Finanzinvestoren:Entdeckung der Sanftheit

Es war kein gutes Jahr für Heuschrecken. Jetzt rüsten sie zur nächsten Schlacht - und kämpfen dabei vor allem um ein besseres Image.

Johannes Bockenheimer

Ausgesaugt und heruntergewirtschaftet: Der Badarmaturenhersteller Grohe wurde lange Zeit als Paradebeispiel einer rücksichtslosen Investoren-Übernahme geführt. Grohe erschien vor dem Einstieg des Finanzinvestors BC Partners 1998 und dem Weiterverkauf an Texas Pacific Group (TPG) und die Credit-Suisse-Tochter CSFB wie ein prosperierendes Unternehmen.

Der Umsatz des Konzerns wuchs stetig, Grohe war Marktführer in Deutschland und auf Expansionskurs im Ausland. Darüber hinaus heimste der Konzern Auszeichnungen für Innovation und Qualität ein.

Mit den Beteiligungsgesellschaften an Bord verkehrte sich das Bild: Dem Unternehmen wurden Milliardenschulden aufgebürdet, Werke wurden geschlossen und, als BC Partners den Konzern an TPG und CSFB weiterreichte, Hunderte Arbeitsplätze gestrichen.

Die Strategie der Private-Equity-Häuser erschien dabei so einfach wie rücksichtlos: TPG und CSFB legten für Grohe rund 1,5 Milliarden Euro auf den Tisch - wie schon bei BC Partners war der Eigenkapitaleinsatz dabei mit 100 Millionen Euro verschwindend gering. Der Rest wurde über Kredite finanziert, deren Rückzahlung dem Konzern aufgebürdet wurde.

Der damalige Arbeitsminister Franz Münteferings (SPD) nutzte diese Steilvorlage für eine Kapitalismusschelte, in der er heftig über Finanzinvestoren vom Leder zog, die wie "Heuschrecken" über Unternehmen herfallen, ihre Substanz absaugen und anschließend verschwinden. Auch fünf Jahre später hält Müntefering im Interview mit sueddeutsche.de an dieser Sichtweise fest.

"Grohe war eine Erfolgsgeschichte"

Fragt man hingegen Hanns Ostmeier, der damals bei BC Partners den Deal mitverantwortete und heute Präsident des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) ist, bekommt man eine andere Antwort. Der Verkauf sei "eine klare Erfolgsgeschichte". Damit meint Ostmeier die Geschäftsentwicklung von Grohe im Allgemeinen.

Etwas vorsichtiger argumentiert Christoph Kaserer, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität in München. Man wisse nicht, wie sich Grohe ohne den Investoren-Einstieg entwickelt hätte. Aber die von Müntefering verbreitete Heuschrecken-Analogie sei "definitiv falsch".

Die Zahlen scheinen beiden recht zu geben: Grohe gelang es zuletzt, bei Umsatz und Gewinn wieder deutlich zuzulegen. 2007 erzielten die Sauerländer erstmals in der Unternehmensgeschichte mehr als eine Milliarde Euro Umsatz und auch 2008 steigerte Grohe den operativen Gewinn (Ebitda) um gut sechs Prozent auf 216 Millionen Euro. Die Beschäftigungszahl ist mittlerweile mit 5300 Angestellten wieder nah an der Zahl vor der Private-Equity-Übernahme.

Das gleiche Prinzip wie bei Grohe wurde rund um den Globus angewandt. Zeitweise wirkte es wie eine nicht enden wollende Finanzparty. Egal ob der Krankenhausbetreiber Hospital Corporation of America (HCA), der für 31,6 Milliarden Dollar von KKR und Bain Capital geschluckt wurde, der US-Energiekonzern TXU, den ein Konsortium um KKR, TPG und Goldman Sachs für 45 Milliarden Dollar aufkaufte, oder der Autovermieter Hertz, der in Anbetracht dieser Zahlen für die geradezu bescheidene Ablöse von 5,6 Milliarden Dollar den Besitzer (Carlyle und weitere) wechselte: Zwischen 2005 und 2008 schien für Private-Equity-Gesellschaften kein Übernahmekandidat zu groß.

Eine Finanzkrise und Tausende Firmenpleiten später ist Katerstimmung alles, was geblieben ist. Die Branche wurde von der Finanzkrise auf breiter Front getroffen. Nach den Jahren im Rausch klingen die Jahresprognosen des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften daher bescheiden: 2009 war ein schwieriges Jahr und auch für 2010 gibt man sich nur "vorsichtig optimistisch".

