Finanznot der Krankenkassen:Und der Versicherte zahlt den Rest

Von Frühjahr 2010 an könnten Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben. Sechs Euro wären notwendig - SPD-Experte Lauterbach rechnet mit mehr.

Michael König

Im Frühjahr 2010 werden gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland wahrscheinlich tiefer ins Portemoinnaie greifen müssen. In der Bilanz der Krankenkassen klafft eine Lücke von 7,5 Milliarden Euro. Der Bund übernimmt etwa die Hälfte des Defizits. Für den Rest müssen wohl die Versicherten aufkommen - in Form eines monatlichen Zusatzbeitrages.

Krankenkassen, Zusatzbeitrag; dpa

Gesundheit kostet Geld: Krankenkassen könnten im Frühjahr 2010 damit beginnen, Zusatzbeiträge zu verlangen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Vorsitzende des Spitzenverbands der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, hatte die Einführung von Zusatzbeiträgen in einem Interview mit der Berliner Zeitung "in großem Maße" angekündigt. Die Kassen selbst wollen davon nichts wissen - noch nicht.

Deutliche Signale

"Wir gehen ohne Zusatzbetrag ins Jahr 2010", sagte ein Sprecher der Techniker Krankenkasse, mit 7,3 Millionen Versicherten derzeit die größte gesetzliche Krankenversicherung Deutschlands. "Eine Vorhersage darüber hinaus wäre unseriös." Auf diese Formulierung hat er sich offenbar mit seinen Kollegen geeinigt: Die Pressesprecher von Barmer Ersatzkasse und DAK antworten unisono.

Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass hinter den Kulissen nicht längst an einer Einführung gearbeitet wird. "Die Signale, die wir von den Kassen bekommen, deuten darauf hin", sagte eine Sprecherin des Spitzenverbands. Betroffen seien Kassen jeder Art und Größe.

Sechs Euro - rein rechnerisch

Expertenmeinungen zufolge wird die gesetzliche Krankenversicherung wegen der Wirtschaftskrise im kommenden Jahr ein Defizit von 7,5 Milliarden Euro erwirtschaften. Der Bund hat zugesagt, 3,9 Milliarden Euro beizusteuern. Um die noch fehlenden 3,6 Milliarden auszugleichen, müsste rein rechnerisch jedes Kassenmitglied sechs Euro im Monat draufzahlen, heißt es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Nach Einschätzung einer Verbandssprecherin werde es bis März 2010 dauern, bis den Kassen die Gesamtbilanz für das abgelaufene Jahr vorliegt. Spätestens dann werde die Erhebung eines Zusatzbeitrages konkret.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die Zusatzbeiträge schon früher kommen - und höher als vom Verband veranschlagt: "Die Kassen werden acht Euro nehmen. Und damit werden noch nicht einmal alle hinkommen", sagte Lauterbach zu sueddeutsche.de.

"Röslers erster Fehler"

Der Zusatzbeitrag ist unabhängig vom Einkommen des Versicherten. Erst ab acht Euro gibt es eine Einkommensprüfung - dann muss die Kasse individuell untersuchen, ob der Zusatzbeitrag die Grenze von einem Prozent des Bruttoeinkommens des Versicherten überschreitet.

Lauterbach hält das Aufkommen des Zusatzbeitrags für eine von der FDP gewollte Maßnahme: "Das ist der Einstieg in die Kopfpauschale, ohne dass sie es so nennen müssen. Sie können das der alten Regierung zuschieben und haben gleichzeitig den Wechsel zum Prämiensystem." Die Versicherten müssen sich an den Zusatzbeitrag gewöhnen, glaubt Lauterbach: "Das wird zu einer Dauerlösung."

Die Schuld sieht Lauterbach bei Gesundheitsminister Rösler: "Er hat keine Sparvorschläge gemacht, das war der erste Fehler seiner Amtszeit. Stattdessen hat er gesagt, Gesundheit werde teurer. Den Kassen bleibt nichts anderes übrig, als zu reagieren und weiter von der aktuellen Kostensteigerung auszugehen."

Ein Modell der Kopfpauschale

Ins gleiche Horn stieß die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender: "Der Zusatzbeitrag wird immer größer. Das entspricht durchaus der Intention der schwarz-gelben Regierung." Wenn es der FDP schon nicht gelänge, die Kopfpauschale komplett durchzusetzen, so bekomme sie auf diesem Wege immerhin "ein Modell" dessen.

Martina Bunge von der Linkspartei kritisierte, die schwarz-gelbe Regierung schaue zu, wie "die gesetzliche Krankenversicherung vor die Wand fährt". Sie rechnet mit einer Einführung bis Mitte des Jahres: "Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen ist das Geld alle."

Bender geht wie Lauterbach davon aus, dass der Zusatzbeitrag bereits Anfang 2010 kommen werde - und verweist auf die DAK, die im Januar eine Verwaltungsratsitzung anberaumt hat. Der Pressesprecher der DAK sagte, dass der Zusatzbeitrag in dieser Sitzung nicht auf der Tagesordnung stehe. Er räumte allerdings ein, dass die Tagesordnung bis vier Wochen vor der Sitzung geändert werden könne.

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