder der Austritt aus der Euro-Zone einem Todesurteil gleichkäme. "Und das haben wir in der Europäischen Union abgeschafft."

Er forderte Griechenland auf, seine Schulden über Anteilsverkäufe und Änderungen am Steuersystem zu senken. Einen Bericht des Magazins Der Spiegel vom Wochenende, wonach das Land all seine Haushaltsziele verfehle, dementierten sowohl Griechenland als auch der IWF umgehend.

EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte bereits Ende vergangener Woche eine Lösung angemahnt. "Es muss bald eine Einigung gefunden werden. Die Zeit läuft ab", erklärte Rehn. In der Welt sagte er, man erwarte, dass sich die Parteien weiterhin um eine Einigung über das Hilfsprogramm von EU und IWF bemühen.

Hohe Risikoaufschläge

"Ich bedaure, dass die Chefs der politischen Parteien in Griechenland keine Einigung über das wirtschaftliche Reformprogramm zur Überwindung der aktuellen Schuldenkrise erzielt haben."

An den Märkten gilt eine Umschuldung indes offenbar als sicher: "Griechenland wird letztlich umschulden müssen", sagte ein Händler. "Womöglich finden die Politiker noch eine Lösung, aber selbst wenn sie dieses Mal erfolgreich sein werden, nichts kann das Ruder mehr herumreißen." Die Risikoaufschläge für zehnjährige griechische Staatsanleihen erhöhten sich um 20 Basispunkte auf 1387 Basispunkte.

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