"Die Kredite bekam man nachgeschmissen"

"Die Kredite bekam man nachgeschmissen"

Dem Private-Equity-Kerngeschäft mit Leveraged-Buy-outs, also kreditfinanzierten Übernahmen, hat es besonders heftig zugesetzt: Investitionen von nur noch 1,1 Milliarden Euro wurden getätigt - ein Rückgang von mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Wachstumsfinanzierung brach um 59 Prozent ein, Venture-Capital-Investitionen gaben immerhin noch um 55 Prozent nach.

Hat sich die Branche selbst überlebt? Fakt ist, dass der einstige Ozean, aus dem Private-Equity-Gesellschaften ihre Liquidität für Übernahmen abzapften, zu einem kläglichen Rinnsal verkommen ist.

Zu Hochzeiten hätten die Banken die Investoren mit Krediten überhäuft: "Den Leverage bekam man nachgeschmissen" sagt ein Analyst der Ratingagentur Feri. Und wenn die Banken an das Geschäftsmodell glauben, könne man den Investoren kaum verübeln, dass sie das "exzessiv" in Anspruch genommen hätten.

Heute trauen sich die Banken nicht einmal mehr untereinander über den Weg, Geld für waghalsige Investoren-Abenteuer ist da nicht mehr drin. Von einer Kreditklemme will Andreas Becker, bei der WestLB verantwortlich für das Firmenkundengeschäft, zwar nicht sprechen, aber man sei vorsichtiger geworden.

"Wir haben Margen gesehen, die waren nicht wirklich attraktiv." Zeitweise hätten die Banken im klassischen Kreditgeschäft nur "sehr schwer Geld verdient", so Becker. BVK-Präsident Ostmeier stimmt mit ein: "Die Vorkrisenbedingungen waren singulär und sind so nicht wieder zu erwarten."

Beteiligungshäuser müssen umdenken

Doch das ist die Krux: Private-Equity-Fonds waren jahrelang durch und durch abhängig von fremdem Kapital. Eigenmittel wurden nur geringfügig eingebracht - die Regel war eine Eigenkapitalquote von 30 Prozent, nicht selten aber auch nur 20, manchmal gar nur zehn Prozent. Der Rest wurde durch Kredite finanziert, die man den übernommenen Unternehmen aufbürdete. Das lief so lange gut, wie billige Darlehen auf den Märkten verfügbar waren.

Die Marktlage zwingt die Unternehmen mittlerweile zum Umdenken. Frank Dornseifer, Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments (BAI), sagt, die Branche durchlebe derzeit einen "Reifeprozess". Beteiligungshäuser, die in der Vergangenheit einzig auf das Geschäftsmodell Leveraged-Buy-out gesetzt hätten, prophezeit er harte Zeiten. In diesem Branchen-Segment gab es bereits Marktbereinigungen und die werden sich nach Ansicht von Dornseifer auch noch fortsetzen. Man könne einen Trend zum Einsatz von mehr Eigenkapital ausmachen. Aktuelle Transaktionen bestätigen das: So schluckte KKR zu Beginn des Jahres Teile des Aromaherstellers Wild ("Capri Sonne") - mit einem Eigenmittel-Anteil von annähernd 100 Prozent.

Eins und eins ist nicht immer zwei"

"Eins und eins ist nicht immer zwei"

Krise hin oder her: Spätestens in zwölf bis 18 Monaten, hofft Verbandschef Ostmeier, wird sich das Geschäft wieder auf einem "normalen Niveau" einpendeln. Angesichts drastischer Rückgänge im Firmenkreditgeschäft der Banken, könnte das für deutsche Unternehmen gute Nachrichten sein.

Einige ausländische Banken haben sich aus dem Markt weitgehend zurückgezogen und Konsolidierungen wie der Aufkauf der Dresdner Bank durch die Commerzbank haben zu zusätzlichen Engpässen in der Unternehmensfinanzierung geführt.

"Eins und eins ist nicht immer zwei", sagt WestLB-Banker Becker. Die Kreditsumme, die von den Banken vor der Krise gestemmt wurde, sei deutlich geschrumpft. Durch die Kapitalregeln Basel II wurde zudem die Risikogewichtung für Bankhäuser verschärft. Privat-Equity-Gesellschaften bleiben am Markt daher oft die einzigen Wagniskapital-Geber. Private Equity als Retter in der Not? Der Plan könnte aufgehen, wenn denn Wege und Mittel gefunden werden, die schwarzen Schafe der Branche in ihre Schranken zu weisen.

