Finanzkrise weitet sich aus:Teile des Kreditmarkts zusammengebrochen

Die Krise an den internationalen Finanzmärkten reicht noch weiter als zunächst befürchtet. Der Markt für Anleihen mittlerer Bonität ist nach Banken-Angaben geradezu kollabiert. Auch deutsche Institute sind noch stärker betroffen als bislang befürchtet.

Gerd Zitzelsberger

Die Spannungen an den Finanzmärkten waren in den vergangenen Tagen noch gravierender, als die Öffentlichkeit wahrgenommen hat, räumten Manager am Wochenende in vertraulichen Gesprächen ein.

Bei Großanlegern, aber auch unter Banken und Fondsgesellschaften ist demnach teilweise Panik ausgebrochen. Denn die Krise erstreckt sich nicht mehr nur auf Wackelkredite für amerikanische Immobilien, sondern auf das ganze Spektrum von Anleihen, Geldmarktpapieren und andere Schuldverschreibungen, hinter denen nicht Staaten oder andere Emittenten mit allerbester Bonität stehen.

Bis vor kurzem waren solche zweitklassigen Papiere bei den Großanlegern gesucht, weil sie höhere Renditen bringen und ihr Risiko als gering galt. In der Regel werden diese Papiere nicht über die Börse gehandelt - und damit bleiben die aktuellen Preise für solche Schuldverschreibungen im Dunkeln.

"Keiner hat mehr überlegt"

Ende der vorigen Woche versuchten Banken und Fonds rund um den Globus, diese Papiere abzustoßen. "Keiner hat mehr überlegt. Jeder wollte seinem Vorstand oder seinen Kunden nur sagen, dass er schon längst keine solchen Schuldverschreibungen mehr im Portefeuille habe", hieß es bei einer Fondsgesellschaft, die auch in Deutschland eine starke Stellung hat.

"Für beinahe 20 Prozent unserer Positionen haben wir am Freitag keinen Kurs gestellt bekommen", erzählte ein Manager einer internationalen Bank. Da Banken üblicherweise mit einem Eigenkapitalanteil von etwa acht Prozent arbeiten, konnten diese Institute also Forderungen, die etwa das Doppelte ihres Eigenkapitals ausmachen, überhaupt nicht bewerten.

"Für Papiere, die nicht keine akzeptable Ratingnote haben, bekommt man am Markt keinen oder nur einen absurd niedrigen Preis", sagte ein anderer Manager. Mit anderen Worten: Der Markt für Schuldverschreibungen, deren Risiko im gängigen Bereich liegt, war Ende der Woche zusammengebrochen.

Die Folgen bekommen vor allem Fonds für Großanleger zu spüren. Sieben europäische Fonds, die in Geldmarktpapiere investieren, wurden in den vergangenen Tagen auf Eis gelegt. Die Gesellschaften nahmen vorübergehend keine Anteile mehr zurück. Denn sie konnten nicht so schnell Vermögen verkaufen, wie Anleger Geld zurückhaben wollten.

Probleme bei DWS-Fonds

Die Deutsche Bank-Tochter DWS dagegen hält, wie ein Sprecher am Wochenende sagte, ihren ABS-Fonds offen. Mit Wackelkrediten für amerikanische Immobilien hat der Fonds nichts zu tun.

Seine Anlagen werden von den Ratingagenturen im Durchschnitt mit AA- bewertet, einer der höchsten Bonitätsnoten. Dennoch haben die Anleger auch bei diesem Fonds bereits 30 Prozent der Zertifikate zurückgegeben. Der Fonds muss deshalb Vermögen zu Discountpreisen verkaufen. Dies hat am Freitag den Rücknahmepreis der Anteile um 2,6 Prozent gesenkt.

Herausgestellt hat sich am Wochenende auch, dass deutsche Institute mit mehr Geld am amerikanischen Immobilienmarkt engagiert sind als bislang bekannt.

Die Düsseldorfer WestLB teilte mit, konzernweit belaufe sich der Wertpapierbestand im sogenannten subprime-Sektor, also im Bereich der zweitklassigen US-Immobilienkredite, auf 1,25 Milliarden Euro. Allerdings hätten 98 Prozent der Papiere von den Ratingagenturen ein hohes Gütesiegel bekommen.

Postbank in den USA engagiert

Die Postbank räumte ein, dass sie indirekt mit bis zu 600 Millionen Euro zusätzlich am US-Immobilienmarkt engagiert sein könnte. "Was davon subprime ist, wird analysiert", sagte ein Sprecher.

Bei der SachsenLB hieß es, "wir haben keine Liquiditätsprobleme, wir können alle unsere Forderungen erfüllen." Die Finanzaufsicht nimmt bei der Bank eine beinahe 13 Milliarden Euro schwere Gesellschaft unter die Lupe, die für spekulative Geschäfte gegründet wurde.

Auch im Ausland gerieten weitere Banken in den Sog der Krise. Die amerikanische Citigroup hat laut einem Bericht der Financial Times in den vergangenen Wochen mehr als 500 Millionen Dollar am Kreditmarkt verloren.

Zu den Verlusten soll es unter Leitung eines Managers gekommen sein, den die Citigroup vor einem Jahr der Deutschen Bank abgeworben hat. Unterdessen hat eine weiterer amerikanischer Immobilienfinanzierer, die Home Banc Corp, Gläubigerschutz beantragt. Zu ihren Geldgebern zählen auch die Commerzbank, die Deutsche Bank und die französische BNP.

Warnung vor Panikverkäufen

Fachleute der auf Vermögensverwaltung spezialisierten Genfer Privatbank Pictet sowie der Schweizer Großbank UBS, die mehr Vermögen verwaltet als jede andere Bank, warnen Privatanleger von Panikverkäufen am Aktienmarkt. "Wir sind drauf und dran, den Aktienanteil hochzufahren", hieß es etwa bei Pictet.

Volkswirte rechnen mittlerweile damit, das die Krise das amerikanische Wirtschaftswachstum dämpfen wird. Für Deutschland dagegen seien die Wachstumsaussichten nach wie vor gut, sagte der Wirtschaftsweise Bert Rürup.

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