Finanzkrise:2008 ist nicht 1929

Zuerst war es "nur" eine US-Immobilienkrise, dann wurde daraus eine globale Finanzkrise: Mancher zieht derzeit schon Vergleiche mit der großen Weltwirtschaftskrise - aber ganz so schlimm dürfte es nicht kommen.

Andreas Oldag

An historischen Vergleichen fehlt es nicht in diesen turbulenten Börsentagen: Die dramatische Lage auf den Finanzmärkten ist die schlimmste Krise seit der großen Depression der 30er Jahre, meint der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder spektakuläre Finanzmarktkrisen, die das Vertrauen der Anleger erschütterten und die Wirtschaft belasteten. Ursachen, Ausmaß und Ablauf der Krisen waren zwar unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen aber, dass die Finanzmärkte nicht mehr effizient Kapital verteilen konnten.

Kein Zufall, dass sich dabei besonders die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre in das kollektive Gedächtnis der Menschen eingebrannt hat. Der 24. Oktober 1929 wurde für die Wall Street zum Schwarzen Donnerstag. An der Börse kam es zu einer Verkaufspanik. Binnen weniger Stunden versuchten Anleger Millionen von Aktien loszuschlagen. Doch es fanden sich keine Kaufinteressenten. Die Folge: Die Kurse stürzten ab wie kaum je zuvor.

Die Nerven der Broker lagen blank. Vor den Toren der Börse kam es zu dramatischen Szenen aufgebrachter Anleger, die um ihr Geld fürchteten. Aus Verzweiflung nahmen sich viele Bankrotteure in den folgenden Wochen das Leben. Bis Mitte November 1929 waren Börsenwerte von 30 Milliarden Dollar vernichtet. Das entsprach drei Prozent des damaligen Bruttosozialprodukts der USA.

Ehemals wertvolle Aktie als Wandschmuck

Der Schwarze Donnerstag stürzte die amerikanische Wirtschaft in Agonie. Bankrotte Anleger konnten sich ihre einst wertvollen Aktienpapiere allenfalls noch als Bildschmuck an die Wand nageln. Bald gab es 17 Millionen Arbeitslose zwischen New York und San Francisco. Mehr als 9000 US-Kreditinstitute gaben bis 1933 ihr Geschäft auf. Die Schockwellen des Börsenkrachs breiteten sich nach Europa aus. 1931 brach die Danat Bank zusammen, das damals zweitgrößte deutsche Kreditinstitut. Vorher hatte es Gerüchte um die Zahlungsunfähigkeit der Bank gegeben. Die Reichsregierung fusionierte später die Danat Bank mit der Dresdner Bank.

Welche Parallelen gibt es zur heutigen Finanzkrise? Wo liegen die Unterschiede? Welche Lehren können aus dem Börsencrash 1929 gezogen werden? Das sind brennende Fragen, welche Ökonomen und Anleger derzeit umtreiben.

Auch damals fiel die Krise nicht aus heiterem Himmel. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Spekulationsfieber in den USA angeheizt, die Wirtschaft boomte. Es war die große Zeit der US-Konsumgüterindustrie, die von Staubsauger bis Kühlschrank und Auto alles herstellte. Doch Ende der 20er Jahre hatte sich die Spekulationsblase von der realen Wirtschaft immer weiter gelöst. Anleger nahmen zu extrem hohen Zinsen Kredite auf, um Wertpapiere auf Pump zu kaufen. Viele Banken beteiligten sich am Börsen-Monopoly. Die Gier trieb sie zu immer waghalsigeren Geschäften.

Ähnlich wie bei der Beinahe-Pleite der US-Investmentbank Bear Stearns am vergangenen Wochenende genügten dann schon Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit von Kreditinstituten, dass sich das Baisse-Virus schlagartig ausbreitete. Es kam zu einem regelrechten Ausverkauf an den Börsen, der seinen Tiefpunkt in den USA erst 1932 erreichte. Der Dow-Jones-Aktienindex fiel auf 42 Punkte und hatte damit gegenüber seinem Höchststand von 380 Punkten Mitte 1929 fast 90 Prozent eingebüßt. Erst 1954 erreichte er wieder das alte Niveau.

Verschärfend wirkte sich in der damaligen Krise aus, dass die Regierungen und Notenbanken den Geldhahn zudrehten. Dies führte zu einer Deflation, welche die Wirtschaft lähmte. Erst von 1933 an ging die amerikanische Regierung zu wachstumsfördernden Investitionen über, die durch öffentliche Schuldenaufnahme die Konjunktur ankurbelten.

Der Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, hat jetzt mit einer brutalen Zinssenkung und milliardenschweren Hilfspakten für die bedrängten US-Banken durchaus die Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Er hat ohnehin als Wirtschaftswissenschaftler intensiv über die große Depression geforscht. Immer wieder hat er in seinen Publikationen die damalige Untätigkeit der Notenbank angeprangert. 2008 ist deshalb nicht 1929. Aber die derzeitige Intervention der Fed hat ihren Preis: Bernanke riskiert einen Inflationsschub und eine weitere Abwertung des schwächelnden Dollars.

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