"Keine 'Gutmenschen'"

Man solle sich keinen Illusionen hingeben, Private-Equity-Investoren seien keine "Gutmenschen", sagt TU-Professor Kaserer. Dennoch ist sich der Wissenschaftler sicher, es gibt "viele gute Gründe", anzunehmen, dass private Finanzinvestoren einen positiven Einfluss auf die Unternehmen nehmen. In einer für das Finanzministerium erstellten Studie kam Kaserer 2007 zu dem Schluss, dass die übernommenen Unternehmen sich nach dem Einstieg von privaten Finanzinvestoren meist besser entwickeln als in der Phase vor der Übernahme.

Das kann Harald Rösch, Vorstandschef beim Kabelnetzbetreiber KabelBW, bestätigen. Zwar habe man in der Vergangenheit auch einige üble Private-Equity-Übernahmen gesehen, doch sein Konzern habe "eine gute Heuschrecke erwischt". Das Unternehmen aus Baden-Württemberg wurde 2001 von einem Konsortium um den US-Investorengigant Blackstone aufgekauft und 2005 an das Private-Equity-Haus EQT weitergereicht.

Grohe gelingt das Comeback

KabelBW feiert Erfolge

Die Schweden investierten mehr als 500 Millionen in das Unternehmen - das sei im Vergleich zum Umsatz die "höchste Investitionsquote in Deutschland", so Rösch. Nachdem das Unternehmen auf Expansionskurs getrieben wurde, konnten die Heidelberger zuletzt Erfolge feiern: Der Umsatz verdoppelte sich annähernd von 289 Millionen Euro 2006 auf 493 Millionen Euro 2009. Der operative Gewinn legt von 127 Mio. auf 245 Millionen Euro zu (2009). Und anders als den Heusckrecken sonst unterstellt, musste für die Zuwächse nicht die Belegschaft bluten. Im Gegenteil: Seit dem Einstieg von EQT stieg die Zahl der Mitarbeiter von 552 auf 756.

Es bliebe allerdings noch die Verschuldung, die seitdem auf KabelBW lastet. Zur Übernahme wurde in der Branche gemunkelt, dass EQT für den Kabelbetreiber mindestens 1,3 Milliarden Euro hinblättern musste. Bei dem damals gängigen Hebelkredit von 30 Prozent, würde das eine Schuldenlast von etwa einer Milliarde Euro bedeuten. Zu den konkreten Zahlen schwiegen sich Konzern und Finanzinvestor bislang aus, Rösch versichert aber, dass der Konzern bis 2014 finanziell abgesichert sei.

Warum aber erhitzte Grohe vor fünf Jahren die Gemüter? Was im Verlauf der Heuschrecken-Debatte gerne übersehen wurde, waren strukturelle Probleme des Unternehmens, die Kaserers Studie aufdeckt. Das Unternehmen sei aus verschiedenen Gründen nur "sehr unzureichend" auf den globalen Wettbewerb vorbereitet gewesen. Die Produktion am Standort Deutschland verursachte Kostennachteile und machte den Unternehmenserfolg abhängig von Wechselkursschwankungen zum US-Dollar.

Angesichts der Tatsache, dass die USA für Grohe zu Beginn des neuen Jahrtausends zum zweitwichtigsten Absatzmarkt wurden, ein schwieriges Unterfangen für die Westfalen. Zudem sei das Produktportfolio veraltet gewesen und die Entwicklung neuer Produkte dauerte viel zu lange. Es ist deshalb zweifelhaft, dass bei einer klassischen Übernahme die neuen Gesellschafter anders gehandelt hätten, als es die Private-Equity-Häuser taten.

Tatsächlich eine Erfolgsgeschichte also? Für eine abschließende Conclusio wäre es zu früh: Noch drücken den Konzern zwei Anleihen in Höhe von fast einer Milliarde Euro. Wenn 2014 die Kreditlinien auslaufen, wird man es genau wissen. Doch eins scheint schon jetzt sicher: Der Fall Grohe taugt nicht als charakteristisches Beispiel für das von Müntefering entworfene Schreckensbild einer rücksichtslosen und gierigen Heuschrecken-Übernahme.

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