Finanzmärkte:Amerika bremsen

Die amerikanische Dominanz hat sich in der Finanzkrise bitterlich gerächt - Europa sollte sich daher mehr Einfluss auf den Finanzmärkten erobern.

Alexander Hagelüken

Angela Merkel zählt nicht zu den Politikern, die gewohnheitsmäßig die schnelle Schlagzeile suchen. Sie tituliert die Finanzmärkte nicht als "Monster", wie es kürzlich der um Beifall buhlende Bundespräsident tat. Sie stellt einfach fest, dass im Wesentlichen die Vereinigten Staaten entscheiden, wie die Multi-Milliarden-Finanzbranche kontrolliert wird - und dass Europa eine größere Rolle spielen sollte. Angela Merkel hat völlig recht.

Seit langem lässt sich bei der Kontrolle der internationalen Finanzmärkte eine bemerkenswerte Zweiteilung beobachten. Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika befinden, dass ein Bereich wenig reguliert werden sollte, dann wird er wenig reguliert. Da mögen der deutsche Finanzminister und seine EU-Kollegen noch so dringend wünschen, die Öffentlichkeit müsse mehr über Verhalten und Risiken einflussreicher Hedgefonds erfahren - für die US-Regierung war das jahrelang kein Thema. Mit Kompromissen hat man es in Washington nicht so. Und daher passierte nichts.

Ganz anders verhält es sich, wenn die größte Wirtschaftsmacht der Welt meint, dass ein Bereich stark reguliert werden sollte. Wird die Nation von etwas erschüttert, wie nach der Jahrtausendwende von den falschen Bilanzen bei Enron und Co., dann müssen sofort drakonische Gesetze her - möglichst mit Wirkung auf den ganzen Erdball. So kommt es, dass der deutsche Siemens-Konzern wegen der von deutschen Managern veranlassten Bestechungen am meisten vor der US-Börsenaufsicht zittert, und nicht vor deutschen Behörden.

Diese amerikanische Dominanz hat sich in der Finanzkrise bitterlich gerächt. Die Geldschwemme der US-Notenbank und die hochriskanten, aber nur schwach kontrollierten Geschäfte der US-Finanzhäuser haben die riesige Blase erzeugt, die jetzt geplatzt ist - und Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks schädigt. Sicher, auch deutsche (Landes-)Banken ließen sich von der Gier nach Rendite verleiten. Doch für den Trend und die regulatorische Abstinenz sind die Amerikaner verantwortlich, die Europäer standen wieder mal demütig an der Seitenlinie.

Jetzt wird es höchste Zeit, aufs Spielfeld zu stürmen. Die Finanzmärkte und die Wirtschaft insgesamt werden ein zunehmend globales Geschäft. Regeln funktionieren nur noch, wenn sie möglichst universell gelten. Die Europäer haben keinen Grund, die Dominanz der USA weiter zu dulden. Die USA sind die größte Wirtschaftsmacht der Welt, doch die Europäische Union ist der größte Wirtschaftsraum der Welt - und kann beanspruchen, dass man sich gemeinsam auf Lösungen verständigt.

Nicht alle von Angela Merkels Ideen scheinen ausgereift. Eine europäische Ratingagentur als Gegengewicht zu den US-Häusern? Könnte genauso als behördliche Kopfgeburt scheitern wie einst das europäische Google. Wichtiger wäre es jetzt, dass die Europäer ihre Position ausbalancieren, zwischen französischer Staats-Hörigkeit und britischer Kapitalmarkt-Hörigkeit. Und dann auf internationaler Bühne machtvoll auftreten, um Reformen durchzusetzen. Zum Beispiel eine stärkere Unabhängigkeit der Ratingagenturen von ihren Auftraggebern. Und die Verpflichtung, dass Banken riskante Geschäfte stärker mit eigenem Kapital absichern müssen. Wenn die Europäer diesmal nicht handeln, dürfen sie sich nicht beschweren, wenn sie die nächste Finanzkrise überrollt.

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